Von Autofreaks und Rennbegeisterung



erlebten auch in diesem Jahr wieder Personen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung prickelnde Pistentaufen auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps.

Seit 2006 organisiert das GrenzEcho in Zusammenarbeit mit VW-Importeur D’Ieteren den „GrenzEcho Track Day“ an der Rennstrecke von Spa-Francorchamps. Zum neunten Mal fanden sich am Mittwoch vergangener Woche Personen mit einer Behinderung und ihre Betreuer in den Formel-1-Boxen Nummer 15 und 16 des Ardennencircuits ein. Die Chronik eines Tages, der wohl noch lange nachwirken wird.

„Wir sind seit neun Uhr vor Ort. Zuerst ging‘s hoch zur Rennleitung, dort haben alle, die mit auf die Strecke fahren, ein gelbes Armband erhalten“, erklärt Pierrot Lauer. Und fügt gleich hinzu: „Die Organisatoren gehen sehr einfühlsam mit allen um. Sie haben großes Verständnis, wenn es bei unseren Schützlingen auch mal etwas länger dauert.“ Lauer und Susanne Henkes betreuen die sieben Gäste aus der Tagesstätte Hergenrath.

Unter ihnen ist auch Sandra Van Springel. Sie steht gerade vor dem Anhänger, in dem sich alle Teilnehmer in Rennfahrerinnen und Rennfahrer verwandeln. Sprich: Hier wird die Freizeitkleidung gegen professionelles Rennequipment getauscht. „Ich war schon zwei Mal hier“, betont Sandra und verdeutlicht dies mit ihren Fingern. Vor dem Umziehen redet sie viel mit ihrer Betreuerin Susanne Henkes: „Wir bekommen auch wieder einen Helm. Da kann man durch sprechen, mit dem Mikro.“ Henkes erinnert die positiv aufgeregte Sandra Van Springel: „Aber schön an die Regeln des Fahrers halten.“ Van Springel erwidert gut gelaunt: „Das weiß ich doch schon.“ Nach zehnminütiger Wartezeit darf sie endlich in den Renntruck rein und wiederholt den bevorstehenden Ablauf: „Schuhe aus, in den Rennanzug rein, Schuhe an.“ Und schon steht die junge Dame, ausgestattet mit feuerfestem Rennanzug, Nomex-Haube und Rennhelm, in den Startlöchern für ihre rasanten Francorchamps-Runden.

Indes sind die Ersten bereits in die VW Fun Cup-Flitzer eingestiegen. Die zweisitzigen, optisch dem VW Käfer nachempfundenen Rennboliden haben ihr Lenkrad auf der rechten Seite, so dass alle Beifahrer auf der linken Seite einsteigen müssen. Ausgestattet mit einem Überrollkäfig und folglich etlichen Stangen vor der Türe, geht es im Innenraum der Fahrzeuge ziemlich eng zu.

„Es ist nicht gerade bequem, hier einzusteigen“, gibt Jean-Marc Ponteville zu. Er ist der Pressechef von Volkswagen Import. Aber an diesem Tag vor allem eines: ein Rennpilot. Neben den vier Rennfahrzeugen an sich hat Ponteville auch zwei seiner PR-Manager-Kollegen aus dem Hause D’Ieteren, Bernard Van Bellingen (Porsche) und Thomas De Meûter (Audi), sowie die Mechaniker des Einsatzteams M3M zum Track Day mitgebracht. „Die Mechaniker können hier die Abläufe testen. Die sind nicht anders als bei unseren ‚echten’ VW Fun Cup-Rennen. Neben dem 25-Stunden-Rennen fiebern wir bei D’Ieteren insbesondere dem heutigen Tag entgegen“, so Ponteville.

Denn die große Freude und Begeisterung der Teilnehmer wird unvermittelt rübergebracht – oft reicht sie schon direkt über das Headset in die Ohren der Piloten: „Im letzten Jahr hatte mich vor allem Jeremy Constant vehement angefeuert, und auch diesmal habe ich nur ein ebenso lautstarkes wie permanentes ‚Gas, Gas, Gas’ vernommen. Es dröhnte schon recht ordentlich in den Ohren, zumal es mir irgendwie nicht gelungen ist, die Lautstärke in der Gegensprechanlage zu reduzieren“, lacht Ponteville. „Aber in solchen Momenten spüren wir sehr genau, wie sehr es Jeremy und den anderen Gästen gefällt. Und das ist das Allerwichtigste. Und freut uns genauso.“

„Auch unter Schwerstbehinderten gibt es wahre Autofreaks“, weiß René Opsomer zu berichten, der an diesem Tag für die „Cité de l’Espoir“ aus Andrimont dabei ist, aber auch für das Jugendheim Eynatten arbeitet. Für Patrick Dukenne, Patrick Polmans und Lucien Varolikos, die mit ihren drei Betreuern angereist sind, sei es eine einmalige Gelegenheit, in jene Autos zu steigen und auch auf jene Rennstrecke zu kommen, die in ihren Zimmern auf Postern abgebildet sind, so René Opsomer.

Auch Pierrot Lauer berichtet von solchen schönen Momenten: „Für einen Mitfahrer haben wir ein Fotobuch, auch mit den Artikeln aus der Zeitung, von diesem Tag erstellt. Es ist bereits einige Zeit her, dass er dabei war, aber noch heute bekommt jeder Besucher der Tagesstätte als erstes dieses Buch gezeigt und viele Geschichten vom Track Day erzählt.“

Genau deshalb freuen sich die Tagesstätte Hergenrath und die Cité de l’Espoir immer wieder, wenn ihnen die Teilnahme ermöglicht wird: „Wenn ich unseren Schützlingen erzähle, Ronnie (Jorquera, GE-Marketingleiter, A.d.Red.) hat angerufen und gefragt, ob wir wieder am Track Day teilnehmen, beginnen die Vorfreude und die Erinnerungen an vergangene Events“, so Lauer. „Für sie ist das wie Weihnachten oder der Sommer.“

Sandra Van Springel hat inzwischen ihren weißen Rennhelm gerichtet: „Ich möchte noch etwas mehr sehen.“ Betreuerin Susanne Henkes ist ihr behilflich: „Wir wollen ja auch dein Gesicht erkennen“, sagt sie lächelnd. Gerade hat einer der VW Fun Cup auf dem Standstreifen der Boxengasse angehalten und die Beifahrer-Türe geöffnet. Los geht‘s! „Es war wieder toll“, strahlt Sandra rund 20 Minuten später, noch etwas nach Luft schnappend, aber mit einem breiten Lachen im Gesicht – auch nach ihrer insgesamt dritten Teilnahme am Track Day.

Und da hatte sie so manchem Gast-Piloten etwas voraus: So war zum Beispiel Bauunternehmer Marc Luchte zum ersten Mal beim GrenzEcho Track Day dabei. Mit großer Freude nahm er die GrenzEcho-Gäste aus den Behinderten-Einrichtungen in seinem Ford Mustang auf der Strecke mit. „Sehr schön. Vielen Dank für die Einladung, nächstes Jahr bin ich sicher wieder dabei“, versprach Luchte. Auch der Kelmiser Geschäftsmann Mathieu Wouters spulte in seinem Porsche 911 unzählige flotte Runden mit um die Wette strahlenden Gästen auf dem Beifahrersitz ab. Bereits zum zweiten Mal stellte der Elsenborner Unternehmer Stephan Scholzen, der lange Zeit zu den Tenören des VW Fun Cup-Championats zählte, seinen Zweisitzer zur Verfügung und komplementierte damit den Fuhrpark des M3M-Einsatzteams von Jean-Luc Dubois.

Für eine Premiere sorgte indes „Eupi“: Das Maskottchen des Fußball-Erstdivisionärs AS Eupen hatte am vergangenen Mittwoch sein angestammtes Terrain des grünen Rasens verlassen und erstmals einen Ausflug nach Francorchamps zum GrenzEcho Track Day unternommen. Und „Eupi“ kam nicht mit leeren Händen: Allen Gästen der Behinderten-Einrichtungen und deren Betreuern händigte „Eupi“ Gratis-Eintrittskarten für das anstehende Heimspiel der AS Eupen gegen Mouscron an diesem Samstag aus. Keine Frage, der Überraschungsgast traf mit dieser Geste voll ins Schwarze!