Rocherath: Kaffee gab‘s auch ohne Post



Ein Stück unterhalb seines heutigen Wohnsitzes in der Dorfstraße ist Karl Brüls aufgewachsen, mit seinen Eltern und den sechs Geschwistern lebte er Auf‘m Berg. Doch das ist nicht der Grund, warum der 66-Jährige tatsächlich jedes Haus in seinem Heimatdorf kennt. Bis zu seiner Pensionierung vor sechseinhalb Jahren hat er in Rocherath als Briefträger gearbeitet. Und dabei an so manchem Küchentisch gesessen: „Es gab schon feste Stellen zum Kaffeetrinken. Da ging man auch rein, wenn mal keine Post dabei war“,erzählt er lachend. Auch wenn der Beruf sich in den letzten Jahren sehr verändert habe.

120 Ostbelgier legten damals die Prüfung für eine Stelle bei der Post ab.

Karl Brüls war nicht immer dem Dienst in Rocherath zugeteilt, ohnehin war er auf Umwegen zur Post gekommen.

Als er mit 15 Jahren die Schule verließ, arbeitete er zunächst in einer Geflügelschlächterei in Strauch bei Simmerath, später dann als Bauschlosser in einem Betrieb in Rocherath. Ende der 1970er Jahre legte er zusammen mit 120 Ostbelgiern die Prüfung ab, um in den Postdienst aufgenommen zu werden – und wurde Elfter. Wenig später konnte er in Raeren seinen Dienst beginnen. „Erst hat es mir gar nicht gefallen, ständig bei Wind und Wetter draußen zu sein“, erzählt er. Kollegen rieten ihm, zwei, drei Monate durchzuhalten. Er befolgte den Rat und lebte sich ein – so gut, dass er bis zu seiner Pensionierung Briefträger blieb. Dabei lernte er quasi die ganze Eifel kennen: Von Raeren aus wurde er zunächst nach St.Vith, dann nach Amel und schließlich nach Bütgenbach versetzt. 1995 kam er dann nach Büllingen. Und als in Rocherath eine Stelle frei wurde, zögerte sein Chef nicht lange und versetzte Karl Brüls in sein Heimatdorf. Brüls und seine Frau hatten sich in dieser Zeit getrennt und die drei Kinder blieben beim Vater in Rocherath. Dass er dort auch arbeitete, machte natürlich vieles einfacher.

Als er damals in Rocherath anfing, gab es noch keine Straßennamen wie heute.

Teilweise hatten die Häuser noch die alten Hausnummern aus den Kriegsjahren. Und in der lang gezogenen, recht großen Doppelortschaft war es nicht immer leicht, jeden Adressaten zu finden. „Der Briefträger war damals noch ein richtiger Ansprechpartner“, erzählt Karl Brüls. Feste Kaffeestellen gab es ohnehin, aber auch feste Adressen, wo er nach dem Rechten sah oder für den nächsten Tag zum Beispiel eine kleine Besorgung erledigte. Heute hat sich dieses Bild stark verändert. „Die Runden sind viel größer geworden“, blickt Brüls zurück auf seine letzten Berufsjahre und die Einführung der Georoute. Anderes wurde einfacher: So fiel ihm schon ein Stein vom Herzen, als er nicht mehr die Renten austragen musste. „Das war schon gefährlich, mit so viel Bargeld in der Tasche herumzulaufen.“ Seine Kontakte haben schließlich auch dazu beigetragen, dass er sich in der Vereinswelt engagierte. Und da steht an einer der ersten Stellen die örtliche KG, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen begeht. Dies wird mit einem internen Fest mit allen Mitgliedern gefeiert. Karl Brüls war 16 Jahre alt, als er sich in der KG Rot-Weiß Rocherath-Krinkelt engagierte. Das heißt, er ist einer der neun Mitglieder, die von Anfang an dabei und auch heute noch aktiv sind. Er ist schon auf der jährlichen Sitzung in die Bütt gegangen, hat zusammen mit anderen Sketchreden gehalten oder kölsche Lieder gesungen. Zwanzig Jahre war er im Vorstand aktiv, davon zwölf Jahre als Präsident, bis er 2004 Platz für Jüngere gemacht hat. „Wir haben einen tollen Zusammenhalt im Verein und überhaupt zwischen allen Vereinen“, beschreibt er, dass sich bei Festen gegenseitig mit dem Thekendienst ausgeholfen wird. Auch mit dem Nachwuchs gebe es in den Vereinen keine Probleme.

KG Rot-Weiß feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen.

Der Dorfzusammenhalt stimmt, sagt Karl Brüls – und auch Zugezogene werden respektiert und integriert. Das zeige sich nicht zuletzt bei der Kirmes, die noch am vergangenen Wochenende groß und ausgiebig gefeiert wurde. „Mit der Sturheit, die man uns nachsagt, ist es vorbei. Das können die Vereine sich heute gar nicht mehr leisten.“

Alleine zurecht kommen die Rocherather und Krinkelter indes ganz gut beim Einkaufen. Bäcker, Metzger, ein kleiner Laden sind vorhanden. „Viele erledigen ihre Einkäufe im Dorf“, sagt Karl Brüls – er selbst gehört auch dazu. Die gute Nahversorgung und das intakte Dorfleben sind denn auch ein Grund dafür, warum viele junge Leute im Ort bleiben möchten. Bei seinen drei Kindern war das nicht der Fall. „Das war schon schwer für mich“, gibt Karl Brüls ohne Umschweife zu. Tochter Juliane hat es nach Frankreich verschlagen, die beiden Söhne Manuel und Sandro leben in Eupen.

Regelmäßig kommen aber die Enkel zu ihm nach Rocherath und wer weiß, vielleicht verschlägt es sie eines Tages ins höchst gelegene Dorf Belgiens? Bauland würden sie im Familienbesitz noch finden. Womit wir dann bei einem anderen Thema wären, das bei jeder GrenzEcho-LokalRunde im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf den Tisch kommt: den Mangel an Baustellen für junge Familien. „Das ist auch hier nicht anders“, sagt Karl Brüls. „Es gibt zwar jetzt einige Mietwohnungen, aber die große Mehrheit hat Eigentum. Und Baustellen werden kaum verkauft.“

LokalRunde am Sonntag, 2. Juli, ab 11 Uhr, im Eifel Ski Zentrum