Serien-Junkies haben einen ungesunden Schlaf

„Game of Thrones“: schöne, spannende Serien-Welt mit Gefahren. | CAP/PLF



Netflix & Co bringen fortlaufend erzählende, komplexe Qualitätsserien ins Netz und sorgen damit für maximale Konsumfreiheit der Serienfans. Aus der Freiheit ist aber längst ein Zwang geworden – der Zwang, zu beenden, was man angefangen hat: „Binge-Viewing“ oder „Binge-Watching“. Gemeint ist, dass man nicht nur eine oder zwei Episoden einer Serie anschaut, sondern deutlich mehr Folgen oder gleich eine gesamte Staffel. Solche Serienmarathons versprechen sicherlich spannende und faszinierende Abende und Nächte, sind aber auf Dauer auch ungesund, wie Wissenschaftler festgestellt haben.

Das Serienglotzen ist schlecht für unsere Nachtruhe, hat die Kommunikationswissenschaftlerin Liese Exelmans von der Uni Löwen (KUL) bei ihren Nachforschungen für eine Doktorarbeit herausgefunden. Die Schlussfolgerungen wurden im amerikanischen Fachmagazin „Journal of Clinical Sleep Medicine“ veröffentlicht. Per Fragebogen untersuchte sie 423 Probanden zwischen 18 und 25 Jahren, von denen sich 80 Prozent als „Binge Watcher“ bezeichneten. Im Schnitt kamen die Teilnehmer auf drei bis vier Episoden pro „Seriensitzung“. Mehr als jeder vierte gab an, sich mehrmals pro Monat dem Marathon-Glotzen hinzugeben, jeder Fünfte tut dies mehrmals pro Woche.

Das Ergebnis der Untersuchungen: Dauerserienschauer haben ein um 98 Prozent erhöhtes Risiko für schlechteren Schlaf. Jede dritte Testperson schläft schlechter als Altersgenossen, die ab und zu eine Folge schauen. „Das Problem ist nicht die Schlafdauer. Die Qualität der Nachtruhe ist bedeutend schlechter.“ In einem von drei Fällen konnte ein schlechter Schlaf direkt auf das Binge-Watching zurückgeführt werden. Signifikant hierbei: Es zählt nicht die Häufigkeit des Binge-Watching, sondern die Anzahl Folgen, die man am Stück schaut.

Als Grund für die Schlafprobleme vermutet die Forscherin, dass die Storyline von Serien wie „Game of Thrones“ oder „House of Cards“ die Serien-Junkies nicht mehr loslässt: Die „Binge-Watcher“ grübeln lange darüber nach, wie es mit der Handlung weitergehe, sie sind einfach zu aufgeregt, um gemütlich einzuschlafen. Sogenannte Cliffhanger am Ende einer Folge, der die Zuschauer geradezu zwingt, die nächste Folge herbeizusehnen, fördern diesen Effekt. Zudem sorgt die kognitive Erregung für einen schlechten Schlaf, wenn die Serie direkt vor dem Schlafengehen geschaut wird. Auch die stärkere Identifikation mit den Charakteren aufgrund ihrer intensiven Begleitung spielt eine Rolle.

Wer nun panisch vor dem Fernseher sitzt und meint: „Hilfe, ich bin ein Bingewatcher“, kann beruhigt sein. Es ist nicht verwerflich, wenn man sich an einem Wochenende intensiv mit einer Serie beschäftigt. Auch sei es nicht ungesund, mehrere Folgen von „Game of Thrones“ nacheinander zu verschlingen, sagt Exelmans. Dafür müsse das Phänomen noch mehr untersucht werden. „Aber Binge-Watchers müssen sich im Klaren sein, dass eine schlechte Nachtruhe der Gesundheit schadet.“ Auffallend: Wer stundenlang (klassisch) Fernsehen schaut, hat diese geistige Unruhe ohnehin nicht. „Ein TV-Marathon hat scheinbar keinen Einfluss auf unseren Schlaf“, so Exelmans. „Weil es weniger intensiv ist als Binge-Watching.“ Beim normalen Fernsehkonsum ist der Zuschauer öfters abgelenkt. (gz)