Videobeweis in Russland: Das WM-Chaos scheint programmiert

Bereits beim Confed Cup im Juni 2017 - in dieser Szene schaut Schiedsrichter Fahad al-Mirdasi beim Spiel Mexiko gegen Russland auf einen Schirm - sorgte der Einsatz des Videoschiedsrichters für Diskussionen. | dpa

Eigentlich sollten die deutschen Schiedsrichter Felix Zwayer und Bastian Dankert ihren Kollegen aus aller Welt mal ganz genau zeigen, wie die Sache mit dem Videobeweis so funktioniert. Doch spätestens seit dem in 185 Länder übertragenen DFB-Pokalfinale scheint klar, dass der Weltverband FIFA möglicherweise sehenden Auges in ein Desaster bei der Fußball-WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) steuert.

Seit zwei Jahren üben Zwayer und Dankert, die bei der Endrunde als Video-Assistenten zum Einsatz kommen werden, den Umgang mit dem Hilfsmittel. Ein Jahr im stillen Kämmerlein, ein Jahr im tatsächlichen Ligabetrieb. Herausgekommen ist am Samstag schon wieder eine massive Diskussion um Sinn und Zweck des Videobeweises – ein Spiegelbild der kompletten Saison. Und ein Vorgeschmack auf das, was bei der WM passieren wird.

Das Chaos ist programmiert. Schließlich hat die Mehrheit der 35 nominierten Schiedsrichter um Felix Brych und der 13 Video-Assistenten keine praktische Erfahrung mit dem Hilfsmittel. Dass es mit ein paar Seminaren nicht getan ist, scheint eine Binsenweisheit. Offensichtlich reichen nicht einmal zwei Jahre des intensiven Umgangs mit dem Videobeweis für einen reibungslosen Ablauf.

Und so macht UEFA-Präsident Aleksander Ceferin keinen Hehl daraus, dass er die Entscheidung der FIFA zugunsten des Einsatzes in Russland für falsch hält. „Es ist eine Tatsache, dass der Videobeweis in den Ligen, in denen er bereits Anwendung findet, ein großes Durcheinander verursacht hat“, sagte der Chef der Europäischen Fußball-Union im kicker: „Ist die WM die geeignete Bühne, eine neue Technik auszutesten? Eines ist klar: Es wird dort viele unklare Situationen geben.“

Mit seiner Kritik steht der UEFA-Boss („Ich habe Sorgen, weil Schiedsrichter eingesetzt werden, die noch nie mit dem Videobeweis zu tun hatten“) beileibe nicht allein da. Hinter vorgehaltener Hand lassen selbst Bundesliga-Schiedsrichter durchblicken, dass sie auf der größten Bühne des Weltfußballs mit großen Schwierigkeiten rechnen.

Für die Zuschauer in und außerhalb der Stadien sollen keine Fragen offenbleiben.

Die FIFA sieht das naturgemäß anders. Schließlich hat das Council um DFB-Präsident Reinhard Grindel den Einsatz des Hilfsmittels, das Anfang März in das offizielle Regelwerk aufgenommen wurde, beschlossen. Und so stimmten auch Zwayer und Dankert bei ihrer WM-Nominierung in den FIFA-Tenor ein: „Wir sind sehr optimistisch, dass dieses System bei der WM gut funktionieren wird.“

Dazu beitragen soll ein transparenter Ablauf. Für die Zuschauer in und außerhalb der Stadien sollen keine Fragen offenbleiben. Laut der FIFA werden Wiederholungen und Grafiken auf den Anzeigetafeln zu sehen sein. Zudem sollen die relevanten Informationen aus den Gesprächen zwischen Schiedsrichtern und Video-Assistenten an die TV- sowie Radio-Kommentatoren weitergeleitet werden. Erklärungen soll es auch auf der FIFA-Internetseite geben.

Beim Blick auf die Besetzung des sogenannten „Video Operations Room“ in Moskau droht allerdings mehr Konfusion als Aufklärung – obwohl die Teams nach Sprachkenntnissen gebildet werden sollen. Pro Spiel werden neben dem Video-Assistenten ein weiterer Schiedsrichter und ein weiterer Assistent im Studio zum Einsatz kommen, Letzterer speziell für die Bewertung von Abseits-Situationen. Unterstützt wird dieses Trio außerdem von einem sogenannten „Support“ – einem Offiziellen, der das Spiel im Fernsehen beobachtet und gegebenenfalls auch noch zusätzlich eingreifen kann.

(sid)