Masern, Keuchhusten und Co.: Kein Kinderkram für Erwachsene

Steckt sich ein Erwachsener mit einer Kinderkrankheit wie Keuchhusten an, leidet er darunter meist viel stärker als betroffene Kinder. | Christin Klose/dpa

Masern mit 20? Oder Ringelröteln als erwachsener Mann? Beides hat die Allgemeinmedizinerin Jana Husemann in den vergangenen Jahren in der Praxis erlebt. Das Problem: Was nach harmlosem Kinderkram klingt, kann bei Erwachsenen schwerwiegende Folgen haben. Als Kinderkrankheiten gelten alle Infektionen, die gehäuft im Kleinkindesalter auftreten, erklärt Prof. Erika Baum, Präsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin i Deutschland. Dazu gehören zum Beispiel Scharlach, Röteln, Mumps, Masern, Windpocken oder Keuchhusten. Streng genommen bezeichne der Begriff aber nur Krankheiten, die eine lebenslange Immunität hinterlassen. Das ist bei Scharlach oder Keuchhusten nicht der Fall.

Während Kinder Masern, Mumps und Co. besser wegstecken, verlaufen die Krankheiten bei Erwachsenen häufig mit mehr Komplikationen. „Warum Kinderkrankheiten bei Erwachsenen meist einen schwereren Verlauf haben, ist ein bisschen unklar“, sagt Prof. Bernd Salzberger aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). „Die Medizin geht davon aus, dass das Immunsystem eines Erwachsenen einfach viel heftiger auf eine solche Infektion reagiert, weil es stärker ist als das eines Kindes.“ Zwar würden Erwachsene mit den sogenannten Kinderkrankheiten meist fertig, „sie fühlen sich aber sehr viel kränker und schlechter“, sagt Salzberger. „Windpocken zum Beispiel sind für Kinder schon unangenehm, aber ab dem 20. Lebensjahr möchte man sie wirklich nicht mehr haben. Es gab bei uns im Universitätsklinikum Regensburg sogar Fälle, dass Erwachsene auf der Intensivstation an Windpocken gestorben sind.“

Auch die infektiöse Mononukleose – Pfeiffersches Drüsenfieber – verläuft bei Erwachsenen deutlich schwerer als bei Kindern. Erwachsene sollten sich der möglichen Komplikationen einer Kinderkrankheit bewusst sein, findet Baum: „Bei Mumps können nach der Pubertät die Hoden befallen werden und zur Sterilität führen, die Röteln bei Schwangeren zu schweren Fruchtschädigungen.“ Kinderkrankheiten sind also alles andere als Kinderkram.

Vor den meisten Kinderkrankheiten schützen Impfungen.

Vor den meisten Kinderkrankheiten schützen Impfungen – auch noch im Erwachsenenalter. Die Experten appellieren an alle Patienten, ihren Impfstatus zu überprüfen. „Man sollte auf alle Fälle bei fehlender Immunität die Impfungen gegen Masern-Mumps-Röteln – im Dreierpack, auch wenn nur eine Komponente nötig wäre – , Polio und Windpocken sowie Diphterie, kombiniert mit Tetanus und Keuchhusten, nachholen“, sagt Baum.

Vor allem Menschen, die nach 1970 geboren sind, sollten auf jeden Fall ihren Masern-Impfstatus überprüfen, ergänzt Husemann. In diesen Jahrgängen seien viele Personen nur einmal oder gar nicht geimpft worden. Das Argument, man habe selbst möglicherweise wenig mit Kindern zu tun und müsse sich daher nicht impfen lassen, lassen die Mediziner nicht gelten: „Ich glaube, es gibt keine Menschen, die von sich klar behaupten können, sie haben überhaupt keinen Kontakt mit Kindern. Da müsste man schon Einsiedler sein“, sagt Salzberger. Masern beispielsweise sind extrem ansteckend. Es reicht, wenn man längere Zeit mit einem Masernkranken in einem Raum ist, etwa bei einer Zugfahrt.

Allerdings sind nicht gegen alle Kinderkrankheiten Impfungen möglich – gegen Scharlach zum Beispiel gibt es keinen Impfstoff. Die Erkrankung zeigt sich durch Fieber, Hautausschlag und eine Halsentzündung. Vor solchen Infektionen schützt nur: Abstand halten und auf eine gute Handhygiene achten. (dpa)