Vor 50 Jahren sprang Bob Beamon 8,9 Meter weit

Es dauerte sechs lange Sekunden. Damals, am 18. Oktober 1968, bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt. Sechs Sekunden, dann landete Bob Beamon fast am Rand der Weitsprunggrube. Die Messvorrichtung versagte ihren Dienst, das alte Maßband musste ran. Als nach langer Verzögerung die legendären 8,90 m auf der Anzeigetafel aufleuchteten, hielt die Sportwelt den Atem an. Sie war Augenzeuge einer der größten Leistungen in der Geschichte des Sports geworden.

Jener damals 22-jährige Bob Beamon hatte den bestehenden Weltrekord um 55 (!) Zentimeter übertroffen, ihn damit geradezu pulverisiert. Er war aus dem Nichts gekommen und in der Ewigkeit gelandet. „Sagt mir, dass ich nicht träume“, waren Beamons erste Worte nach seinem „Sprung ins 21. Jahrhundert“. Es war wirklich wie ein Traum, aber es sollte nie ein schöner werden für den jungen Studenten.

„Meine Schulzeit war ein Dschungel. Man musste immer auf der Hut sein, bereit zu kämpfen oder zu laufen.“

Das Leben hatte anderes mit ihm vor. Der vermeintliche Sprung ins Glück verpuffte, was blieb, war Ernüchterung. Noch auf dem Siegerpodest stellte er sich die Frage: „Wohin gehe ich nachher?“ Bob Beamon war in seinem Leben stets ein Suchender.

Seine Stütze in den frühen Lebensjahren, die geliebte Mutter, starb, als er noch ein Kind war. Diese Lücke konnte Beamon nie schließen. Der Junge suchte nach Wegen aus der Krise, in der Schule war er Streithammel oder Clown. Hin- und hergerissen taumelte er durch seinen Alltag. „Meine Schulzeit war ein Dschungel. Man musste immer auf der Hut sein, bereit zu kämpfen oder zu laufen“, sagte Beamon. Der Weg aus dem Dschungel führte zunächst zum Basketball, aber Beamon war ein besserer Leichtathlet. Auf Anraten seines Coaches ging er zur North Carolina University und zog in die Nähe seiner kranken Oma. Als auch die starb, wechselte er ins texanische El Paso. Dort arbeitete er an Technik und Geschwindigkeit. Am 18. Oktober 1968 brachte Beamon sein Können zur Perfektion. Dabei wäre es um ein Haar erst gar nicht dazu gekommen. Es fing schon an in der Nacht zuvor, als ihn seine persönlichen Probleme auf einmal überfluteten. Nach dem Boykott mehrerer schwarzer Athleten war Beamon von der Universität Texas-El Paso ausgeschlossen worden. Zudem lebte er frisch getrennt von seiner Ehefrau.

„Alles lief schief, also bin ich in die Stadt, habe mir einige Tequila genehmigt. Mann, was habe ich mich verloren gefühlt“, berichtete der heute 72-Jährige. Dann stand er in der Quali nach zwei ungültigen Versuchen plötzlich vor dem Aus. Sein Teamkollege Ralph Boston, der Weltrekordler, beruhigte ihn. Mit Erfolg – Beamon schaffte den Finaleinzug.

Dann geschah das Unfassbare. Es war sein erster Versuch. Beamon flog, er landete, er hüpfte noch zweimal aus der Grube und tänzelte wie ein junges Fohlen zurück zu seinem Stuhl. „Dann dauerte es fünf, zehn, ja sogar 15 Minuten“, schilderte Beamon.

Beamon sprang in der Folgezeit nicht mehr annähernd in seine eigene Dimension.

Als dann die 8,90 m aufleuchteten, verstand Beamon noch immer nicht, was er soeben vollbracht hatte. Erst die Umrechnung in feet und inches sorgte für Gewissheit. Beamon brach auf der Bahn zusammen, überwältigt von seinen Emotionen. Es war das erste und auch letzte Mal, dass er so etwas erlebte. Beamon sprang in der Folgezeit nicht mehr annähernd in seine eigene Dimension. „Einige Leute haben mir gesagt, ich hätte bei Olympia nur einen Glückssprung gehabt, nach einer Weile habe ich das auch geglaubt“, sagte er.

1973 beendete Bob Beamon seine Karriere, die nur ein gutes Jahr hatte: 1968. Er wurde Sozialarbeiter. 15 Jahre später wurde er in die Hall of Fame aufgenommen. Es dauerte noch acht weitere Jahre, bis ihn sein Landsmann Mike Powell 1991 in Tokio mit dem noch heute gültigen Weltrekord von 8,95 m übertrumpfte. (sid)