Phil Taylor verpasst perfekten Abschied

Zurücklehnen wird sich Phil Taylor (rechts) nur während seiner zweiwöchigen Auszeit in Australien, die Pfeile legt er nicht endgültig aus der Hand. Der neue Weltmeister Rob Cross will in seine Fußstapfen treten. | afp

Für einen Moment sah es so aus, als hätte Phil Taylor es doch noch einmal allen gezeigt. Selig wiegte die Darts-Legende den WM-Pokal in seinem rechten Arm. Dann aber gab der Engländer der mächtigen Silbertrophäe, die er häufiger als jeder andere gewonnen hatte, einen letzten Kuss – und reichte sie mit anerkennendem Nicken seinem Bezwinger Rob Cross zurück.

Umgerechnet rund 8,1 Millionen Euro Preisgeld hat Multimillionär Taylor verdient.

Der gelernte Elektriker Cross, der „Taylors Karriere die Power abdrehte“ („The Sun“), bewies in seiner größten Stunde das perfekte Gespür für die große Geste. Trotz seines 7:2-Triumphs im WM-Finale im Londoner „Ally Pally“ überließ der eiskalte Newcomer dem Großmeister des Pfeilespiels ein letztes Mal das Scheinwerferlicht – und erntete im Gegenzug die Anerkennung Taylors.

„Er war fantastisch. Er war wie ich vor 30 Jahren, und ich konnte einfach nicht mithalten“, schwärmte der 57-Jährige und erteilte dem mehr als doppelt so jungen Cross den Ritterschlag: „Er erinnert mich an mich. Er opfert sich für diesen Sport. Die Konkurrenz wird mit ihm ein großes Problem haben.“

Für den Dartssport wird Taylor, dessen fast 30-jährige Karriere mit 16 WM-Titeln am Neujahrsabend nur fast ein perfektes Ende fand, dennoch eine Legende bleiben. In seiner Karriere hat der sich nicht nur stets den Veränderungen des Sports angepasst, sondern ihn aktiv mitgestaltet. Jetzt könnte Finalgegner Cross in seine Fußstapfen treten.

Es wäre zu früh, um von einer Wachablösung zu sprechen, doch zwischen Cross und Taylor sind deutliche Parallelen zu erkennen. Noch als Amateur spielte Cross im März 2016 sein erstes PDC-Turnier, seitdem geht es steil bergauf. Auch Taylor kam 1990 als unbeschriebenes Blatt zur WM und läutete mit einem vernichtenden 6:1-Sieg über seinen damaligen Mentor Eric Bristow eine neue Ära ein – die Ära von „The Power“ Taylor. Der neue Weltmeister wurde 1990 geboren.

„Als ich ein kleiner Junge war, habe ich Phil im Fernsehen gesehen und jetzt habe ich ihn im WM-Finale besiegt“, sagte Cross ungläubig und fügte hinzu: „Es ist schlicht phänomenal, was er für den Sport getan hat.“

83 Major-Titel, über 100 gewonnene Turniere vor TV-Kameras. Umgerechnet rund 8,1 Millionen Euro Preisgeld hat Multimillionär Taylor verdient. Die PDC adelte ihn unmittelbar nach seinem Rücktritt mit einem eigenen Turnier. Das prestigeträchtige World Matchplay wurde in Phil-Taylor-Trophy umbenannt.

Zurücklehnen wird sich Taylor aber nur während seiner zweiwöchigen Auszeit in Australien, die Pfeile legt er nicht aus der Hand. „Das Karriereende beschränkt sich nur auf den Rücktritt als aktiver Profi“, erklärte der 57-Jährige. Showmatches bestreitet er weiterhin. Dementsprechend ausgebucht ist sein Kalender im nächsten Jahr. Rund 180 Exhibitions spielt der Engländer 2018. Für etwa 5000 Euro pro Termin tingelt Taylor „zum Anfassen“ durch Gaststätten und Eventhallen der Welt. Er kommt als Sparring-Partner ohne Starallüren, nicht als der größte Darter aller Zeiten. Mit diesen Tugenden ist er in der beschaulichen Arbeiterstadt Stoke-on-Trent aufgewachsen.

Sein Vater, ein akribischer Malocher, hat ihn stets angetrieben. Das verriet Taylor in einer Sport1-Doku über sein Leben. „Du bist nur so gut wie dein nächster Titel“, bekam der junge Taylor stets zu hören. Dieser Satz hat seine gesamte Karriere geprägt.

Auch Cross ist ein Arbeiter, der kontinuierlich länger und häufiger trainiert als die Konkurrenz. Nach dem WM-Titel trauen ihm viele Experten zu, den Sport gemeinsam mit dem niederländischen Weltranglistenersten Michael van Gerwen über Jahre zu dominieren.

Cross und van Gerwen werden ein Vermächtnis fortführen, welches Taylor in den letzten 30 Jahren aufgebaut hat. Beide haben das Potenzial in Taylors große Fußstapfen zu treten, ohne diese jedoch jemals vollständig ausfüllen zu können. (sid)