Die Roten Teufel packen ihre Koffer und nehmen mit…



Text: Carsten Lübke – Karikatur: Annette Müllender

  • Der Brotaufstrich kommt aus der Heimat: So speisen die Roten Teufel

Damit die Roten Teufel genügend Energie haben, tischt Teamkoch Bartel Dewulf täglich dreimal – sprich morgens, mittags, abends – verschiedene Speisen auf. „Wir servieren alles in Form von Buffets“, sagt er. Aber wie genau sieht eigentlich eine ausgewogene Ernährung bei Profi-Fußballern aus? „Besonders wichtig sind viele Kohlenhydrate, Lebensmittel mit vielen Vitaminen und Mineralsalzen. Der Eiweiß-Haushalt soll möglichst ausgewogen sein, fettige und blähende Lebensmittel sind tabu“, erklärt Dewulf.

Nicht tabu sind dagegen die Lieblingsspeisen der Roten Teufel – zumindest ab und an. „Wir kennen natürlich die Vorlieben unserer Spieler. So haben wir mit Jan Vertonghen einen Apfelkompott-Liebhaber dabei. Das heißt jetzt aber nicht, dass es bei jeder Mahlzeit Kompott gibt“, berichtet Philippe Rosier, Koordinator der medizinischen Abteilung. Immer angeboten wird dagegen Pasta, aber nur frische: „Fertiggerichte könnten wir nicht anbieten, die würde Dries Mertens, der in Italien perfekte Pasta gewöhnt ist, als solche sofort entlarven.“

Und wo kommen die Zutaten, die täglich verarbeitet werden, überhaupt her? „Den größten Teil der benötigten Lebensmittel kaufen wir vor Ort ein“, erzählt Bartel Dewulf, der Küche des Moscow Country Club sowie Einkaufsmöglichkeiten in Nachabino inspiziert hat. Bei der Qualität der Lebensmittel gilt übrigens die Nulltoleranz. „Bei Zweifeln nehmen wir die Produkte nicht“, so Dewulf.

Apropos Lebensmittel: Einige davon werden auch aus Belgien importiert. Gemeint sind zum Beispiel die Brotaufstriche Speculoos Lotus und Nutella. „Die gibt es vor Ort einfach nicht“, sagt der Chefkoch. Aber auch diverse Kräuter werden importiert.

  • Playstation, Golf und Mountainbikes: das Freizeitangebot ist vielfältig

Damit in Russland kein Lagerkoller aufkommt, fehlt es den Roten Teufeln im noblen Mannschaftshotel, dem Moscow Country Club, der in Nachabino im Speckgürtel Moskaus steht, an nichts – zumindest was das Freizeitangebot betrifft. Neben einem Wellnesscenter mit Saunen und türkischen Bädern stehen den Stars unter anderem auch ein 18-Loch-Golfplatz, einige Mountainbikes, ein Kino, ein Billardtisch, mehrere Tennisplätze und eine „Zockerzone“ zur Verfügung. „Wir nehmen zwei PlayStation-Konsolen und eine Reihe von Videospielen mit, darunter natürlich auch den Klassiker FIFA18“, berichtet Materialwart Guido Van Onsem.

Aber nicht nur an der Konsole wird gezockt, sondern auch am Brett. Laut Van Onsem begeistern sich die Nationalspieler vor allem für die Gesellschaftsspie „Die Werwölfe von Düsterwald“ (franz. les loups-garous de Thiercelieux), „Die Siedler von Catan“ und das Würfelgame „Perudo“.

  • Darum haben die Roten Teufel einen Tomorrowland-DJ dabei

Er legt auf, wenn Roberto Martinez und seine Mannschaft etwas zu feiern haben oder einfach nur entspannen wollen: MousaElHabchi alias Disco Dasco. Wer jedoch glaubt, dass der 41-Jährige extra für die WM angeheuert wurde, liegt falsch: Denn in erster Linie ist Disco Dasco, der im Sommer auf dem weltbekannten Tomorrowland-Festival in Boom bei Antwerpen auflegen wird, als Videoanalyst bei der Nationalmannschaft tätig. „Musik ist sehr wichtig für einen Fußballer“, erzählt ElHabchi und fügt hinzu: „Da ist ein gewisses Gefühl drin, das die Spieler für ein Match sich stärker fühlen lässt.“

Doch trotz der Wichtigkeit der Musik lässt der Hobby-DJ sein Mischpult und seine Plattenteller zu Hause. „Wir haben aber einen Bluetooth-Lautsprecher dabei. So kann ich mein iPad daran anschließen, um zu jedem Anlass die passende Musik zu haben“, sagt er. Welches Genre welcher Spieler dabei am liebsten hört, weiß El Habchi auch: Kevin De Bruyne mag zum Beispiel R&B sowie House, Laurent Ciman dagegen bevorzugt Samba und Romelu Lukaku liebt Rap.

 

  • Privatsphäre bleibt gewahrt: So schlafen die Stars in Russland

In den Zimmern im Moscow Country Club dürfte es abends ruhig zugehen, denn jeder Rote Teufel hat ein Einzelzimmer, und das ist auch so gewollt. „Die Spieler werden sehr oft zusammen sein, aber sie brauchen auch einen Rückzugsort. Die Balance zwischen Privatsphäre und Teamwork muss einfach gewahrt bleiben, auch wenn es zweifelsohne Spieler gibt, die lieber einen Mitbewohner hätten“, erklärt Mannschaftsarzt Kris Van Crombrugge. Privatsphäre hat aber auch ihren Preis – und das im wahrsten Sinne des Wortes.

2009 hatte sich der ehemalige Cheftrainer der Roten Teufel, Dick Advocaat, für getrennte Schlafzimmer stark gemacht – mit Erfolg. „Da die Spieler unterschiedliche Schlafgewohnheiten haben – der eine schnarcht, der andere geht alle fünfzehn Minuten auf die Toilette – kann das für den Zimmergenossen auf Dauer zur Last werden“, sagt Van Crombrugge.

Neben dem eigenen Schlafgemach hat jeder Spieler auch seine individuelle und auf Maß an den Körper angepasste Matratze. „Wir haben auch die Schlaf-DNA der Spieler – basierend auf Größe, Gewicht und Körperhaltung – ermittelt und auf dieser Basis Matratzen produzieren lassen, die wir mit nach Russland nehmen“, erklärt der 52-jährige Mediziner.

  • Roberto Martinez ist als Psychologe gefragt

Roberto Martinez muss in Russland nicht nur die Funktion des Cheftrainers ausüben, sondern auch die des Psychologen. Der Grund: Die Nationalelf reist ohne Seelenklempner in das flächenmäßig größte Land der Erde. Dabei hätte mit Jef Brouwers, der seit einigen Monaten mit Martinez zusammenarbeitet, ein Fachmann zur Verfügung gestanden. Doch Brouwers wurde nicht gebeten, mitzureisen. Das hat vor allem damit zu tun, dass der 72-Jährige bei den Roten Teufeln „eher als Berater agiert“, wie er selbst sagt. „Ich ergreife bei den Roten Teufeln nicht selbst die Initiative, ich gebe ‚nur‘ Ratschläge auf den Wunsch von Martinez. Ein Grund, warum man mich nicht oft mit einem Spieler sieht“, erzählt er.

Angenommen Brouwers würde mit nach Russland reisen, würde er dann überhaupt Besuch erhalten? „Auf jeden Fall“, kommentiert er, „auch wenn im Fußball das Wort Psychologe immer noch ein wenig abschreckt. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass, wenn man in ein Team vollkommen integriert ist, immer wieder Fragen auftauchen – nicht nur bei den Spielern, sondern auch bei den anderen Staff-Mitgliedern“, schildert er.

Martinez muss sich aber nicht alleine mit den Problemen, Sorgen und Anliegen der Roten Teufel befassen, denn 34 weitere Team-Mitglieder stehen mit offenen Armen und Ohren zur Seite. So auch Physiotherapeut Lieven Maesschalck. „Lieven hat eine sehr gute Verbindung zu den Spielern, sie tragen sie auf Händen. Dabei arbeitet Maesschalck nicht als Psychologe, sondern ist dafür zuständig, dass das Material – der Körper – in Ordnung ist“, weiß Brouwers zu berichten.

  • Zur Gegner-Beobachtung: Rote Teufel schicken keine Taktik-Spione nach Russland

Die Fußball-Nationalmannschaft spickt während der WM nicht bei den Gegnern – zumindest nicht mithilfe von Spionen. „Unsere Spione sind die visuellen Spielaufzeichnungen, die wir von unseren Kontrahenten haben“, meint Videoanalyst Mousa El Habchi. Dem belgischen Staff sei bewusst, dass einige Nationalmannschaften Beobachter zu den Trainingseinheiten der anderen Teams schicken, um Trends sowie innovative Methoden und neue Taktiken aufzuspüren.

Nicht aufspüren, aber dafür live vor Ort analysieren sollen sechs bis acht Scouts der Roten Teufel die Vorbereitung und Begegnungen der Gegner – aber erst ab dem Achtelfinale, dann auch vollkommen öffentlich und eben nicht als Spione.

  • Das Team-Hotel ist für Spielerfrauen nicht tabu

Während bei einigen Nationalteams ein striktes Verbot gilt, sind die Spielerfrauen bei den Roten Teufeln gern gesehene Gäste – zumindest an gewissen Tagen. Der erste „Familienmoment“, wie ihn Nationalcoach Roberto Martinez bezeichnet, wird im Anschluss an die Partie gegen Tunesien (23. Juni, 14 Uhr) stattfinden. Neben einem Barbecue werden die Familienmitglieder die Möglichkeiten haben, im Team-Hotel zu übernachten. „Wir werden höchstwahrscheinlich einen zweiten Familienmoment nach der Gruppenphase organisieren“, sagt Chris Van Puyvelde, Technischer Direktor beim Fußballverband, und fügt hinzu: „Wir tun dies auf Wunsch der Spieler, denn Familienzeit ist ihnen extrem wichtig.“ Damit schlägt Martinez eine andere Richtung als sein Vorgänger Marc Wilmots ein, der weder Frauen noch Freundinnen den Zutritt zum Team-Quartier in Brasilien und Frankreich erlaubte.

Ob Sex im Team-Hotel erlaubt ist, wurde indes noch nicht diskutiert. „Wir stellen gemeinsam mit den Spielern einen Verhaltenskodex auf, aber ob da auch so etwas draufsteht? Klar ist zumindest: Je mehr Regeln die Profis festlegen, desto mehr können sie brechen“, sagt Van Puyvelde mit einem Augenzwinkern. Sprich: Ob Man(n) darf, oder nicht, muss also noch geklärt werden.