Traditionsgeschäfte feiern 150 Jahre auf dem Ameler „Boulevard“



Als Kaufhaus „A Markes“ ist das heutige Kaufhaus Schommer besonders bei der älteren Generation bekannt – auch wenn der Name sich im Laufe der Jahre geändert hat, so ist die Betreiberfamilie doch die gleiche geblieben. „Boulevard„ wird der Ortsteil genannt, in dem sich der kleine Laden und die Bäckerei befinden.

Seit 2004 führt Michael Schommer den Einzelhandel im Schatten der Kirche, direkt gegenüber betreibt sein „halber Vetter“ Hanno Marquet“ eine Bäckerei. Beide leiten ihren jeweiligen Betrieb in der fünften Generation. Zurück geht das Gewerbe auf ihren Vorfahren Hubert Marquet, der sich 1867 in Amel niederließ. Die Liebe war es, die ihn von Faymonville nach Amel verschlagen hatte, genau gesagt Barbara Brühl, die er im August 1867 heiratete. Die junge Familie kaufte das heutige Kaufhaus Schommer direkt vor der Kirche sowie die beiden gegenüberliegenden Gebäude und ein angrenzendes Gelände. Hubert Marquet trug sich als Bäcker, Wirt, Kleinhändler und Metzger bei der Gemeinde ein. Den Beruf des Metzgers sollte er aber bald an den Nagel hängen und sich auf die anderen drei Gewerbe konzentrieren. Die junge Familie Marquet sollte nicht viel Glück haben: Zwei der insgesamt neun Kinder starben kurz nach der Geburt und auch Barbara Brühl wurde nur 34 Jahre alt.

So kam es, dass Hubert Marquet ein zweites Mal heiratete und zwar im Dezember 1880 Susanna Jodocy aus Eibertingen. Sohn Richard übernahm im September 1907 das Geschäft und führte es bis zu seinem Tod 1926. Sohn Karl war mit 18 Jahren zu jung, um den Betrieb zu übernehmen und so sprang dessen Mutter Maria Kreusch ein. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Bäckerei, Lebensmittelhandel, Café und Kegelbahn auf die beiden gegenüberliegenden Gebäude verteilt.

Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Geschäfte geteilt: Karl Marquet heiratete 1935 Maria Theiss aus Amel und zog mit ihr in die heutige Bäckerei auf der linken Straßenseite. Den gegenüberliegenden Lebensmittelladen führten Maria Marquet und Martin Theiss in der dritten Generation. Martin Theiss arbeitete aber neben dem Geschäft auch als selbstständiger Anstreicher.

Wieder schlug das Schicksal zu: Karl Marquet kehrte nicht aus dem Krieg heim. Seine Frau betrieb die Bäckerei fortan einige Jahre mit Hilfe von Gesellen. Von 1952 bis 1958 wurde das Geschäft vermietet. Schließlich übernahm Sohn Helmut den Betrieb, führte ihn bis 1991 und übergab ihn dann an den heutigen Bäcker, seinen Sohn Hanno.

Gegenüber übernahm 1977 Tochter Brigitte Theiss den Laden. Sie hatte ihre Lehre in Sourbrodt in einem Lebensmittelgeschäft gemacht. Von ihrem Ehemann Bruno Schommer, den sie 1976 heiratete, hat das Kaufhaus heute seinen Namen.

Das Angebot unterschied sich damals wesentlich von dem, was heute bei Schommer verkauft wird: alle gängigen Kolonialwaren, Textilien, Kinderleidung, Unterwäsche, Srümpfe und Spielwaren waren in den Regalen zu finden. Ende der 1970er Jahre wurden milchhaltige Lebensmittel ins Sortiment aufgenommen. Sohn Michael Schommer, der den kleinen Laden seit 2004 führt und mittlerweile eine Filiale in Recht eröffnet hat, ist heute vor allem für frisches Obst und Gemüse und die große Käseauswahl bekannt. Vor rund zehn Jahren vergrößerte er die Geschäftsfläche auf etwa 100 qm.

Neben seinen Eltern arbeitet Beatrice Zians-Lecocq seit mittlerweile 27 Jahren im Betrieb – und kann so manches Anekdötchen erzählen.

Von sieben Tante-Emma-Läden, die in den 1950/60er Jahren in Amel existierten, ist heute nur noch das Kaufhaus Schommer übrig. Einziger Konkurrent im Ort ist seit einigen Jahren der Proxy Delhaize. Weder Michael Schommer noch Hanno Marquet empfinden diesen als „existenzbedrohend“.

Beide Geschäftsleute können auf ihre Stammkundschaft zählen, auch wenn sich das Kaufverhalten im Laufe der Jahre grundlegend verändert hat. „Früher wurde Gebäck fast nur am Wochenende gekauft“, sagt Hanno Marquet. Heute bringt er fast jeden Tag Eclair oder Obsttörtchen an den Mann, auch wenn der Schwerpunkt seines Geschäfts nicht auf der Konditorei, sondern auf Brot und Brötchen liegt.

Drei Mal pro Woche liefert er in den Dörfern aus – heute mit dem Lieferwagen, nicht mehr mit dem Handwagen wie sein Opa.

Ob es noch eine sechste Generation in seinem Laden geben wird, weiß er nicht. „Bei den Vorschriften, die Tag für die Tag mehr werden, weiß ich nicht, ob ich ihnen den Beruf noch schmackhaft machen soll. Manches, was heute vorgeschrieben wird, ist logisch, wenn man gesunden Menschenverstand walten lässt“, sagt er.

 

Gegenüber kann Michael Schommer nicht über mangelnden Umsatz klagen: Zwar ist er nicht mehr die Anlaufstelle für den großen Wocheneinkauf („den gibt es gar nicht mehr“), hat aber ein treues Publikum, von dem zumindest ein großer Teil seine Produkte schätzt. „Natürlich gibt es immer Kunden, die nur auf den Preis achten“, weiß er. Wenn ihm dann jemand auch noch stolz verkündet, dass er nur im Kaufhaus Schommer gelandet ist, weil er im Supermarkt etwas vergessen hat, dann ärgert ihn das schon ein bisschen.

Aber alleine in punkto soziale Kontakte und Bedeutung für die Dorfgemeinschaft können die größeren Konkurrenten nicht mithalten, das weiß er. Am liebsten sind ihm natürlich die Kunden wie Hanno Marquet von gegenüber, dem es auch mal passiert, dass er fünf Mal am Tag kurz bei seinem „halben Vetter“ reinspringt, um etwas zu besorgen.

Am 25. Juni haben die beiden Geschäfte Lieferanten, Geschäftspartner, Freunde und Familie zu einem kleinen Empfang anlässlich des Jubiläums eingeladen. Wie und ob sie 2042 das 175-jährige Bestehen feiern, darauf sind sie selbst gespannt.