Friedhelm Wirtz ist nach 270 Tagen wieder zurück



Die Diagnose „Darmkrebs“ hatte dafür gesorgt, dass Friedhelm Wirtz vorübergehend eine Auszeit nehmen musste. „Jetzt stehen die Zähler wieder auf Null“, sagt der 59-Jährige erleichtert.

Eigentlich wäre er noch bis zum 30. Juli krankgeschrieben, aber er möchte zurück ins Rathaus. „Je besser es mir gesundheitlich ging, umso mehr habe ich mich darauf gefreut, wieder anzufangen. Aber jetzt, wo es wieder losgeht, habe ich doch gemischte Gefühle, weil ich nicht sicher bin, ob ich alles so bringen kann, wie es war und wie es vielleicht auch erwartet wird. Die Kunst am Anfang wird sein zu sehen, bis wo ich gehen kann und auch mal eine Pause zu machen.“

Körperlich fühlt er sich gut und fit. Die letzte Chemotherapie liegt gut einen Monat zurück und danach hat er sich ein intensives Programm auferlegt, um gut vorbereitet zu sein. Aber wie es mit der Konzentration über längere Zeit klappt, kann er noch nicht richtig einschätzen. „Ich denke aber, es wird gehen“, sagt er optimistisch. Ich bin dann mal wieder da.

Montagmorgen, 8 Uhr – was erledigen Sie als erstes?

Ich fange um 10 Uhr an (lacht). Als Erstes werde ich mit der Verwaltung zusammenkommen. Wir werden eine Dienstleiterversammlung machen, in der jeder berichtet, wo es in seinem Dienst hapert und was gerade ansteht. Um 11 Uhr findet dann eine Versammlung für das gesamte Personal statt. Vor der Mittagspause werden wir auch sicherlich ein Glas zusammen trinken. Dienstag geht es dann weiter mit der Kollegiumssitzung, mittags ist in Eupen Finost-Direktionsausschuss usw. Die Agenda ist schon gefüllt für die erste Woche. An Arbeit wird es nicht fehlen. Ich will das aber auch so. Man kann diesen Job nicht mit angezogener Handbremse machen, das geht nicht.

Wie intensiv haben Sie in den letzten Monaten hinter den Kulissen mitgewirkt?

Schon sehr. Ich habe immer die Unterlagen zur Vorbereitung der Kollegiumssitzung bekommen und wir haben auch vieles schon besprochen. Es gab auch öfters inoffizielle Kollegiumssitzungen bei mir zu Hause. Ich bin nicht rausgegangen und ich war auch nicht mehr im Rathaus, obwohl ich das in letzter Zeit gekonnt hätte. Wie gesagt: Das kann man nicht mit angezogener Handbremse, entweder ganz oder gar nicht.

Wie sehr haben Sie während der Krankheit Kontakte zu Kollegen, Mitarbeitern und auch Bürgern gepflegt?

Ich hatte so viel Besuch, dass wir das über Agenda geregelt haben (lacht). Jetzt noch kommen sehr viele Leute. Das war überwältigend und dafür möchte ich mich auch ganz herzlich bedanken. Ich war oft sehr gerührt. Als es mir noch schlechter ging, hat meine Mitarbeiterin im Versicherungsbüro mir jeden Tag eine Liste gegeben, wer angerufen hat, um sich nach mir zu erkundigen. In der Gemeinde hat das Ellen Saubain gemacht. Das ist schon toll zu wissen, dass sich so viele Leute um einen sorgen.

Ist es Ihnen nicht schwergefallen, im Hintergrund zu bleiben und nicht in der vordersten Front zu stehen?

Das kann ich ganz klar und ehrlich beantworten: So lange ich schlecht dran war, während der Chemotherapie zum Beispiel, habe ich mich komplett und gut raushalten können. Seit es mir aber besser geht – das ist jetzt etwa seit einem Monat so – fällt es mir immer schwerer, das umzusetzen, was ich mir selbst vorgenommen habe, nämlich mich herauszuhalten. Ich konnte mir aber immer sicher sein, dass mein Stellvertreter Willy Heinzius und die anderen Kollegiumsmitglieder beste Arbeit leisten. Ihnen gilt mein Dank. Gleiches gilt auch für meine Stellvertreterin bei Vivias Monika Bastin-Veithen.

Gerade bei Projekten, die Sie immer begleitet haben, wie zum Beispiel den Rathaus-Neubau war das mit Sicherheit sehr schwer oder?

Dabei ist es mir eigentlich weniger schwer gefallen. Aber wir hatten zum Beispiel von der Deutschsprachigen Gemeinschaft die Auflage, einen Mehrjahresplan im Finanzbereich zu erstellen. Das ist mein Steckenpferd, der Bereich, in dem ich am liebsten arbeite. Das hat mich schon beschäftigt. Das Rathaus hat mich nicht so tangiert. Ich weiß, dass die Kollegen und der Architekt sehr gute Arbeit gemacht haben. Außerdem war das Projekt schon auf Schienen und die gröbsten Planungen waren gemacht. Im Mehrjahresplan hätte ich vielleicht andere Schwerpunkte gesetzt, ich denke zum Beispiel an die Altersversorgung, wo wir als Gemeinde auch immer mehr gefordert werden. Aber gut. Man muss auch sagen, dass wir in Büllingen eine Liste sind und nicht mehrere Parteien. So kommen auch nicht die Diskussionen auf oder die verschiedenen Strömungen, wie vielleicht anderswo.

In den Ratssitzungen hatte man als Beobachter oft den Eindruck, dass die Kollegen Ihren Platz sehr gut frei gehalten haben und auch oft überlegt haben, wie Sie wohl handeln oder denken würden.

Alle größeren und langfristigen Geschichten sind immer im Einklang gewesen. Ich rede jetzt nicht davon, wenn ein Lkw irgendwo eine Ladung Sand hinbringt. Das brauche ich nicht zu wissen. Aber alles andere war immer abgesprochen. In einem guten Jahr stehen die Kommunalwahlen an, irgendwann muss man sich auch mit diesem Thema befassen. In der Fraktion habe ich immer gesagt: „Was Ihr macht, ist für mich OK.“ Ich wollte auch nicht, dass Dinge liegen bleiben, weil ich nicht da war. Ich kann ja auch irgendwann mal ganz weg sein oder egal wer von uns und dann muss es auch weitergehen.

Wie weit ist Ihre Liste denn beim Thema Kommunalwahlen?

Ich weiß nicht, ob wir das noch vor den Sommerferien anpacken, aber danach wird es sicherlich Zeit. Wir sind bei Null. Gut, wir sind 17 im Rat, wir haben eine Mehrheit von 14 – das Erste, was ich tun werde, ist die 14 Leute fragen, wer noch dabei ist. Dann muss man schauen, mit wie vielen Leuten wir da stehen und wie viele wir noch brauchen. In der Gemeinde Büllingen haben wir bei der Zusammensetzung der Listen immer auf die geografische Verteilung geachtet, auch aufgrund der drei Altgemeinden und der Entfernungen. Am liebsten würde ich das noch vor den Sommerferien klären, damit man auch im Urlaub manche Dinge überlegen und andenken kann. Das geht jetzt sehr schnell, zumal auch noch ein anderes großes Projekt ansteht.

Und das wäre?

Wir müssen umziehen, die gesamte Verwaltung muss umziehen. Es ist vorgesehen, dass dies Mitte oder Ende September über die Bühne gehen soll. Bis dahin muss noch vieles organisiert werden. Jeder weiß, was ein Umzug bedeutet. Aber bei so einer Verwaltung ist das noch mal etwas ganz anderes. Wir können nicht sagen, „wir machen jetzt den Laden eine Woche dicht“. Meines Erachtens sollten wir das mit einer spezialisierten Firma organisieren, die morgens startet und abends ist auf der anderen Seite alles an Ort und Stelle.

Wie geht es für Sie persönlich weiter in der nächsten Legislaturperiode?

Ich setze voraus, dass ich gesund bin. Davon gehe ich normalerweise aus. Ich war am Donnerstag noch beim Arzt, habe einen Check gemacht und so weit ist alles ok. So werde ich noch einmal kandidieren und ich gehe auch davon aus, dass ich die Liste anführen werde und wieder das Bürgermeisteramt anstrebe. Ich werde dieses Jahr 59. Wenn ich dann noch bei einer Periode dabei sein dürfte, bin ich am Ende 66. Wenn die Gesundheit mitmacht, dürfte das machbar sein. Dann wäre aber auch definitiv Schluss. Es geht auch darum, eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten. Ich muss mich eigentlich nicht darum sorgen, aber in der Eifel scheint außer mir, Marion Dhur in Burg-Reuland die Einzige von den jetzigen Bürgermeistern, die aufs Neue kandidiert. Im Norden ist es ganz ähnlich. Es ist schon problematisch, wenn in den Kollegien der Hilfeleistungszone oder der Polizeizone alles wechselt. Gerade in der Hilfeleistungszone ist noch eine ganze Menge zu tun. Das ist so eine Reform, die von oben herunter diktiert wurde, ohne konkrete Vorgaben. Wir haben Glück, dass wir uns unter den Gemeinden so gut verstehen, sonst wäre das schon so eine Sache.

Und die Polizeizone?

Momentan haben wir das finanziell immer recht locker geschafft, aber auch da wird in Zukunft sicherlich einiges auf uns zukommen. Überall wird nach mehr Sicherheit und Polizeipräsenz gerufen. Die werden wir hier liefern müssen, unsere Leute werden aber auch gefordert sein, anderswo größere Events abzudecken. Das wird nicht ohne die Beteiligung der Gemeinden gehen. Ob es vor diesem Hintergrund optimal ist, wenn diese Gremien mit komplett neuen Leuten besetzt sind, ist eine andere Frage.

Und es gibt auch noch Vivias, wo Sie Präsident sind. Da läuft derzeit mit dem Ausbau des Seniorenheims Bütgenbach ein großes Projekt.

Richtig, und es gibt schon Überlegungen, dass wir auch in St.Vith diesen Schritt gehen müssen und dort ausbauen. Die Baustelle in Bütgenbach läuft, es geht auch gut voran. Wenn das mal abgeschlossen ist, dann muss das nächste angepackt werden. In der Eifel haben wir noch zu wenig Altenheimplätze. Eventuell muss man dies mit anderen Formen der Seniorenbetreuung verknüpfen und wir müssen uns da auch als Vivias vielleicht neu erfinden und überlegen, ob wir nicht andere Formen der Betreuung anbieten oder zumindest Partner sind.

Hätten Sie ein Beispiel?

Ich bin zum Beispiel der Meinung, dass Vivias bei den Seniorendorfhäusern eine Rolle spielen sollte, damit nicht jede Gemeinde das alleine organisiert, sondern wir das zusammen im Verband anbieten. Darüber muss man zumindest nachdenken.

Wie haben Sie aus der Distanz die ganzen politischen Skandale der letzten Zeit erlebt?

Ich habe das tatsächlich intensiv verfolgt, es hat bei Publifin angefangen und jetzt Samusocial. Das ist sehr schade, diese Leute wissen gar nicht, was sie anrichten. Man kann Stunden darüber diskutieren, ob das Wahlsystem, das wir haben, das Beste ist. Manche sagen jetzt, die Mandate sollen einfach ausgelost und so vergeben werden, dass alle Bevölkerungsschichten in der Politik vertreten sind. Das mag alles sein Für und Wider haben. Nur, die Leute, die das alles so weit getrieben haben und die nicht selten mit uns am Tisch gesessen haben – ich denke da an André Gilles zum Beispiel – da stellt man sich schon Fragen. Das tut mir weh, wenn ich das sehe. Es gibt eine Menge Leute, die sich wirklich den Allerwertesten aufreißen, um ihr Mandat seriös und ordentlich zu machen.

Wie sollte Ihrer Meinung nach politische Arbeit entschädigt werden?

Ich habe es sehr oft gesagt: Ein Bürgermeister-Mandat müsste sogar besser entschädigt werden. In der Diskussion um Ämterhäufung wollte ich auch meine Bezüge auf einem Internetportal öffentlich machen, als mein Name genannt wurde. Ich habe kein Problem damit. Der Einnehmer von Büllingen überweist mir 2.485 Euro im Monat, hinzukommen 623 Euro von Vivias, aber das ist es dann auch. Jeder gute Handwerker, der in Luxemburg arbeiten geht, hat mehr am Ende vom Monat. Wenn man das alles noch in die negativen Schlagzeilen bringt, wer gibt sich dann am Ende noch her für ein Mandat auf politischer Ebene?

Wie sehen Sie die Rolle der Parteien in der ganzen Diskussion um Bezüge?

Ich bin kein großer Freund von Parteistrukturen, das ist bekannt. Es muss sie geben, OK. Aber wenn die Parteien sich jetzt als die Ahnungslosen hinstellen und sagen „Oje, wie konnten wir denn solche Leute in unseren Reihen haben?“, dann muss man sich schon Fragen stellen. Es ist erwiesen, dass die Mandatsträger einen gewissen Prozentsatz von ihren Bezügen an die Partei abgeben. Also müsste der Buchhalter sich ja doch fragen, woher das ganze Geld gekommen ist. Und wenn man dann noch einen Dreisatz rechnen kann, weiß man schnell, wie hoch die Bezüge sind. Wenn man sich also jetzt hinstellt und sagt „Das sind die Bösen“, ist das doch ein bisschen weit hergeholt. Schade, dass es so weit gekommen ist.

Ist die Deutschsprachige Gemeinschaft dabei eine Art Insel, die von den Skandalen noch nicht erreicht wurde?

Natürlich wissen wir hier auch, was Ämterhäufung ist. Als Bürgermeister ist man auch im Polizeikollegium und im Kollegium der Hilfeleistungszone, das sind auch alles Ämter. Die werden nur nicht honoriert. Es sind abgeleitete Mandate, die man wahrnehmen muss. Ansonsten kann ich mir in der DG nicht vorstellen, dass es Ämterhäufung in diesem Ausmaß gibt. Das wäre auch sehr schnell bekannt.

Viele Menschen verändern nach einer schweren Erkrankung ihr Leben und ihre Arbeitsweise. Was wird sich bei Ihnen verändern?

Ich habe diese Krebserkrankung gehabt. Das passiert vielen Menschen inzwischen. Es gab aber auch einige Komplikationen, die dazu geführt haben – das hat der Arzt jetzt noch einmal bestätigt -, dass ich kurz vor dem Ende gestanden habe. Wenn man das weiß, denkt man schon über sehr vieles nach. Ich habe sehr viele Vorsätze gefasst, aber ich bin mir auch sicher, dass ich sie – ähnlich wie beim Jahreswechsel – sehr schnell wieder vergessen werde, wenn ich wieder im Trott bin und mein Körper das mitmacht. Es ist gut, dass man sich über die Gesundheit keine Sorgen macht, wenn man gesund ist. Was wichtig ist, ist, dass man gesund lebt. Jeder von uns hat seine Macken und Eigenschaften, obwohl er weiß, dass sie nicht gesund für ihn sind. Aber sich darum zu viele Sorgen machen, das sollte man nicht und ich werde das auch jetzt nicht tun.

Also ändert sich nicht viel in Ihrem Leben?

Viele haben mir in den letzten Monaten die Frage gestellt, wie ich an diese Krankheit gekommen bin. Genetisch kann es eigentlich nicht bedingt sein, denn meine Eltern haben beide bis zum Ende gesund gelebt. Viele kamen dann zu dem Fazit: „Das wird dein Stress gewesen sein.“ Ich habe dann immer gesagt: „Ich habe überhaupt keinen Stress.“ Wenn ich es Stress nenne, dass ich um 9.45 Uhr noch in Büllingen bin und weiß, dass ich um 10 Uhr zum Polizeikollegium in St.Vith sein muss, dann habe ich regelmäßig Stress. Ich bin oft auf den letzten Drücker und komme meistens zu spät an. Aber Stress hat die arme Person, die heute nicht weiß, ob sie im nächsten Jahr noch ihre Arbeit hat. Oder jemand, in dessen Familie jemand erkrankt ist, und man weiß nicht, wohin der Weg geht. Das würde ich als Stress bezeichnen. Aber was ich habe, ist kein Stress. Ich mache meine Arbeit gerne, es macht viel Spaß und ich komme gut klar.

Gibt es noch große Schwerpunkte, die Sie bis Ende der Legislaturperiode setzen möchten?

Ja, es gibt eine Reihe von Herausforderungen, die ja schon feststehen, die ich aber nicht alleine managen muss, wie zum Beispiel beim Wasserkonzept Ich habe sehr kompetente Mitstreiter im Kollegium. Zum Glück haben wir auch sehr gute Mitarbeiter in der Verwaltung, die bei der Umsetzung federführend sind. Die Politik muss hier die Rahmenbedingungen setzen, das andere geht dann gemeinsam. Das andere sind die Finanzen und die SEC-Normen. Aber auch da sage ich „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“ und irgendwo wird es Lösungen geben für alle diese Probleme. Wenn die SEC-Normen so umgesetzt werden, wie sie im Buche stehen, dann läuft gar nichts mehr: Wir dürfen dann keine Anleihen mehr machen, wir dürfen keine Rücklagen mehr nehmen und nur das Geld brauchen, das am 1. Januar da ist. Wie soll das denn funktionieren? Ich mache mir da nicht die allergrößten Sorgen.

Das gilt aber nicht für alle Gemeinden?

Richtig, es gibt sicherlich Gemeinden, die mehr Rückzahlungsverpflichtungen haben, in denen der Haushalt das dann auch nicht hergibt. Wir haben in Büllingen schon gezeigt, dass man sich als Gemeinde über eine längere Zeit selber finanzieren kann. Wir haben in der kompletten Legislatur keine Anleihen genommen.

Schon in der nächsten Woche steht die nächste Gemeinderatssitzung an. Glauben Sie, dass Sie bei den Themen, die kontrovers diskutiert werden, eine gewisse Schonfrist von der Opposition bekommen?

Das wünsche ich mir überhaupt nicht. Nein, wenn ich reingehe, dann will ich wie gesagt ganz reingehen. Jeder muss wissen, was er tut. Aber auch in meiner Fraktion braucht man keine Rücksicht darauf zu nehmen, das will ich nicht. Sonst hätte ich gesagt, ich bleibe noch einen Monat zu Hause und komme noch zu Kräften. Aber das ist für mich ausgestanden.