Jetzt will Anthony Joshua den K.o.-König Wilder

Der neue Vierfach-Weltmeister Anthony Joshua (r.) schlug Joseph Parker aus Neuseeland nicht K.o. | afp

Das Objekt der Begierde räkelte sich daheim gemütlich in seinem Sitzsack. Doch nach dem „Langweiler von Cardiff“ hatte K.o.-König Deontay Wilder genug. Der Amerikaner griff nach dem enttäuschenden Megakampf des neuen Vierfach-Weltmeisters Anthony Joshua gegen den entthronten WBO-Titelträger Joseph Parker aus Neuseeland und zwölf erlebnisarmen Runden zu seinem Handy, lauschte kurz und maulte schließlich genervt: „Eddie, geh endlich an Dein Telefon.“

Eddie, das ist Eddie Hearn, seines Zeichens Promoter des britischen Schwergewichts-Champions Joshua, der sich mit einem überlegenen Punktsieg gegen Parker WM-Gürtel Nummer vier holte (WBA, IBF, WBO und IBO). Nun fehlt dem Klitschko-Bezwinger nur noch der des Box-Weltverbandes WBC. Und den besitzt Deontay Wilder, der alle seine 40 Kämpfe gewann, 39 davon vorzeitig.

„Ich will Wilder. Holt ihn in den Ring, und ich haue ihn um“, rief der Olympiasieger von London den 78.000 Zuschauern im Nationalstadion der walisischen Hauptstadt zu. Dort hatte Joshua zuvor so viel Zeit wie noch nie zuvor verbracht. In seinem 21. Profikampf musste der 28-Jährige nach 20 K.o.-Siegen erstmals über die volle Distanz gehen. Auch für sein Gegenüber endete eine Serie. Parker verließ in seinem 25. Fight zum ersten Mal als Verlierer den Ring. 118:110, 118:110 und 119:109 für Joshua lautete das einstimmige Urteil der drei Kampfrichter. Anders als noch bei seinem sportlichen Leckerbissen vor elf Monaten gegen Wladimir Klitschko bot Anthony Joshua gegen Joseph Parker nur biedere Hausmannskost, für die er rund 17 Millionen Dollar Gage einstrich. Er kontrollierte den Kampf mit seiner linken Führhand problemlos. Parker, der etwa acht Millionen Dollar „Schmerzensgeld“ kassierte, konnte das Duell lediglich in den Runden fünf und sechs ausgeglichen gestalten.

„Er hatte eine Schlacht angekündigt, aber ich wusste, dass es hier um Finesse geht. Ich habe ihn kontrolliert, das war wichtig“, sagte Anthony Joshua, der sich viel lieber mit kommenden Aufgaben beschäftigen wollte. „2018 ist das Jahr, um die Gürtel zu vereinigen. Wir befinden uns auf diesem Weg. Jetzt ist nicht die Zeit, sich zurückzulehnen“, sagte der Brite, der sich am liebsten direkt auf den Weg in die USA machen möchte, „um zu sehen, wie ernst es ihnen ist, und um mit ihnen hinter verschlossenen Türen zu verhandeln.“ Eddie Hearn unterstützt seinen Schützling und drückt aufs Tempo. „Ich denke, es muss 2018 passieren, ansonsten bekommen wir einige größere Probleme mit den Pflichtverteidigungen“, sagte der Promoter, der aber Zweifel an der Umsetzbarkeit hat. „Sie sind so unberechenbar. Ich weiß nicht, was ich glauben kann“, so Hearn.

Sollten sich die Protagonisten nicht auf einen Fight einigen können, stünde als Alternative auch Tyson Fury bereit. Der britische Ex-Champion, der einst überraschend Wladimir Klitschko entzaubert hatte, darf nach dem Ablauf einer zweijährigen Dopingsperre auf die Rückgabe seiner Boxlizenz hoffen.

Seit seinem Triumph im November 2015 in Düsseldorf gegen Klitschko hat er allerdings nicht mehr im Ring gestanden. Für Fury ist das natürlich kein Problem. „Es kann nur einen geben. Ich bin der wahre König, und ich denke, das haben die Leute heute Abend gesehen“, twitterte der 29-Jährige gewohnt großmäulig.

(sid)