Hamilton und die Fremdheiten der Welt

„Ein unumstritten starkes Ding, das mit präzisen und souveränen Bildern sein Thema verhandelt“: So beschreibt Bernd Mand „Het Hamiltoncomplex“ vom Theater Het Palais. | Fred Debrock



David Hamilton wurde 1933 in London geboren. Er arbeitete viele Jahre als Grafikdesigner bevor er sich der Fotografie und dem Filmemachen komplett zuwendete. Das Wort Kunstfotografie fällt im Zusammenhang mit seinen Arbeiten oft. Häufiger finden sich allerdings die Begriffe Kitsch, Pädophilie oder Softporno, wenn man über Hamilton liest. Und allein die Filmtitel, ganz abgesehen von den dazugehörenden Geschichten, erzählen eine befremdliche Geschichte: „Zärtliche Kusinen“, „Die Geschichte der Laura M.“ oder „Erste Sehnsucht“ legen eine auf den ersten Blick klare Fährte. Eine Fährte, die HETPALAIS mit ihrer Produktion „Het Hamiltoncomplex“ ganz eindeutig aufgenommen haben.

Eine aufgedrehte, hart getaktete Spurensuche ist es geworden, die tief in das Leben seiner dreizehnjährigen Protagonistinnen schaut. Eine perfide, wie klug gebaute Versuchung. Eine schlau kalkulierte Verführung des Zuschauers, die kein versöhnliches Ende im Sinn hat. Die zwar mit Nachdruck umgarnt, aber nicht nach Sympathie angelt. Man muss nicht mögen, was man hier sieht, um nachhaltig verunsichert nach dem Dunkel auf der Bühne wieder ins Leben zu stolpern.

Eine Bilderschau, die dem kulturgeschichtlichen Topos des „Jungen Mädchens“ ins Heute weiter übersetzt, seine Fortschreibungen von der Antike ab beleuchtet, nachzieht und seine jetzigen Bilder einzufangen versucht. Und einem immer wieder die Fremdheiten dieser Welt vor Augen zu führen weiß. Das gilt es auszuhalten. Das gilt es aber auch genau anzuschauen, es als Teil unserer Geschichte, Entwicklung und des täglichen Lebens zu begreifen. Eine Tatsache, die herausfordert und verbindet. Die Akteure auf der Bühne, die Zuschauer – alle mit ihren Geschichten und Erinnerungen im Gepäck – zu Komplizen macht beim Blick auf die Strukturen unserer Gesellschaft und unseres Menschsein.

Keine unumstrittenes Stück hier beim Theaterfest. Kein unumstrittenes Stück überhaupt. Aber ein unumstritten starkes Ding, das mit präzisen und souveränen Bildern sein Thema verhandelt und seine Zuschauer zu keinem Zeitpunkt schonen möchte. Und das eben auch nicht tut.