„Schönes Dekolleté“ an der ULB von Vorteil



Der Wortlaut der Mitteilung sieht wie folgt aus: „Meine Kollegen und ich erwarten euch um 13 Uhr an der Hinterseite des Janson-Hörsaales, um euch beim Anziehen der Robe zu helfen. Seid zahlreich und kommt pünktlich. Aus ästhetischer Sicht ist es von Vorteil, dass die jungen Damen ein Kleid oder einen Rock anziehen sowie ein schönes Dekolleté tragen. Bei den Herren ist ein Anzug erwünscht. Wohlgemerkt: Die Anweisung ist nicht obligatorisch.“

Screenshots der Mail hatten in den letzten Tagen die Runde gemacht, bis die Affäre öffentlich wurde und die Medien einstiegen. „Nein, es ist keine Fake-News“, kommentierte Marco Schetgen, Leiter der Medizinfakultät, gegenüber RTL Info. „Man hat mir bestätigt, dass die E-Mail in der Tat vom Sekretariat verschickt worden ist. Am Montag wird mir gesagt, wer dafür verantwortlich ist. Höchstwahrscheinlich war es eine Frau, die die Mail verfasst und verschickt hat. Das Sekretariat besteht nur aus Frauen. Der Vorfall ist erstaunlich.“

Seitens der Studenten wurde die Affäre heftig kritisiert. Im Namen des Verbandes der frankofonen Studenten (FEF) sprach Präsident Maxime Mori von einer „bedauerlichen Situation“. Er hob zudem das Paradoxon hervor, dass die ULB in der vergangenen Woche noch Fortschritte auf dem Gebiet von Genderstudien gepriesen hatte. Für Mori werden anhand dieser „kleinen Polemik“ Sexismus und Geschlechterungleichheiten im Hochschulwesen deutlich. Diese seien nämlich Realität im Alltag von Studenten, bei einem Praktikum oder im Unterricht, und werden in der Debatte kaschiert.“ Der FEF-Präsident erwartet von allen ein breiteres Bewusstsein.

FEF reagiert: „Realität im Alltag von Studenten, bei einem Praktikum oder im Unterricht.“

Die Universität reagierte am Samstagabend über ihren Sprecher Nicolas Dassonville. Die E-Mail verstoße gegen die „Werte und Gewohnheiten“ der Universität.

Die Mail sei vom Sekretariat der Fakultät ausgegangen und habe insgesamt 20 Vorschriften in Zusammenhang mit der Bekanntgabe der Resultate enthalten. Der Sprecher unterstrich, dass die ULB es mit der Gleichheit der Geschlechter sehr ernst nehme. Man habe es mit einem unglücklichen Einzelfall zu tun. Der Dekan der Fakultät habe sich öffentlich für den Vorfall entschuldigt. Am Montag findet eine Versammlung mit allen Beteiligten statt.

Der Vorfall an der ULB ist bereits der zweite im frankofonen Universitätswesen in kurzer Zeit. Ende März war die UCL (Neu-Löwen) in die Schlagzeilen geraten. Hier hatte Professor Stéphane Mercier in einem Philosophieunterricht die Studenten gelehrt, dass die „Abtreibung die Tötung einer unschuldigen Person“ darstelle. Dieser Satz fand sich in einem 15-seitigen Text mit dem Titel „La philosophie pour la vie“ wieder. Nachzulesen war auch, dass Abtreibung deutlich schlimmer sei als eine Vergewaltigung. Der Professor, der einen Kollegen ersetzte, erhielt eine Disziplinarstrafe.