Raeren: Im April rollen in der Hauptstraße Bagger



Die Resonanz und die Diskussionsfreudigkeit waren groß. Rund 150 Gäste hatten sich eingefunden, um zuzuhören und mitzureden. In 85 Telefongesprächen hatten die Mitarbeiterinnen der GE-Geschäftsstelle im Vorfeld ausgelotet, was den Bürgern eingangs des Wahljahres unter den Nägeln brennt. Und das war so einiges, denn erst nach fast zwei Stunden des konstruktiven Austausches konnte man zum Titel des Morgens übergehen und zur Lokalrunde ansetzen.

Mit Louisa Riermeier, Elisabeth Schoenen, Ludwig Huppertz, Walther Collubry und Serge Hönders war das Podium neben den Moderatoren Jürgen Heck (GrenzEcho) und André Frédéric Goebels (Radio Contact Ostbelgien NOW) bunt besetzt. Bei der Telefonumfrage waren die Probleme des Zusammenlebens zwischen belgischen und deutschen Bürgern in der Grenzgemeinde häufig thematisiert worden, doch sowohl die Gesprächsteilnehmer an den Stehtischen als auch die Gäste im Saal waren sich einig: In Raeren haben die Menschen, die sich integrieren wollen, damit keinerlei Probleme. Einige „Zugezogene“ befanden in der Runde: Elisabeth Schoenen, die vor 20 Jahren der Liebe wegen in Raeren strandete und sich u. a. im Verkehrsverein stark engagiert, meinte: „Heimat ist da, wo das Herz zu Hause ist.“ Und für sie sei das Raeren. Deutsche Wurzeln hat auch Louisa Riermeier. Der Vater der 19-jährigen KLJ-Hauptleiterin kam einst aus Köln, doch in ihrer Generation sei dieses Thema ohnehin keins.

Walther Collubry, seit elf Jahre Präsident des RFC Raeren-Eynatten, räumte ein: „Ob es mit der Integration gelingt, hängt auch davon ab, wie man sich präsentiert. ,Wer sich hier wohlfühlen will, macht den ersten Schritt und der wird mit offenen Armen empfangen.“ Ludwig Huppertz, gebürtig aus der Eifelortschaft Meyerode, schlug in dieselbe Kerbe und gab zu, dass das Thema ihn nerve. Applaus. „Es gibt viele Raerenerinnen und Raerener, die weniger integriert sind, als Deutsche“. Dasselbe Echo kam aus dem Saal.

Die Aufwertung des Raerener Bahnhofs, erschwingliches Bauland oder auch das Kneipensterben waren Themen, an denen sich auch die Zuschauer aktiv beteiligten. 273 Tage vor der Gemeinderatswahl hielten sich die Kandidaten zurück. Der ausscheidende Bürgermeister Hans-Dieter Laschet (Mit uns) musste mehrfach in den Ring steigen, um die eine oder andere Kritik zu kontern oder Fragen zu beantworten. 190.000 Euro lässt man sich die Aufwertung des Bahnhofs kosten. Für Bauunternehmer Serge Hönders gut investiertes Geld, zumal es an der Zeit sei, dass dort etwas unternommen werde. Tourismusschöffe Jockel Van Weersth (Mit uns) kündigte den Baubeginn der Cafeteria für März an. Oppositionspolitiker Mario Pitz (CSL) forderte die Gemeinde auf, die Gastronomie Profis zu überlassen und sich nicht eine sechste Schankstätte aufzuhalsen. Ein Anwohner bat unterdessen darum, die sich verschärfende Verkehrssituation auf den Zufahrtsstraßen im Auge zu behalten.

Ein Thema war auch die Nutzung des Dorfplatzes auf Driesch, wo unisono noch „Luft nach oben“ erkannt wurde, auch wenn schon einiges passiert sei. Für Ludwig Huppertz könne er ruhig etwas grüner werden, andere wiederum träumen von einer Terrasse. Ein Supermarkt wird hingegen in Raeren nicht vermisst, da es ja Einkaufsmöglichkeiten gebe. Überlegungen, was mit dem leer stehenden Aldi-Gebäude und Gelände geschieht, würden derzeit angestellt, berichtete Laschet. Und apropos Bau: Wie ist es ums Bauland für bauwillige Raerener bestellt? „Es gibt viel, aber dieses ist nicht auf dem Markt. Daher sollte die Gemeinde überlegen, neue Teilstücke zu erschließen“, forderte Hönders. Problematisch sei aber auch, dass die vorhandenen Grundstücke einfach zu groß seien, hieß es aus dem Publikum, und daher nicht der Einkommenssituation vieler Menschen entspreche. Laschet verwies auf die Grundstücksregie, bei der Raerener – unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien – fündig werden können.

Heftige Kritik an der Führung von Haus Zahlepohl wurde laut.

Stichwort: Kneipensterben. Louisa Riermeier kennt die Situation in Raeren nicht anders und fährt seit jeher nach Eupen. „Eine moderne Kneipe mit einem guten Angebot wäre schön“, so die KLJ-Hauptleiterin. Kritik gab es am Haus Zahlepohl und vor allem an den Öffnungszeiten bzw. an der Wertschätzung für die Gäste, die nicht speisen. Dem stand der besänftigende Wunsch gegenüber, nicht von Beginn an alles schlecht zu reden. „Am Ende steht dann nur noch ein Getränkeautomat dort“, lautete ein Kommentar. Ludwig Huppertz regte an, das Töpfereimuseum um ein Heimatmuseum zu ergänzen, um dieses mehr mit der Bevölkerung zu verbinden und ins Heute zu holen. Ein Bürger monierte den Zustand der Hauptstraße, doch auf diesen Einwand hatte Laschet die passende Replik. Am Freitag hätten die letzten Dokumente die Gemeinde erreicht, sodass nach Karneval die Vorbereitung anlaufen und es im April mit den Bauarbeiten losgehen kann. Diese sollen mindestens anderthalb Jahre dauern. Collubry wünschte sich, dass die Menschen das Glas eher als halb voll statt als halb leer betrachten sollten. Dies fiel den Gästen nicht schwer, denn kurze Zeit später waren die Gläser randvoll gefüllt. Das GrenzEcho lud zur obligatorischen Lokalrunde.

grenzecho.net/fotos