„Wilder Streik“ ist kein außergewöhnlicher Umstand: Tuifly muss Passagiere entschädigen

Bei Tuifly waren im Oktober 2016 Flüge gestrichen worden oder um Stunden verspätet, nachdem sich ganze Crews von Tuifly kurzfristig krank gemeldet hatten. | dpa

Hintergrund des EuGH-Verfahrens ist der wilde Streik von Mitarbeitern der deutschen Fluggesellschaft Tuifly im Herbst 2016, nachdem zuvor Umstrukturierungen im Konzern angekündigt worden waren. Wegen massenhafter Krankmeldungen der Besatzungen musste Tuifly den Betrieb Anfang Oktober vorübergehend fast komplett einstellen. Mehr als 100 Flüge wurden gestrichen, Tausende Reisende saßen fest. Betroffene klagen seitdem vor Gerichten auf Ausgleichszahlungen (je nach Flugdistanz 250, 400 oder 600 Euro pro Passagier). Ihre Chancen dürften sich nun deutlich verbessert haben.

Die EuGH-Richter begründeten das Urteil nun damit, dass Fluglinien nur unter „außergewöhnlichen Umständen“ von der gesetzlich vorgesehenen Erstattungspflicht befreit werden könnten. Dafür seinen zwei Voraussetzungen nötig: Zum einen dürfe das Ereignis, das zu den Behinderungen führte, nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit sein. Zum anderen dürfe es von der Airline nicht beherrschbar sein.

Mit Blick auf die Ereignisse bei Tuifly sei dies nicht der Fall, so die Richter. Das Unternehmen habe überraschend Umstrukturierungen angekündigt, was zur normalen Firmentätigkeit gehöre. Konflikte mit den Mitarbeitern seien dabei nicht ungewöhnlich. Die Situation im Herbst 2016 sei daher nicht als „außergewöhnlicher Umstand“ zu werten. Außerdem sei der wilde Streik für Tuifly nicht unbeherrschbar gewesen.

Ralph Pais vom belgischen Fluggasthelfer-Portal Claim It ist zufrieden: „Das Gerichtsurteil zeigt abermals, dass Fluggäste sich nicht durch Ausreden der Airlines, die sich auf höhere Gewalt berufen, entmutigen lassen sollten.“ Viele Passagiere würden solche Ausreden zu schnell akzeptieren, hätten aber oft Anrecht auf eine Entschädigung. Tuifly reagierte hingegen enttäuscht: „Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass man sich auf solche wilden Streiks nicht ausreichend vorbereiten kann.“ sagte ein Sprecher. (dpa/gz)