Das Märchen geht nicht weiter: Rote Teufel verlieren Halbfinale



Nationaltrainer Roberto Martinez erklärte nach dem Spiel, dass seine Schützlinge „bis zum Ende gekämpft“ haben. „Was wir behalten sollten, ist die Einstellung, mit der die Mannschaft das Spiel bestritten hat“, erklärte der Katalane und fügte an: „Das Spiel war sehr eng. Ein Detail war am Ende entscheidend. Einer muss gewinnen, einer verlieren. Aber meine Spieler haben Großes geleistet. Wir haben noch ein Spiel vor uns, wir wollen das mit einem Sieg abschließen. Meine Spieler haben einen Erfolg zum Abschluss verdient.“

 

Frankreich – Belgien 1:0

Belgiens Coach überraschte wieder Freund und Feind, indem er Mousa Dembele in die Startelf beorderte. Waren alle Beobachter und Experten von einem Einsatz Yannick Carrascos ausgegangen, ersetzte Nacer Chadli den gelbgesperrten Thomas Meunier auf der rechten Seite.

Dembele bekam unterdessen vom Trainer das Vertrauen für die linke Außenbahn ausgesprochen. Der spanische Nationaltrainer erklärte seine Wahl vor dem Halbfinale damit, dass Dembele „außergewöhnlich trainiert“ und „sehr gut“ gegen England gespielt habe. Martinez: „Seine Energie und seine Fähigkeiten am Ball werden heute sehr wichtig sein.“ Ob das taktische Manöver ähnliche Früchte tragen würde wie gegen Brasilien im Viertelfinale? Fans wie Medien waren gespannt. Derweil stellte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps nach seiner Sperre Blaise Matuidi wieder in die Startelf. Im Angriff setzte er wie gehabt auf den Dribbler Antoine Griezmann, den pfeilschnellen Kylian Mbappe und Stürmerstar Olivier Giroud.

Zu Beginn der Partie übernahmen die Franzosen kurz das Kommando im Stadion von St. Petersburg, ehe die Roten Teufel (übrigens mit zehn Premier-League-Stars in der Anfangsformation) den Weg zum gegnerischen Tor suchten und die Deschamps-Elf ins letzte Drittel drängten. Hin und wieder ließ der 19 Jahre alte Mbappe vor den 64.286 Zuschauern seine ungeheure Schnelligkeit erkennen, wenn die Franzosen mit langen Bällen den Offensivmann von Paris St. Germain suchten.

In der 13. Minute beispielsweise aber war Belgiens Torwart Thibaut Courtois auf der Hut. Drei Minuten später legte Kevin De Bruyne gekonnt auf Eden Hazard ab. Dessen Schuss aus schwierigem Winkel ging aber knapp am Tor von Frankreichs Torwart Hugo Llorris vorbei. Nur wenige Minuten später war es wieder der groß aufspielende Kapitän, der den französischen Anhängern am Dienstagabend nicht nur wegen seiner Passgenauigkeit und schnellen Dribblings den Schweiß auf die Stirn trieb. Bei einem weiteren strammen Schuss Hazards musste ein französischer Verteidiger mit dem Kopf klären und den Ball eine Hand breit über das Tor lenken. Es war eine starke Drangphase der Roten Teufel. Denn in der 22. Minute musste Lloris mit einer Weltklasseparade den Rückstand für sein Land verhindern. Toby Alderweireld hatte den Torhüter von Tottenham Hotspur nach einem Eckstoß mit einem satten Linksschuss geprüft. Die Franzosen wurden in den Folgeminuten immer wieder von den Roten Teufeln unter Druck gesetzt, doch ihre disziplinierte Abwehrarbeit verhinderte Schlimmeres.

Derweil musste die belgische Abwehrreihe um Chef Vincent Kompany immer wieder mit langen Bällen rechnen, mit denen die Équipe tricolore Belgiens Abwehrkette aushebeln wollte. Außerdem setzte die Deschamps-Elf auf schnelle Konter. Thibaut Courtois war es dann, der in der 39. Minute eine echte Rettungstat vollbrachte, als der mitaufgerückte Verteidiger Benjamin Pavard alleine vor dem 1,99 Meter großen Torhüter des FC Chelsea auftauchte. Sein Schuss konnte Courtois mit einem tollen Fußreflex zur Ecke abwehren. Aus der starken Drangphase der Franzosen zum Ende der ersten Halbzeit sollte aber ebenfalls kein Treffer mehr resultieren. Torlos ging es in die Pause.

In den zweiten 45 Minuten kamen die Roten Teufel etwas besser aus der Kabine. Es waren aber die Franzosen, denen der erste Treffer des Abends gelang. Nach einer Ecke sprang Verteidiger Samuel Umtiti vor Marouane Fellaini zum Ball. Der Profi des FC Barcelona köpfte das Leder unhaltbar an Torwart Courtois vorbei ins Netz, 0:1 (51.). Es war das erste Gegentor nach einer Ecke für die Roten Teufel seit der WM 1994 im Spiel gegen Deutschland.

Belgien schien geschockt, denn die Franzosen liefen nun an. Mbappe sorgte ein ums andere Mal für Gefahr. Entweder durch eine Tempoverschärfung oder indem der Jungstar seine Mitspieler toll in Szene setzte. Roberto Martinez reagierte. Für den am Ende doch enttäuschenden Dembele kam Dries Mertens. Und sofort erhielt das Spiel der Roten Teufel mehr Tempo. Nach einem Vorstoß des Neapel-Spielers kam Kevin De Bruyne zum Schuss, doch der ManCity-Star traf das Leder nicht perfekt. In der 65. Minute ließ derweil Marouane Fellaini die Herzen der Teufelfans höherschlagen, doch sein Kopfball ging knapp neben das Gehäuse der Franzosen. Eden Hazard und Co. suchten die Lücke, doch es tat sich lange Zeit keine auf.

Das zweite Rendezvous der „goldenen Generation“ mit der Geschichte misslang.

Roberto Martinez versuchte alles und brachte 15 Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit Yannick Carrasco für Fellaini. In der 80. Minute rettete schließlich Lloris erneut seine Vordermänner, als er einen satten Schuss von Axel Witsel wegfaustete. Die Schlussoffensive war lanciert. Doch Romelu Lukaku, der von der französischen Defensive perfekt aus der Begegnung genommen wurde und nur wenige Ballkontakte hatte, verpasste drei Minuten vor Schluss um Haaresbreite eine Hereingabe von Kevin De Bruyne. Am Ende sollte es nicht zu mehr reichen. Die Roten Teufel verloren ihr erstes Spiel seit zwei Jahren (und 24 Begegnungen) und spielen nun am Samstag (16 Uhr) um Platz drei gegen den Verlierer der Partie Kroatien gegen England. Kevin De Bruyne, Eden Hazard und Co. ereilte das Schicksal ihrer Vorbilder. Jan Ceulemans und Co. hatten 1986 das WM-Halbfinale gegen Argentinien 0:2 verloren.

Das zweite Rendezvous der „goldenen Generation“ mit der Geschichte misslang. Die starken Franzosen werden derweil versuchen, am Sonntag 20 Jahre nach dem Triumph im eigenen Land und dem zweiten Platz 2006 in Deutschland erstmals außerhalb der Heimat ihren zweiten WM-Titel zu holen.