Agieren statt reagieren

Während die Stars von Bayern München fast schon geschäftsmäßig mit 15.000 Fans auf dem Marienplatz die 27. deutsche Fußballmeisterschaft feierten, steppte in Hamburg und Köln förmlich der Bär. Bundesliga-Dino HSV feierte den Klassenerhalt im neuerlichen Herzschlagfinale gegen den VfL Wolfsburg, als ob der hanseatische Traditionsklub selbst gerade den Titel erobert hatte. Auch beim FC war die Feierlaune bei Profis, Trainerstab und Anhängern schier grenzenlos. Ein Vierteljahrhundert hatten die Geißböcke auf eine Teilnahme an einem der großen Europacup-Wettbewerbe warten müssen.

Trainer Peter Stöger und Manager Jörg Schmadtke wissen aber auch, dass die Probleme jetzt anfangen, denn die Mannschaft muss für die kommende Saison wesentlich breiter aufgestellt werden, um die zusätzliche Belastung zu bewältigen. Gleiches gilt im Übrigen für Vizemeister RB Leipzig und 1899 Hoffenheim, die in der nächsten Spielzeit noch wesentlich stärker gefordert werden. Andere Teams, wie Schalke 04, Borussia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen, könnten in der Bundesliga profitieren, diesmal im Europacup nicht vertreten zu sein. Die Single-Bayern kündigten bereits in Person von Präsident Uli Hoeneß an, dass eine Saison mit nur einem Titel für den Rekordchampion eine Ausnahme sein soll. Allerdings weiß der einstige Manager auch, wie schwer es ist, das Bayern-Starensemble zu verstärken. Das müssen schon „Granaten“ her, so Hoeneß, und die haben bekanntlich ihren Preis. Aber das berühmte Festgeldkonto des FC Bayern ist immer noch gut bestückt. Eine Lösung wird den Granden bei den Bayern schon einfallen.

Vor dieser Herausforderung steht auch HSV-Boss Heribert Bruchhagen. Die neuerliche Zittersaison der Hamburger hat erneut vor Augen geführt, dass es immer noch zu viele Defizite im Klub gibt. Trainer Markus Gisdol, der seine Mannschaft glücklich am letzten Spieltag zum Klassenerhalt führte, will nicht noch einmal eine solch nervenaufreibende Saison mitmachen, betonte er.

Doch dafür müssen endlich die richtigen Weichen gestellt werden, Bruchhagen ist gefordert. Er muss eine Vision verfolgen, um die Rothosen zumindest mittelfristig leistungsmäßig auf ein anderes Niveau zu heben. Die Rahmenbedingungen stimmen auf jeden Fall an der Elbe, bislang fehlte es aber an einer Struktur mit entsprechender personeller Ausstattung. Der HSV muss wieder agieren, statt immer nur zu reagieren. Gelingt das nicht, dann droht die nächste Zittersaison 2017/18.

Schon aktuell bangen um den Klassenverbleib müssen die Wolfsburger. Die Relegation ist beileibe kein Selbstläufer – frag nach beim HSV! Und die Wölfe sind nicht gerade bekannt dafür, mit kämpferischem Elan und Willensstärke alles Notwendige zu tun, um in den Play-offs gegen den Zweitliga-Dritten die Klasse zu erhalten. Dass die Niedersachsen in der 88. Minute das entscheidende Tor durch Luca Waldschmidt am Samstag kassierten, war irgendwie symptomatisch für den Saisonverlauf. Man darf gespannt sein, ob der VfL in der Relegation seine Nerven besser im Zaum behält. (sid)