Magnette hält sich nicht an Deadline der EU-Kommission

„Es gibt zu viele Probleme, als dass wir eine Einigung bis zu kommenden Freitag erreichen könnten“, erklärte der wallonische Regierungschef Paul Magnette am Abend nach einer Sondersitzung des für europäische Angelegenheiten zuständigen Parlamentsausschusses in Namur. Er sprach von vielen Fortschritten, die in den Gesprächen mit der Europäischen Kommission seit dem vergangenen Wochenende erzielt worden seien. Die richtige Richtung sei erkennbar, doch gehe das Ganze noch nicht weit genug, so Magnette. Koalitionspartner CDH hatte sich ähnlich geäußert. „Nach acht Jahren voller Undeutlichkeit zu den Verhandlungen über ein Handelsabkommen können jetzt nicht einige wenige Tage ausreichen, um die Sachlage völlig zu ändern“, meinte Dimitri Fourny, der Fraktionsvorsitzende der Zentrumshumanisten im Regionalparlament.

Weil die Wallonie in diesem Punkt nicht nachgeben möchte, droht der EU ein Debakel in der Handelspolitik. Nachdem es nämlich bei einem EU-Ministertreffen in Luxemburg am Dienstag nicht gelungen war, Ceta unterschriftsreif zu machen, hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström eine neue Deadline gesetzt: „Die Einigung muss beim anstehenden EU-Gipfel am Freitag stehen“, warnte sie. Die kanadischen Partner hätten das Recht zu erfahren, ob das Abkommen wie geplant am 27. Oktober beim EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterschrieben werden könne.

Kanadas Premier Justin Trudeau reagierte zuletzt gereizt – auch weil er bereits viele Zugeständnisse gemacht hat. Weiter möchte die kanadische Regierung offenbar nicht auf die EU zugehen. Die Parlamente der Französischen Gemeinschaft und der Wallonischen Region hatten in der vergangenen Woche mit einer breiten Mehrheit Nein zu Ceta gesagt und die jeweiligen Regierungen angewiesen, Außenminister Didier Reynders (MR) die Vollmacht zur Unterschrift zu verweigern. Die Unterschrift ist aber eine Voraussetzung, da die Teilstaaten hierzulande weitreichende Kompetenzen haben. Beobachter sprechen bereits von einer echten Bewährungsprobe für den belgischen Föderalismus.

Die Region Brüssel-Hauptstadt und die Deutschsprachige Gemeinschaft müssen sich übrigens auch noch zu Ceta äußern. In der Hauptstadtregion ist sich die Regierung nicht einig geworden, weshalb ein Beschluss aufgeschoben wurde. Derweil hatte DG-Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) verschiedene Bedingungen an ein Ja geknüpft. Eine Entscheidung erübrige sich aber nach dem Nein der Frankofonen, hatte Paasch erklärt. Sollten die Französischsprachigen nun doch irgendwann zustimmen, sind auch die DG und die Region Brüssel wieder am Zuge. Doch danach sieht es bislang nicht aus.

Anhaltende Vorbehalte gegen Ceta gibt es aber offenbar nicht nur im frankofonen Landesteil Belgiens: Wie der deutsche Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärte, sollen Rumänien und Bulgarien mit einem Veto gedroht haben. Denn sie wollen von Kanada die Zusicherung, dass ihre Bürger wie alle anderen EU-Bürger bald von der Visumpflicht befreit werden. Außenminister Reynders bestätigte das nicht: „Ich kann heute sagen, dass 27, ja sogar 27,5 Mitgliedsstaaten (der Europäischen Union, A.d.R.) mit Ceta einverstanden sind“, sagte er mit Blick auf den frankofonen Landesteil. „Ich habe schon viele Situationen bei solchen Gesprächen erlebt, beispielsweise dass sich 14 oder später 27 Mitgliedsstaaten gegen einen anderen Mitgliedsstaat gerichtet haben. Aber ich habe noch nie zu diesem einen Mitgliedsstaat gehört“, so der MR-Politiker.

Paul Magnette beklagt zunehmenden Druck und „unverhüllte Drohungen“.

Am Montag hatte Paul Magnette den zunehmenden Druck beklagt und von „unverhüllten Drohungen“ nach dem Ceta-Nein der Frankofonen gesprochen. Details nannte er nicht, jedoch sollen internationale Konzerne mit Konsequenzen gedroht haben, sollte das Freihandelsabkommen nicht unterschrieben werden. Unter vorgehaltener Hand ist von ausbleibenden Investitionen die Rede.

Die Position Belgiens in Europa könne bei einem Scheitern von Ceta tatsächlich geschwächt werden, denkt Premier Michel. Der Regierungschef sprach am Dienstagabend in der Nachrichtensendung „Het Journaal“ des flämischen Rundfunks (VRT) von einer „schweren Verantwortung“. In anderen Diskussionen auf europäischer Ebene, beispielsweise in einem Bereich wie Sozialdumping, könnte Belgien an Gewicht verlieren: „Ich bin mir bewusst, wie ernst die Lage ist. Zusammen mit dem Außenminister (Didier Reynders) versuche ich alles, doch noch eine Lösung zu finden.“