Die Macho-Show zweier Alphatiere

Das Spektakel in Barcelona zeigt: Der Zweikampf zwischen Spanien-Sieger Lewis Hamilton und Ferrari-Star Sebastian Vettel hat das Zeug zu einem weiteren epischen Duell in der Formel-1-Historie. | afp

Lewis Hamilton setzte seine rechte Handkante auf der Tischplatte auf und zuckte mit den Schultern. Einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal klopfte er auf das Holz – dann endlich fiel ihm ein treffender Vergleich ein. „Wie Federer gegen Djokovic“, so könne man das schon jetzt hocklassige Duell um den WM-Titel zwischen ihm und Ferrari-Pilot Sebastian Vettel beschreiben, erklärte der Mercedes-Star nach seinem Sieg bei einem denkwürdigen Großen Preis von Spanien.

Man mag sich im ersten Moment ein wenig an diesem Vergleich mit zwei der besten Tennisspieler der Geschichte stoßen – immerhin ist Federer ein wahrer Gentleman in jeder Lebenslage, während der exzentrische Brite Hamilton und auch der bodenständige Hesse Vettel zumindest im Formel-1-Auto oft genug schon knallharte Ego-Trips durchgezogen haben.

Doch Hamilton liegt nicht ganz falsch: Zwischen ihm und dem in Barcelona knapp geschlagenen Vettel ist längst ein epischer Zweikampf entbrannt, in dem kein Raum für Fehler ist. Hinzu kommt, dass die beiden mehrmaligen Weltmeister sich auch nach ihrem ersten buchstäblichen Rad-an-Rad-Duell der Saison immer noch mit großem Respekt begegnen.

Vor allem die englischen Zeitungen überschlugen sich am Tag nach dem großen Spektakel vor Begeisterung. „Vermutlich hätte sogar der große Ernest Hemingway vor dieser Macho-Show zweier Alphatiere seinen Hut gezogen“, schrieb die „Daily Mail“ und erinnerte daran, dass für den „alten Mann und das Meer“ nur Stierkampf, Motorsport und Bergsteigen als echter Sport durchgingen. Barcelona habe ein Drama geboren, „wie es die Formel 1 lange nicht mehr erlebt hat und wie es sicher auch Hemingway gefallen hätte. Ham vs. Seb – Fortsetzung folgt.“

Nach dem Europa-Auftakt in Barcelona ist erst ein Viertel der Rennen absolviert.

Davon darf man ausgehen, und wie beinhart es auch künftig auf der Strecke zugehen wird, verdeutlichte der Dialog der beiden „modernen Gladiatoren“ („The Times“) auf der Pressekonferenz nach dem Rennen, in der ihr Beinahe-Crash aus der 39. Runde noch einmal ausgiebig aufgerollt wurde. „Ich hab dir Platz gelassen“, sagte Hamilton zu der Szene, in der Vettel seine Führung sprichwörtlich mit dem Messer zwischen den Zähnen verteidigte. „Ich dir auch“, antwortete Vettel forsch, worauf der Brite mit einem Lachen zurückgab: „Eigentlich nicht, nein, Mann.“

So launig diese Bemerkungen von zwei der erfolgreichsten Formel-1-Fahrer der Geschichte auch klingen mochten, so deutlich lässt sich aus ihnen ein gewisses Explosionspotenzial herauszulesen. „Wären wir zusammengerasselt, ich wäre rausgeflogen, er hätte gewonnen, dann würde ich nicht sagen: toller Job, Seb“, bekannte Hamilton – und der Deutsche nickte ebenso zustimmend wie bei einer weiteren Bemerkung seines Kontrahenten, der meinte: „Es ist der härteste Kampf, den ich hatte. So sollte Rennsport immer sein. Ich habe es genossen.“

Doch die Saison ist noch lang. Nach dem Europa-Auftakt in Barcelona ist erst ein Viertel der Rennen absolviert. Nichts deutet derzeit darauf hin, dass sich einer der beiden Protagonisten schnell deutlich absetzen kann. Nach zwei Saisonsiegen für beide liegt Vettel vor dem Klassiker in Monaco mit 104:98 Punkten knapp vorne, gegen Saisonende wird der Druck auf den Zurückliegenden gewiss massiv zunehmen. Vettel, der nach einem Blitzstart auch durch wieder einmal fragwürdige Entscheidungen der Ferrari-Strategen den durchaus möglichen Sieg verpasste, war jedenfalls bereits nach diesem kleinen Rückschlag angesäuert: „Ich bin nicht zufrieden, wir wollen weiter nach vorne. Wir hatten die Chance, aber konnten sie nicht beim Schopf packen.“

So geht es zu an der Spitze, in der Formel 1 wie auch im Tennis. Dort könne „ein einziger verlorener Ball das Ende des Matches bedeuten“, erläuterte Hamilton seinen Federer-Djokovic-Vergleich und ergänzte: „Heute im Auto gegen Sebastian, das war genau so ein Duell.“ (sid)