Mehr als Vettel gegen Hamilton

Ferrari-Pilot Sebastian Vettel reist geschlagen aus Barcelona nach Monaco. Lewis Hamilton hat aber schlechte Erinnerungen aus 2017. Wer ist nun Favorit? | Photo News

Von Marco Heibel

Für Weltmeister Lewis Hamilton ist Monaco „das Einhorn unter den Rennen“, für die meisten seiner Formel-1-Kollegen schlicht der Höhepunkt der Saison. Die Hetzjagd durch die Häuserschluchten des Fürstentums ist einzigartig in der Motorsport-Königsklasse. Kein Sieg ist prestigeträchtiger – und in diesem Jahr gibt es zahlreiche ernsthafte Bewerber.

Eigentlich müsste Sebastian Vettel nach dem Vorjahreserfolg vor seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen die klare Favoritenrolle beim sechsten Saisonrennen am Sonntag (15.10 Uhr/RTL) zufallen. Doch der Rückschlag von Barcelona, als sein Ferrari erstmals in dieser Saison nicht siegfähig war, hat bei einigen Beobachtern Zweifel geweckt. „Ich wüsste nicht, warum wir in Monaco nicht stark sein sollten“, hält der WM-Zweite dagegen: „Es ist eine andere Strecke mit anderen Anforderungen.“ Zudem habe sein Team „das Auto grundsätzlich verbessert gegenüber dem letzten Jahr“.

Dennoch: Nach zwei Siegen zum Saisonstart ist beim Deutschen und den Roten irgendwie der Wurm drin. Aus 17 Punkten Vorsprung auf Mercedes-Star Hamilton wurden binnen drei Rennen ebenso viele Zähler Rückstand.

Mercedes allerdings stapelt tief trotz des ersten Doppelsiegs der Saison in Barcelona, immerhin hat das Weltmeisterteam wegen des langen Radstands seiner Boliden auf verwinkelten Strecken regelmäßig Probleme. Hamilton erklärte am Mittwoch: „Wir haben viel gelernt aus dem letzten Jahr, da bin ich sicher. Aber Monaco ist eines der schwierigeren Rennen für uns. Erst nach den ersten Trainings werden wir mehr wissen.“

Damit kommt das dritte Top-Team ins Spiel. „Red Bull ist in langsamen Kurven stark und wenn die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden weniger entscheidend ist“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und wies damit Max Verstappen und Daniel Ricciardo die Favoritenrolle zu.

Die Piloten nehmen das Kompliment vor dem 250. Grand Prix ihres Rennstalls gern entgegen. „In den letzten Jahren war Red Bull in Monaco immer stärker als auf anderen Strecken“, sagte Verstappen, der in seiner vierten Formel-1-Saison bislang allerdings hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Dass der Niederländer mal „ein Großer“ wird, davon ist unter anderem Mercedes-Boss Wolff überzeugt. Allerdings gehe der Youngster gerade „durch eine Lernphase“, bemerkte der Österreicher mit Blick auf die zahlreichen Patzer des 20-jährigen Niederländers zu Saisonbeginn.

In Monaco, wo an jeder Stelle des 3,337 km langen Kurses links und rechts eine Leitplanke wartet und Fehler oft gleichbedeutend mit dem Aus sind, hat das Wunderkind allerdings die Chance zur Rehabilitation.

Fast genauso schnell, aber dafür weniger fehleranfällig ist Verstappens acht Jahre älterer Teamkollege Daniel Ricciardo. Der holte vor zwei Jahren in Monaco seine erste und bislang einzige Pole Position. Mit dem Sieg im Fürstentum wurde es 2016 dennoch nichts für den Australier. Ein Fehler war schuld – kein eigener, sondern der seines Kommandostands.

Und so dürften wieder einmal die Monaco-typischen Unwägbarkeiten einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Ausgang haben. Regen könnte am Sonntag für Turbulenzen sorgen, dazu hat das Safety Car bislang in jedem Saisonrennen eine Rolle gespielt. Und: Mit dem Hypersoft hat Pirelli erstmals eine neue, extrem weiche Reifenmischung im Gepäck, die für alle Teams unter Rennbedingungen Neuland bedeutet. In der Casinostadt Monte Carlo bahnt sich eine Lotterie an. (sid)

Fragen und Antworten zum Großen Preis von Monaco

Was steht an?

Das sechste Rennen der Formel-1-Saison steigt am Sonntag (15.10 Uhr/RTL) in den Straßenschluchten von Monte Carlo. Auf 3,337 Kilometern geht es auf und ab, Auslaufzonen gibt es nicht. Hinter den Leitplanken lauert der Bordstein, eine Betonwand oder das Hafenbecken. Drumherum feiert sich der Jetset, Reiche und Schöne hauen wie jedes Jahr am letzten Maiwochenende im Casino, den Bars oder auf ihren Yachten auf den Putz. Auf dieser Bühne steigt das nächste Duell zwischen Sebastian Vettel im Ferrari und Lewis Hamilton im Mercedes – sofern den beiden viermaligen Weltmeistern niemand dazwischenfunkt.

Wer ist Favorit?

In der Formel 1 ist in diesem Jahr oft die Rede davon, dass drei Teams gewinnen können. Für Monaco dürfte das mehr denn je gelten. Weltmeisterteam Mercedes mit Lewis Hamilton ist nach zwei Siegen in Folge zwar im Aufwind, erlebte aber im Vorjahr ein Horrorwochenende an der Cote d’Azur. Vettel und Ferrari starteten bärenstark in die Saison und hätten eigentlich die ersten vier Rennen gewinnen können, wenn nicht müssen. Dann kam der unerklärliche Einbruch von Barcelona. Die Frage lautet nun: War es ein Betriebsunfall oder der Vorbote einer waschechten Krise? Weil die Top-Teams Sorgen haben, könnte in Monaco die Stunde von Red Bull schlagen – ausgerechnet beim 250. Grand Prix des Teams. Der verwinkelte Kurs kommt dem Auto entgegen, allerdings war das Qualifying in dieser Saison das Manko bei Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Und in Monaco außerhalb der ersten Startreihe zu gewinnen, grenzt fast schon an Magie.

Gewinnt womöglich ein ganz anderer?

Selbst das ist nicht auszuschließen. Monaco ist immer für Überraschungen gut. Die Strecke lässt kaum Fehler zu, deswegen ist die Safety-Car-Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch. Zudem erwarten die Wetterfrösche Richtung Wochenende durchaus ein paar Tropfen. Es muss ja nicht ganz so verrückt zugehen wie 1996, als lediglich drei Autos das Ziel erreichten und der Franzose Oliver Panis seinen einzigen Grand-Prix-Sieg abstaubte.

Auf wen sollte man noch achten?

Erstmals seit 24 Jahren ist mal wieder ein Einheimischer am Start. Zwar wohnen traditionell viele Fahrer im Fürstentum – wegen des schönen Wetters und nicht zuletzt der niedrigen Steuern -, doch der 20 Jahre alte Sauber-Rookie Charles Leclerc ist tatsächlich in Monaco geboren. Der letzte vor ihm war 1994 Olivier Beretta. Während dieser nur neun Rennen in der Königsklasse bestritt, wird Leclerc bereits als künftiger Ferrari-Pilot gehandelt. Den Traum von einem Cockpit bei der Scuderia hat nach eigener Aussage auch noch Romain Grosjean. Doch der Franzose ist in dieser Saison der Crashpilot Nummer eins. Zuletzt in Barcelona zog er sich den Zorn von Nico Hülkenberg zu, nachdem er den Renault-Piloten aus Emmerich bei einem Dreher mit ins Aus befördert hatte. (sid)