Jülich: Sieben Sportplatz-Schläger zu Haftstrafen verurteilt



An einem Sonntag im November auf dem Jülicher Land bei Aachen: Beim Bezirksliga-Spiel Grün-Weiß Welldorf-Güsten gegen Sportfreunde Düren schauen ein paar Dutzend Menschen zu, auch Kinder. Die 70. Spielminute läuft gerade, da tauchen muskelbepackte Männer am Spielfeldrand auf. „Was wollt ihr hier. Geht weg“, trauen sich noch einige Zuschauer zu sagen. Doch die aus etwa 20 Männer bestehende Horde stürmt mit Baseballschlägern bewaffnet das Feld und prügelt Spieler und auch Zuschauer nieder, die einschreiten wollen. Selbst wenn einer stürzt und am Boden liegt, gibt es kein Pardon.

Sieben identifizierte Schläger mit türkischen Wurzeln verurteilt das Landgericht Aachen am Freitag zu Haftstrafen von bis zu drei Jahren und drei Monaten, das Gesetz lässt maximal zehn Jahre zu. Nur drei müssen ihre Strafe auch tatsächlich absitzen: Bei der Tat waren sie vorbestraft und standen unter Bewährung. Juristischer Schlussakkord eines Racheaktes „aus falsch verstandener Ehre“, wie der Vorsitzende Richter Norbert Gatzke es ausdrückte.

Ein Freund der Gruppe war Tage vorher mit zwei Männern einer libanesischer Gruppe in Streit geraten und hatte den kürzeren gezogen. Diese Ehrverletzung sollte gerächt werden. Mit zum Teil 60 Leuten machte die türkischstämmige Gruppe am Tag „Jagd“ auf die beiden und suchten sie, wie der Richter schilderte und bekamen dann schließlich den Tipp mit dem Fußballspiel, wo die beiden auf dem Platz stehen sollten.

„Es war beliebig, wer wen attackierte“, sagt der Richter, der einzelne brutale Szenen skizziert, die das Gericht mühsam rekonstruiert hat: Die Angreifer schlagen Spieler und Zuschauer nieder, treten und schlagen selbst noch nach, als die Opfer am Boden liegen – selbst auf den Kopf.

Mit Baseballschlägern und Schlagring stürmten die Sieben laut Richter als Teil einer rund 20-köpfigen Horde den Platz.

Nach drei Minuten ist alles vorbei. Zurück bleiben zehn Verletzte, die sich mit Gehirnprellungen, schwierigen Knochenbrüchen, die später operiert werden müssen, und anderen Verletzungen ins Vereinsheim schleppen – darunter auch „ein Zuschauer, der zugucken wollte, wie sein Sohn Fußball spielt“, sagte Gatzke.

Die Ermittlungsarbeit – ein Puzzlespiel, wie Gatzke deutlich macht. Zentrale Beweismittel sind Videos aus der Spielfeldkamera am Sportplatz und ein Video, das ein zufällig privat anwesender Polizist mit seinem Handy gemacht hat – allerdings alles in schlechter Qualität. „Ohne Geständnisse wäre die Überführung weitaus schwieriger gewesen“, unterstreicht der Richter den Wert der Geständnisse.

Die Angeklagten hätten sich aufrichtig entschuldigt, Verantwortung übernommen und sich dem Verfahren gestellt, sagt der Richter. Die Männer hätten eine Chance auf Resozialisierung verdient. Für alle sieben Verurteilten hatte die Verteidigung Bewährungsstrafen gefordert. Ein Angeklagter wurde freigesprochen.

Die Einschätzung der Verteidigung, dass sich die Zuschauer nicht hätten einmischen müssen und selbst schuld seien, teilt der Richter nicht: „Ihnen gebührt Dank und Anerkennung für ihre Zivilcourage“, betont er. Aus seiner Sicht hat der Überfall nichts mit einem Kulturkampf zu tun, auch wenn der kulturelle Hintergrund eine Rolle spiele. Aber solche Auseinandersetzungen gebe es auch in deutschen Großfamilien. (dpa)