Studie: Junge Hausärzte verschreiben hierzulande weniger Antibiotika

Der Antibiotikaverbrauch in Belgien ist in den letzten zehn Jahren nur leicht zurückgegangen. Illustrationsbild: dpa | 4



Bis zu 30 Prozent weniger Antibiotika verordnen junge Hausärzte in Belgien im Vergleich zu Medizinern ab 60 Jahren aufwärts. Zu dieser Feststellung kommt eine Solidaris-Umfrage, für die zwischen 2008 und 2016 alle Rezepte der Mitglieder analysiert wurden.

Professor Dirk Devroey von der Freien Universität Brüssel (ULB) führt diesen Trend auf den Mentalitätswechsel im Medizinstudium zurück. „Die Hausärzte, die sich zurzeit in der Pipeline befinden, sind sich einfach bewusst, dass Antibiotika nur in extremen Notfällen eingesetzt werden sollten bzw. können. Sie wissen, dass sie nur funktionieren, wenn es um die Bekämpfung von Bakterien geht. Aber natürlich ist es immer einfacher, das Verhalten von jemandem zu ändern, der noch nicht als Allgemeinmediziner gearbeitet hat, als das Verhalten von jemandem, der es vor 30 Jahren an der Universität anders gelernt hat“, äußerte sich Dirk Devroey, der außerdem betonte, dass man noch vor 30 Jahren mit Vorwürfen bombardiert worden wäre, wenn man beispielsweise bei einer Kehlkopfentzündung keine Antibiotika verschrieben hätte.

Ärzte-Gewerkschaften nehmen unterdessen den Patienten in die Pflicht. Denn aus der Umfrage geht auch hervor, dass einer von acht Patienten in Belgien seinen Arzt sogar darum bittet, Antibiotika verschrieben zu bekommen. In 85 Prozent der Fälle würde laut der Solidaris-Studie die „Masche“ auch funktionieren – auch weil die Allgemeinmediziner Angst hätten, ihre „Kundschaft“ zu verlieren. Denn wenn der Patient nicht bekommt, was er will, sucht er sich eben einen anderen Allgemeinmediziner. Dabei ist die Angst, Patienten zu verlieren, in den Augen von Professor Devroey völlig ungerechtfertigt. „Wir lehren unseren zukünftigen Ärzten, wie sie mit solchen Fragen von Patienten umgehen sollen. Wenn ein Patient eine gute und umfangreiche Erklärung erhält, warum Antibiotika nicht immer die Lösung sein kann, wird er es normalerweise verstehen.“

Für Paul Callewaert, Generalsekretär der sozialistischen Krankenkasse, sind die Ärzte „der Schlüssel zur Lösung des Problems“. „Es ist der Hausarzt, der dem Patienten Informationen in einer Weise geben muss, die der Patient versteht“, meinte Callewaert.

Im OECD-Ranking landet Belgien mit seinem Verbrauch auf Platz drei.

Der oft fahrlässige Umgang mit Antibiotika führt dazu, dass etliche bakterielle Erreger sich längst auf die einstigen Wundermittel eingestellt haben, sodass die Keime resistent (widerstandsfähig) oder gar multiresistent gegen das medizinische Wundermittel werden. Um das zu verhindern, gibt es in Belgien klare Richtlinien, die helfen sollen, das Verschreiben von Antibiotika zu reduzieren. Und die sind auch bitter notwendig, denn Belgier haben sich im OECD-Ranking auf Platz drei geschluckt. Nur in Griechenland und Frankreich, die ebenfalls zu dem Staatenbündnis gehören, das insgesamt 35 Mitgliedsländer aus fast allen Regionen der Erde umfasst, ist der Verbrauch von Antibiotika noch höher.

Aber Abhilfe in Belgien ist bereits in Sicht, denn die Kommission Bapcoc hat festgelegt, dass bis 2020 die Anzahl der Verschreibungen pro 1.000 Einwohner auf 600 reduziert werden soll – derzeit sind es etwas mehr als 900. „43,6 Prozent unserer Mitglieder erhielten zwischen 2015 und 2016 mindestens ein Rezept. In den Jahren 2008 und 2009 waren es immerhin 46,3 Prozent. Trotz wiederholter Kampagnen nimmt der Verbrauch aber viel zu langsam ab“, sagte Paul Callewaert und fügte hinzu: „Wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns.“