AS-Capo Mike Thissen: „Es könnte mein letztes Spiel sein“



Im Interview mit dieser Zeitung spricht das 29-jährige Gründungsmitglied der Eupener Ultra-Gruppierung „Zebras“ über seine Markenzeichen, die Atmosphäre im Kehrwegstadion, den Status der Ultras und die Chancen des Klassenerhalts der AS.

Herr Thissen, bei fast jedem Spiel stehen Sie mit dem Gesicht zur Kurve und dem Rücken zum Spielfeld. Mal ehrlich, warum tun Sie sich das an?

Weil es mir wichtig ist, dass die Mannschaft unterstützt wird. Darüber hinaus finde ich es wichtig, dass unser Verein gegenüber anderen Fußball-Fans richtig präsentiert wird. Und um das zu gewährleisten, muss es eben einen geben, der das Spiel auf dem Rasen hinten anstellt und sich eher mit dem Geschehen auf der Tribüne beschäftigt.

Ihr Markenzeichen im Stadion ist eine rote Kappe und eine kurze Hose. Was hat es damit auf sich? Klären Sie uns auf.

(Lacht) Eigentlich gibt es dazu keine besondere Geschichte. Was die rote Kappe betrifft, fand ich die Dinger vor einigen Jahren ganz cool, sodass ich mir ohne lange zu zögern die erste zugelegt habe. Mittlerweile ist meine Sammlung auf locker über 30 Stück gestiegen (schmunzelt). Dabei muss ich sagen, dass ich die Kappen auch zu anderen Anlässen und nicht nur im Fußballstadion trage. Die kurze Hose, die ich übrigens bei jeglichem Wetter trage – egal ob bei herrlichem Sonnenschein oder eisigen Minusgraden -, habe ich irgendwann einmal scherzeshalber angezogen und bin dann einfach dabei geblieben. Kurzum: Beide Markenzeichen sind zufällig aus Spaß an der Freude entstanden.

Neben Ihrer Markenzeichen treten Sie vor allem wegen Ihres lauten Organs in Erscheinung. Blöde Frage: Wie oft sind Sie eigentlich am Tag nach dem Spiel heiser?

Eigentlich sehr selten. Warum? Keine Ahnung. Ich habe kein Geheimrezept oder so dafür. Die Stimme kommt aus meinem Bauch heraus und hat bis heute nie wirklich zu Heiserkeit geführt.

Als Capo ist es Ihre Aufgabe, die Stimmung zu koordinieren und anzuheizen. Wie frustrierend ist es, wenn es dabei nicht so gut läuft?

Das ist schon manchmal echt bitter. Öfters mal rufen Leute: „Eh Mike, mach mal was!“ Aber ich kann nur dann was machen, wenn die Zuschauer auf der Tribüne bereit sind, mitzumachen. Ich kann zwar immer wieder rufen: „Allez, lauter“. Aber wenn ich das zu oft mache, geht das den Fans auf die Nerven, sodass sie am Ende gar nicht mehr mitsingen. Man muss halt immer ein gesundes Mittelmaß finden, was zugegeben nicht immer ganz einfach ist. Was mir auffällt, ist, dass viele Fans über die Spieler auf dem Rasen schimpfen, aber selber nicht alles geben, um die Mannschaft anzufeuern. Ich finde, als Fan hat man nur das Recht über die Spieler zu meckern, wenn man selbst auf der Tribüne alles gegeben hat.

Sie müssen es wissen: Hat sich seit dem Tribünentausch die Stimmung im Stadion verbessert oder sogar verschlechtert?

Ich würde sagen, ein bisschen verbessert, denn es sind mehr Leute eingebunden als vorher, was wiederum zu einer besseren Stimmung führt.

Apropos Stimmung: Wie bewerten Sie die Atmosphäre im Kehrwegstadtion?

Kurz gesagt, sie könnte besser sein.

Wie wichtig sind in Ihren Augen die Zebras, zu denen Sie ja auch gehören, für die Stimmung? Als Außenstehender hat man oft den Eindruck, dass wenn Sie nicht da wären, ein Ambiente wie bei einer Beerdigung herrschen würde, und das nicht nur auswärts.

Ich denke, ohne uns würde es zwar noch Stimmung im Stadion geben, aber nicht mehr so intensiv wie jetzt. Wir als Gruppierung haben uns einfach über Jahre einen festen Standpunkt in der Eupener Fanszene erarbeitet und geben im Stadion immer alles für den Verein, und das in den besten Fällen lautstark.

Am Sonntag steht gegen Royal Mouscron-Peruwelz ein Endspiel an. Ist aus gegebenen Anlass daher eine Tifo bzw. Choreo geplant?

Nein, das liegt aber an der neuen Tribüne, denn wir wissen vor dem Spiel nie, wie viele Fans sie bevölkern werden. Und ohne eine genaue Anzahl Zuschauer können wir keine richtige Tifo planen, da sie am Ende, wenn dann zu wenig Menschen da sind, einfach nicht gut aussieht, was selbstverständlich nicht in unserem Interesse ist. Nichtsdestotrotz sind in meinen Augen Choreos in der letzten Zeit bei uns zu kurz gekommen.

Kommen wir zur Frage aller Fragen: Schafft die AS Eupen den Klassenerhalt oder muss der Verein den schweren Weg in die ungeliebte 1. Division B antreten?

Es wird sehr schwer, aber ich hoffe sehnlichst, dass die Saison am Sonntag für uns nicht vorbei sein wird, sondern wir noch ein paar Spiele in der Play-off 2 bestreiten werden. Wir müssen aber mit allem rechnen.

Mal angenommen, die AS muss runter: Werden Sie und die Zebras weiterhin ins Stadion – ob am Kehrweg oder auswärts – pilgern?

Ja natürlich. Im Fall eines Abstiegs werden wir die Mannschaft weiter unterstützen. Ich habe indes am Donnerstag entschieden, dass ich zum Ende der Saison als Capo aufhören werde. Es könnte am Sonntag also mein letztes Spiel als Vorsänger sein, was ich aber, wie schon erwähnt habe, nicht hoffe. Mein Rücktritt hat übrigens nichts mit der sportlichen Situation der AS zu tun, sondern hat rein persönliche Hintergründe.

Die da wären?

Durch meine verschiedenen Jobs und Tätigkeiten ist es mir zeitlich einfach nicht möglich, bei allen Spielen anwesend zu sein und ich finde es nicht korrekt, nur die Rolle zu übernehmen, wenn ich dann mal kann. Ich denke einfach, das sollte jemand machen, der immer da ist und es somit auch verdient hat. Mit Max Breuer, der seit knapp zwei Jahren als zweiter Vorsänger an meiner Seite agiert, steht auch schon ein geeigneter Mann parat, der die Aufgabe übernehmen könnte. „Offiziell“ beschlossen ist aber bislang noch nichts. Trotz des Rücktritts werde ich aber weiterhin ins Stadion gehen und den Verein unterstützen, eben nur nicht mehr als Capo.

Anderes Thema: Ultras, was die Zebras nun einmal sind, werden sehr oft gleichgesetzt mit Gewalttätern und Hooligans. Zurecht?

Nein, denn Ultras haben nichts mit Hooligans zu tun. Ultras geht es vorrangig um gemeinsame Auswärtsfahrten, Bewahrung der Vereinstradition und kreative Choreos in der Kurve. Eben wegen der Stimmung. Hooligans hingegen geht es um die verabredete Massenkeilerei auf der „grünen Wiese“. Sie sind destruktiv und wesentlich gewaltbereiter als Ultras. Natürlich kann ich nicht abstreiten, dass Gewalt auch in der Ultra-Szene eine Rolle spielt, aber sie ist wenn dann eine spontane und emotionale Reaktion auf Ereignisse und keineswegs geplant. Um klar zu stellen, wir als „Zebras“ gehen für die Stimmung ins Stadion und nicht, um uns zu schlagen.

Wie versucht sich Ihre Gruppierung von Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus abzugrenzen?

Wir haben Null Toleranz bei den Themen und gehen auf unsere Mitglieder zu, wenn sie diese nicht wahren. Wir wissen, was Respekt bedeutet und leben diesen auch vor. Wenn man so will, sind bei uns sind alle „neutral“. Was aber jeder zu Hause macht oder denkt, können wir natürlich nicht kontrollieren.

Abschließend: Die Zebras gibt es mittlerweile seit 16 Jahren. Mit Blick in die Glaskugel, wie lange wird es die Fangruppierung noch geben?

Ich hoffe, noch viele Jahre. Die Gruppierung ist mein Baby, da ich noch das letzte aktive Mitglied bin, das die Zebras mitgegründet hat. Ich wünsche mir einfach, wenn ich jetzt was kürzertrete, dass meine Nachfolger unsere Ideologie weiterführen.