Vom Ghetto in die Bundesliga - Ex-Genker Leon Bailey brilliert bei Bayer 04

Unter Bayers neuem Trainer Heiko Herrlich löst Leon Bailey sein Versprechen ein. | Photo News

Der Stadtteil Cassava Piece gilt in Jamaikas Hauptstadt Kingston als sozialer Brennpunkt. Touristen wird geraten, diese verrufene Gegend zu meiden. Leon Patrick Bailey hatte allerdings keine Wahl, der Bundesligaprofi von Bayer Leverkusen verbrachte seine Kindheit in diesem Ghetto. Zwischen Müllbergen und brennenden Tonnen kickte er mit Gleichaltrigen in der sogenannten Gully Side, wo Straßenkämpfe zwischen rivalisierenden Straßengangs den Alltag bestimmen.

Der Teenager legte sich in den sozialen Netzwerken mit dem belgischen Profiboxer Atif Tanriseven Ribera an.

„Fußball war schon immer sein Leben“, sagt sein Adoptivvater Craig Butler. 2011 wagt der zwielichtige Geschäftsmann mit seinem leiblichen Sohn Kyle und Stiefsohn Leon, die er bereits bei der Phoenix All Stars Football Academy unter seinen Fittichen hatte, die Reise nach Europa. Dort will der halbseidene Manager seine Talente vermarkten und sich auch selbst die Taschen voll machen. Der damals 15-jährige Bailey soll bei seiner ersten Station in Österreich für die U15 von Anif/Liefering 75 Tore in 16 Einsätzen erzielt haben, was allerdings nicht zu belegen ist.

Schwamm drüber, denn Bailey macht seinen Weg. Nach einer Irrfahrt durch halb Europa, wo er sich von Probetraining zu Probetraining verdingt, unterschreibt Bailey kurz nach seinem 18. Geburtstag im August 2015 seinen ersten Profivertrag beim Fußballerstligisten KRC Genk, der sich zwischenzeitlich um den Jamaikaner gekümmert hatte, nachdem Butler auf einmal vom Erdboden verschluckt war und Bailey als unbegleiteter Minderjähriger in Flandern trainierte und lebte. Nachdem er als bester Nachwuchsspieler der Saison 2015/16 ausgezeichnet wird, weckt er bei Spitzenklubs wie dem FC Chelsea oder Ajax Amsterdam Begehrlichkeiten.

Im Januar 2017 macht aber Bayer Leverkusen das Rennen und verpflichtet Bailey für 13 Millionen Euro Ablöse. Unter dem Werkskreuz schlägt der junge Mann nicht auf Anhieb ein. Der damals 19-Jährige kann im Kampf um den Klassenerhalt weder unter Trainer Roger Schmidt noch unter dessen Nachfolger Tayfun Korkut Fuß fassen. Bailey, der bei Bayer bis 2022 unter Vertrag steht, kommt lediglich auf acht Kurzeinsätze und macht außerhalb des Platzes mehr Schlagzeilen.

Der Teenager legt sich mit einem ungeschickten Post in den sozialen Netzwerken mit dem Profiboxer Atif Tanriseven Ribera an, den er als Clown verhöhnt. Der belgische Faustkämpfer droht dem Bayer-Kicker anschließend auf offener Straße in Genk Prügel an und veröffentlicht diese Verbalattacke ebenfalls für jedermann zugänglich. Bailey entschuldigt sich anschließend für sein Verhalten und gelobt Besserung.

Unter Bayers neuem Trainer Heiko Herrlich löst der mittlerweile 20-Jährige sein Versprechen ein. „Er ist eine Waffe. Er ist schnell, stark im Abschluss und in der Vorbereitung“, lobt Herrlich seinen Flügelflitzer. Nach dieser Leistungsexplosion soll erneut der englische Meister FC Chelsea seine Fühler nach „Chippy“, so Baileys Spitzname, ausgestreckt und 23 Millionen Euro geboten haben. „Ein Transfer kommt nicht infrage“, sagt aber Bayer-Manager Jonas Boldt im „kicker“ und schiebt jeglichen Spekulationen einen Riegel vor. (sid/mv)