Kampf der Kumpel um ihre Jobs

Im rheinischen Revier machten die Befürworter der Braunkohle ihrem Ärger Luft. Sie werben für ihre Jobs - und fordern Verständnis. | Christophe Gateau/dpa

Es sind viele. Tausende. Am Ende sollen es nach Gewerkschaftsangaben sogar deutlich mehr als 15.000 sein, die lautstark auf dem Gelände in Elsdorf am Tagebau Hambach stehen. Monatelang haben Kohlegegner im Hambacher Forst das Bild des Rheinischen Reviers bestimmt. Beim Treffen der Kohlekommission am Mittwoch demonstrieren dagegen Tausende aus Energiewirtschaft und Industrie für die Kohle. Aus vielen spricht die Angst um den Job – aber auch Wut und Verletzung.

„Ich erwarte, dass man vernünftig mit uns umgeht“, ruft der Bürgermeister der kleinen Stadt Elsdorf am Tagebaurand, Andreas Heller (CDU), von der Bühne in die Menge. Viele Demo-Teilnehmer tragen die Arbeitskluft des Energiekonzerns RWE.

Über Jahrzehnte seien die Städte an den Tagebauen der Motor für Wohlstand in Nordrhein-Westfalen gewesen. Sie hätten Dreck und Landverlust durch die Tagebaue in Kauf genommen. „Jetzt komme ich mir vor, wie der Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat“, ruft er. Jetzt würden sie wegen der Braunkohle wie die „Schmuddelkinder der Nation“ behandelt.

Allein am Braunkohle-Tagebau Hambach hängen nach RWE-Angaben rund 4.600 Arbeitsplätze.

Er fordert Respekt, genauso wie der Gewerkschaftsvorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis: Es sei zynisch und respektlos, Menschen, die ihrer Arbeit nachgingen, zu behandeln „als würden sie Giftgas produzieren“.

Der Kohle-Konflikt hat Spuren hinterlassen. Es ist die Zerrissenheit, von der der Kommissionsvorsitzende Matthias Platzeck bei der Kundgebung spricht: „Wir sind in einer schwierigen Phase der gesellschaftlichen Entwicklung. Unsere Gesellschaft ist zerrissen.“ Er wolle einen Beitrag leisten, dass der Strukturwandel dem Menschen Zukunft und Entwicklung gebe.

Platzecks Kommission soll bis Ende des Jahres einen Plan für den Ausstieg Deutschlands aus der Stromgewinnung aus Kohle vorlegen. Während des Protests im Revier tagt sie nur wenige Kilometer entfernt von den Demonstranten.

Die Angst vor Arbeitslosigkeit sitzt tief. Wie bei Christoph Wagner, der mit Frau und seinen kleinen Töchtern gekommen ist. „Nehmt unserem Papa den Job nicht weg“, haben sie auf ein Plakat gemalt. Wagner arbeitet im RWE-Kohlekraftwerk Neurath. „Ich habe Angst, dass es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt“, sagt er offen.

Die Kohle akzeptiert er als Auslaufmodell, aber er fordert ein „gesundes Enddatum für einen tragfähigen Strukturwandel mit neuen Arbeitsplätzen.“ Allein am Braunkohle-Tagebau Hambach, von dem Neurath die Kohle bekommt, hängen nach Angaben des Energiekonzerns RWE rund 4.600 Arbeitsplätze.

Angst auch bei Richard Relle, Azubi bei der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft in Sachsen-Anhalt. „Bei uns in der Region gibt es doch kaum andere Arbeitsplätze. Wenn ich meine Stelle verliere, muss ich auf Montage gehen“, sagt der 18-Jährige, der mit vielen anderen Auszubildenden gekommen ist. „Wir leben von der Kohle und nicht von Grünen Märchen“ steht auf einem ihrer Plakate.

Im Rheinischen Revier hatten die Beschäftigten schon mal an Sicherheit geglaubt – nämlich als die rot-grüne Vorgängerregierung vor rund zwei Jahren den Braunkohletagebau Garzweiler II um ein Drittel verkleinerte. An der Laufzeit bis 2045 wurde festgehalten.

Jetzt doch wieder Unsicherheit, auch für Unternehmen wie Sanders Tiefbau vom Niederrhein, das für RWE arbeitet. „Wenn wir zu früh aus der Braunkohle aussteigen, sind Arbeitsplätze bei uns gefährdet“, sagt der Chef des Familienunternehmens, Ralf Mocken. (dpa)