„In Raeren lässt es sich gut leben“



Eine Frage an die drei vorweg: „Seid ihr überhaupt richtige Raerener‘? Und wie ist das mit den zehn Säcken Salz, die man einer alten Redensart zufolge mit einem Raerener essen muss, ehe man ihn wirklich kennt?“ Unsere Gesprächspartner lachen: „Volltreffer“, sagt Jean-Pierre Schoenen. „Keiner von uns ist ein ‚richtiger’ Raerener. Wir stammen aus Eupen, Aachen und Kalterherberg. Aber wir wohnen in Raeren, fühlen uns hier wohl und engagieren uns hier. In Raeren lässt es sich gut leben.“ Was die zehn Säcke Salz angeht, bestätigt er: „Bei richtigen Ur-Raerenern reichen zehn Säcke nicht mal. Die können schon stur und eigensinnig sein.“ Seine Frau Elisabeth ergänzt und nuanciert: „Wenn man auf die Raerener zugeht, dann wird man aber offen empfangen. Ich bin jedenfalls nie auf Ablehnung gestoßen.“ Und Christian Neuss fügt hinzu: „Im Verkehrsverein sind von den rund 45 Mitgliedern nur wenige ‚richtige, alte Raerener‘. Aber wir bilden ein gutes Team. Und alle – egal woher sie kommen – sind sehr motiviert bei der Sache. Wenn man die zehn Säcke Salz mit ihnen gegessen hat, dann sind auch Alt-Raerener richtig herzlich und engagiert.“

Und dann kommt der Schriftführer des VVR gleich zu einem Thema, bei dem sein Verein sich besonders engagiert: der Karneval. „Als vor drei Jahren die Organisation des Umzugs praktisch am Boden lag, sind wir aus der Not heraus als Koordinatoren eingesprungen. Nach einem Übergangsjahr funktioniert das inzwischen hervorragend, und wir haben auch alte Raerener Karnevalisten als Zugordner gewinnen können – ebenso wie neue, die hinzugekommen sind. Wir sind stolz auf die positiven Rückmeldungen, die wir als VVR zu diesem Thema bekommen.“

Zum Einkaufen nach Roetgen, Imgenbroich oder Walheim – „na klar“.

Wie steht es denn überhaupt um das Vereinswesen in Raeren? VVR-Präsident Jean-Pierre Schoenen: „Es ist wie überall. Viele Vereine haben Nachwuchssorgen und die Zahl derjenigen, die zu einem Engagement bereit sind, ist rückläufig. Vielleicht gibt es in der Gemeinde Raeren auch zu viele Vereine. Man wird da vermehrt über Zusammenarbeit nachdenken müssen.“ Auf die Frage, ob denn der hohe Ausländeranteil in Raeren (mehr als die Hälfte der Einwohner sind Deutsche, AdR.) da eine Rolle spielt, ist er aber formell: „Nein, viele zugezogene Deutsche sind immer dabei, wenn etwas gemacht wird. Den Begriff des ‚Schlafdorfes‘ kann ich nicht bestätigen. Raeren ist eben eher ein Vorort von Aachen als von Verviers und viele Aachener wohnen auf unserer Seite der Grenze. Aber oft engagieren diese sich noch mehr als die alteingesessenen Raerener. Das sehen wir zum Beispiel beim Bahnhofsfest oder bei anderen von uns organisierten Veranstaltungen.“

Die Grenznähe ist auch beim Thema Einkaufsverhalten ein zentraler Punkt: „Na klar“, sagt Elisabeth Schoenen. „Von Raeren aus ist man genau so schnell in Roetgen, Imgenbroich oder Walheim wie etwa in Eynatten oder Eupen. Das hat auch mit Preisen und Sortiment zu tun.“

Kneipen: Bergscheider Hof als „letzter Mohikaner“

Jean-Pierre Schoenen: „Dass es in Raeren keine Geschäfte mehr gibt, ist natürlich schade für das Dorfleben. Aber man muss realistisch sein: Auch die Eynattener Geschäfte könnten nicht allein von der einheimischen Kundschaft leben. Und in Raeren gibt es kaum Durchgangsverkehr und demnach auch keine Laufkundschaft.“ Noch einmal seine Frau Elisabeth: „Wir haben immerhin noch einige kleinere Geschäfte sowie vor allem Bäcker und Metzger. Solange das der Fall ist, kann ich damit leben.“

Ähnlich sieht es bei den Kneipen oder beim Horeca im allgemeinen aus. Jean-Pierre Schoenen: „Das Kneipensterben ist kein typisches Raerener Phänomen. Gewissermaßen ist in Raeren die Wirtschaft des Bergscheider Hofes so etwas wie der ‚letzte Mohikaner‘; vielleicht könnte man da auch noch mehr draus machen.“ Und Christian Neuss fügt hinzu, dass es durchaus nicht leicht ist, wenn man als Verkehrsverein auswärtigen Touristen in Raeren ein Lokal empfehlen will. Aber dass es diesbezüglich in Raeren tot sei, will er auch nicht gelten lassen: Die Eisdiele, die Cafeteria der Tennishalle oder der Sporthalle, Onkel Jonathan, Moutarderie oder Haus Zahlepohl fallen ihm spontan ein. „Und bald kommt ja noch mehr: am Bahnhof und im Zentrum mit dem neuen Café von Kockartz“, freut sich der VVR-Schriftführer schon jetzt.

Beim Stichwort „Bahnhof“ gilt es nachzuhaken: Wie wichtig ist er für den Tourismus in Raeren? Jean-Pierre Schoenen: „Der Ravel-Radweg ist ein Segen, wenn man schaut, wie viele Touristen er nach Raeren bringt. Aber in Raeren ist bisher noch nichts passiert, um diese Radfahrer zu empfangen. Sie fahren einfach vorbei.“ Seit 2013 organisiert der Verkehrsverein zweimal jährlich das Biergartenfest am Bahnhof, um irgendwie konkret vor Ort etwas zu machen. Und diese Feste finden Anklang bei Einheimischen und Touristen. „Ja,“ sagt der VVR-Präsident, „der Bahnhof hat Potenzial. Schade, dass es wegen der Eigentumsverhältnisse und der Verwaltungswege so schwierig ist, dort etwas zu machen. Aber wie es scheint, tut sich ja nun doch konkret etwas“, sagt er in Anspielung auf den Café-Pavillon, den die Gemeinde am Parkplatz Langenbend neben dem historischen Stellwerk errichten wird. Die Bahnhofsfeste des Verkehrsvereins wird es dann nicht mehr geben, denn man will dem Betreiber der dortigen neuen Gastronomie nicht in die Quere kommen. „Diese Biergartenfeste wollen wir künftig auf den neugestalteten Dorfplatz auf Driesch verlegen“, kündigt er an.

Bei einem Streudorf wie Raeren ist die Belebung des Zentrums nicht leicht.

Apropos Dorfplatz: Dass er gestalterisch gelungen ist, stellt niemand infrage. Aber ist er nicht relativ leer und tot? Christian Neuss dazu: „Als VVR gehen wir mit gutem Beispiel voran; wir haben schon 2015 unseren Adventsmarkt hierher verlegt, als der Platz noch eine Baustelle war. Außerdem gibt es das Picknick der ÖKLE und natürlich die Kirmes.“ Dass der zentrale Raerener Platz Möglichkeiten für weitere Veranstaltungen bietet und dass ihm eine Belebung etwa durch Terrassen oder WLAN guttun würde, darüber sind sich unsere Gesprächspartner einig.

Der VVR-Präsident fügt hinzu: „Andererseits ist Raeren halt ein Streudorf mit vielen Weilern. Da ist das mit der Belebung des Zentrums nicht so leicht.“ Diese Raerener Eigenart von vielen verschiedenen Weilern, die u. a. durch Wiesenwege miteinander verbunden sind, würde der Verkehrsverein gerne auch in seinen Aktivitäten noch mehr herausarbeiten. „Die offizielle Raerener Tourismusstelle, die sich an der Burg befindet, sowie die Gemeinde machen da ja schon viel. Und dem Verkehrsverein fehlt es tatsächlich in diesem Bereich an Kompetenz und Manpower“, gibt Jean-Pierre Schoenen zu. Er fügt hinzu: „Man wird auch sehen müssen, ob sich der Schwerpunkt der touristischen Aktivitäten in Raeren zukünftig vom Museum zum Bahnhof verlagern wird.“

Welche Projekte hat der Verkehrsverein denn noch in der Schublade? Dazu Schriftführer Christian Neuss: „Karnevalszug, Seniorenfahrt, Adventsmarkt, Biergartenfeste – das ist schon nicht schlecht. Vielleicht bieten wir demnächst eine Gourmetwanderung an, die wir vor einigen Monaten schon einmal als Testlauf intern durchgeführt haben.“ Jean-Pierre Schoenen könnte sich auch eine engere Zusammenarbeit mit den Verkehrsvereinen in Eynatten und Hauset vorstellen, die mit Dorfgeschichte/Archivwesen bzw. Dorfverschönerung von den Aktivitäten her etwas andere Schwerpunkte haben als der VVR.

Die GrenzEcho-LokalRunde findet am Sonntag, 14. Januar, ab 11 Uhr im Bergscheider Hof statt.