Von Tassen bis komplexen Skulpturen: Raerener Keramikmarkt zeigt Vielfalt



Von Klaus Schlupp

Ein größeres Kompliment kann eine Holländerin nicht machen: „Dit is echt gezellig hier“, bringt Ausstellerin Noortje Meijerink die Atmosphäre des Raerener Keramikmarktes auf den Punkt. Denn wenn ein Niederländer das eigentlich unübersetzbare Wort „gezellig“ benutzt, dann ist für ihn alles perfekt, denn es ist freundlich, gemütlich und gut organisiert. In ihrer Arbeit zeigt die Frau aus Oss in Nord-Brabant, dass Keramik keinesfalls klobig sein muss. Ihre Schalen sind sehr fein gearbeitet mit Vogelmotiven.

„Es gibt keinen Werkstoff, der sich derart vielseitig verarbeiten lässt wie Keramik“, meint dann auch Museumsleiter Ralph Mennicken. Mancher Keramiker zeichnet sich hier durch besondere Kreativität und Erfindungsgeist aus. Cotton Lucien hat eine eigene Methode entwickelt, schweren Ton zu verarbeiten, bei dem klassische Handarbeit unmöglich ist. Mit selbst gebauten Schlegeln und Walzen rückt er dem zähen Material zu Leibe und schafft so seine Skulpturen.

Während der Mann aus Wodecq bei Ellezelles im Hennegau großen Tonklumpen zu Leibe rückt, sitzen Pia (12) und Cheyenne (11) im Atelier, um unter Leitung von Museumspädagogin Melanie Keifens ihre eigenen Objekte zu schaffen. Cheyenne hat sich für eine „Wunderkugel“ entschieden, eine Kugel in einer Kugel. Pia gestaltet eine Schildkröte und eine Dose. Im Museumshof stehen die einzigen Amateure auf diesem Profimarkt. Im Umfeld des Museums hat es Töpferkurse für Menschen zwischen vier und achtzig Jahren gegeben, die sich an dem nicht immer einfachen Material versuchen wollten. Denn der Ton hat seine Tücken. Wenn er zu feucht oder zu trocken ist, wird es nichts, und massive Kugeln können im Brennofen explodieren, wenn sich die Lufteinschlüsse ausdehnen. Obwohl mancher der Teilnehmer noch nie getöpfert hat, sind schöne Sachen entstanden, die den Sprachkursen für Flüchtlinge des ÖSHZ zugute kommen.

Keramikarbeit kann pure Kunst sein, sie ist aber auch Kunsthandwerk. So stellt die einzige Raerenerin unter den Ausstellern, Ulrike Trommsdorff, hellblaue Schalen und Tassen her, die man problemlos zu einer guten Kaffeetafel benutzen kann. Sie achtet sehr darauf, nur Materialien zu verwenden, die auch lebensmittelecht sind. Ihre Stücke sind filigran gearbeitet und erinnern an alte Zeiten. Guido Zenke aus Kerken macht grellbunte Bauernschalen, aus denen das Müsli doppelt so gut schmeckt.

Während es sich mancher männliche Besucher nach dem Rundgang beim Bier im Café gemütlich macht, sind viele Frauen auf der Jagd nach Dingen, die das häusliche Umfeld schöner machen. Monika van Duyse aus Hasselt hat den Tipp von einer Freundin bekommen und genießt die Atmosphäre.

„Es gibt keinen Werkstoff, der sich derart vielseitig verarbeiten lässt wie Keramik“, meint Museumsleiter Ralph Mennicken.

Gerade betrachtet sie die witzigen Köpfe des Niederländerin Mia America aus Sittard. Besonders niederländische Künstler haben einen Drang zum Humor. Aber das ist kein Ausschließlichkeitsmerkmal, auch der Brite John Townsend hat in seinen Gegenständen feinen Witz eingebaut. Er baut die Bewegung in den eigentlich starren Ton ein. Seine Skulpturen, Schalen oder Teekannen, auf denen gerne einmal eine Maus sitzt, sind wellenförmig und bieten oft einen ungewohnten Blick. Nationale Tendenzen lassen sich eher nicht feststellen, da Keramik an sich eine derartige Bandbreite liefert, dass deren Herkunft nicht feststellbar ist.

Das Publikum ist genauso international wie die Aussteller, auf dem Markt herrscht babylonisches Sprachgewirr. Eine Flämin übersetzt einem Deutschen die Ausführungen von Cotton Lucien ins Niederländische, jeder findet seine Hilfe bei Sprachproblemen. Aber auch Einheimische sind zahlreich vertreten. „Wir haben eben den Ton im Bauch“, sagt Anne-Marie Wintgens aus Eynatten. Eine Stange, an der diverse Tonfiguren baumeln, ziert künftig ihren Garten.

Andere Aussteller sehen sich mehr als Künstler und machen Skulpturen und Figuren. An einer Ecke steht ein schwarzes Zelt. Dort haben sich die estnischen Künstler Ülle und Aare Sink-Freimann einen „Raum der Angst“ geschaffen. Kommt man aber näher heran, sieht man, dass die Fantasiewesen eigentlich recht freundlich schauen und die grimmigen „Augen an der Wand“ bloß bunte Knöpfe sind. In vielen Werken kommt auch überbordende Fantasie zum Ausdruck wie bei der Wettbewerbssiegerin Petra Wolf aus Brüggen. Bemerkenswert ist ihr „Sonnensieb“. Es ist eine Kugel mit vielen kleinen Löchern. Das Licht dringt ein und schafft so interessante Effekte. Sie liebt den Markt und vor allem den Ausblick auf Burg und Kuhweiden und den Austausch mit dem sehr neugierigen und interessierten Publikum. Der Markt in Raeren ist eben „gezellig“.