Auch in Belgien: HIV mit Pille vorbeugen



Nur als kuratives Medikament steigen die Krankenkassen in Belgien ein und erstatten Kosten zurück. „Truvada“ gibt es nur auf ärztliche Verschreibung. Ab dem Jahr 2017 läuft das Patent ab und wird ein deutlich kostengünstigeres Generikum (60 Euro die Packung) in Belgien auf den Markt kommen.

Die EU-Kommission hat das Mittel unter Auflagen in der Europäischen Union zur Prophylaxe zugelassen. Einige Aids-Experten setzen große Hoffnungen in das Präparat. Die tägliche Einnahme der Pille soll das Risiko senken, sich mit HIV zu infizieren.

Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema hatte die Zulassung von „Truvada“ als Prophylaxe-Medikament für Menschen mit hohem Infektionsrisiko Ende Juli empfohlen. Sie sollen sich allerdings weiter auch mit Kondomen schützen. Als Anwender der Prophylaxe kommt eine kleine Gruppe mit hohem Risiko infrage: Männer und Transgender, die auch ungeschützten Sex mit häufig wechselnden Männern haben sowie Partner unbehandelter HIV-Infizierter.

Zur Prophylaxe ist „Truvada“ in den USA bereits seit 2012 zugelassen. In Südafrika wird das Medikament seit diesem Jahr an Prostituierte abgegeben. Weltweit sind Schätzungen zufolge rund 37 Millionen Menschen HIV-positiv. Gegenwärtig infizieren sich nach Angaben von Experten jährlich rund 2,1 Millionen neu. Rund 1,1 Millionen Menschen starben 2015 an den Folgen von Aids.

Was steckt hinter diesem Mittel? Die wichtigsten Antworten:

Was ist das für ein Medikament?

Das Präparat „Truvada“ ist nicht neu. Laut dem Hersteller Gilead Sciences ist es seit 2005 für die Therapie bereits Infizierter zugelassen. In Kombination mit anderen HIV-Medikamenten unterdrückt es die Vermehrung des Virus. „Es ist eines der am häufigsten verwendeten Medikamente zur Behandlung der HIV-Infektion“, sagt die Medizinerin Annette Haberl vom HIV-Center des Frankfurter Uniklinikums. Mit der aktuellen Zulassung wird der Anwendungsbereich des Mittels auf Gesunde mit hohem Ansteckungsrisiko ausgeweitet. Fachleute sprechen von einer Prä-Expositionsprophylaxe, kurz PrEP.

Wie wirkt das Medikament im Körper?

Es enthält zwei Wirkstoffe, die die Virusvermehrung in den Zellen hemmen. So kann ein Einnisten des HI-Virus und damit eine Infektion verhindert werden – vorausgesetzt, die Tabletten werden regelmäßig einmal täglich eingenommen. Einer Studie zufolge wird dann eine Schutzwirkung von 86 Prozent erreicht, wie Haberl erläutert.

Gibt es keine günstigeren Alternativen?

Doch. Bereits heute lassen sich manche aus dem Ausland ein indisches Generikum mitbringen, das monatlich etwa 60 Euro kostet. Auf solche Wege drohen Interessenten auszuweichen, falls keine Lösung für die Kosten gefunden wird, fürchten Experten. Die Gefahr: Sie werden nicht zur Einnahme und weiterer Vorbeugung beraten und fallen womöglich aus dem medizinischen Monitoring heraus, das eigentlich zur Prophylaxe gehört.

Gibt es noch weitere Risiken?

Das Medikament kann zwar vor HIV schützen, nicht aber vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. Insofern raten Experten weiter zur Kondombenutzung. Wer „Truvada“ vorbeugend nimmt, müsste ohnehin regelmäßig zum Arzt gehen: Mindestens alle drei Monate soll auf sexuell übertragbare Erkrankungen und HIV getestet werden. Im Falle einer HIV-Infektion ist es ganz wesentlich, dass man sofort die PrEP abbricht. Sonst könnten Resistenzen entstehen.

Hat das Mittel Nebenwirkungen?

Bei der vorbeugenden Einnahme haben Mediziner kaum Bedenken. Denn die Zielgruppe besteht vor allem aus jungen, gesunden Männern, die für eine bestimmte Zeit darauf zurückgreifen. Zu Beginn der Einnahme können etwa vorübergehend Magen-Darm-Probleme, Übelkeit und Müdigkeit auftreten. Bei langer Einnahmedauer kann sich die Nierenfunktion verschlechtern und die Knochendichte verringern.

Welche Erfahrungen haben andere Länder gemacht?

Laut Gilead Sciences ist die PrEP unter anderem bereits in den USA, Südafrika, Australien, Kanada und Kenia zugelassen. Teils war dort eine Zunahme von Resistenzen und ein Anstieg sexuell übertragbarer Erkrankungen befürchtet worden. Das habe sich bisher aber nicht bewahrheitet, sagte Stellbrink. Sinkende Infektionszahlen wurden etwa von Schwulen in San Francisco berichtet. (dpa/pb)