Rossel-Gruppe kauft Anteile der Küchenberg-Familie

Das Erinnerungsfoto nach der Unterschrift des Übernahmeakts: Eric Malrain (Finanzdirektor der Rossel-Gruppe), Bernard Marchant (CEO der Rossel-Gruppe), Ehrenverleger Alfred Küchenberg, Jean-Pierre Miranda (industrieller Direktor der Rossel-Gruppe), Eric Thommessen, Olivier Verdin (Geschäftsführender Direktor des Grenz-Echo), Ernst Thommessen (alleiniger Herausgeber), Adrian Küchenberg (v.l.). | Helmut Thönnissen



Zusammen mit Ernst Thommessen war Alfred Küchenberg im Jahr 1985 Teil der „ostbelgischen Lösung“, als man händeringend nach neuen Käufern für die seinerzeit gefährdete Zeitung suchte – und diese schließlich auch gefunden wurden. Im Alter von 72 Jahren zieht sich Alfred Küchenberg, der die Geschicke des Verlagshauses als Verleger und Teilhaber über drei Jahrzehnte lang geleitet und geprägt hatte, nun definitiv zurück.

Alfred Küchenberg:„Ich bin jetzt 72 Jahre alt und der Meinung, dass ich das Meine getan habe.“

„Ich bestätige, dass ich bis zum Ende des Jahres alle meine Mandate in den verschiedenen Firmen der Grenz-Echo-Gruppe niederlegen und mich zurückziehen werde, auch finanziell. Die Übertragung der Anteile hat inzwischen stattgefunden. Es wird niemand mehr aus meiner Familie im Verwaltungsrat sein, da unsere Söhne andere Wege gehen“, erklärt Alfred Küchenberg. „Ich bin jetzt 72 Jahre alt und der Meinung, dass ich das Meine getan habe. Es hat in unseren Augen keinen Sinn, halbherzig drin zu bleiben und dass wir gewissermaßen nicht mehr die Impulse geben können, die wir sonst geben möchten. Für jeden läuft die Zeit irgendwann einmal ab.“

Verwaltungsratspräsident Ernst Thommessen wird damit alleiniger Herausgeber, womit die regionale Verankerung über die Familie Thommessen – die auch weiterhin 25 Prozent der Anteile behält – gewährleistet bleibt. Er schätze die gewerbliche Verbundenheit der Brüsseler Partner von Rossel zum Grenz-Echo hoch ein, erklärt Ernst Thommessen: „Eine enge Verbundenheit, aus der längst auch eine glaubwürdige Verpflichtung erwachsen ist. Was mir persönlich Mut macht mit Blick auf die nicht unerheblichen medialen Herausforderungen der nahen Zukunft, deren zielstrebige und leserorientierte Gestaltung ich bei den aktuell Verantwortlichen im Verwaltungsrat wie in der Direktion in besten Händen weiß.“ Selbst wenn es absolute Garantien niemals gebe, habe die (jüngere) Vergangenheit dokumentiert, dass das Grenz-Echo in den Schwierigkeiten der verschiedenen Epochen immer auch sinnvolle Chancen gesehen habe, „die wir alle gemeinsam stets besonnen und beherzt genutzt haben. So soll es auch künftig sein“, blickt Ernst Thommessen voraus. 50 Prozent der Anteile gehörten bereits seit dem Jahr 1996 dem Unternehmen Rossel. Die Brüsseler Verlagsgruppe, die unter anderem die Tageszeitung „Le Soir“ herausgibt, erhöht ihre Beteiligung nun also auf 75 Prozent. Für Rossel-CEO Bernard Marchant war dieser Schritt mehr als einleuchtend: „Das Grenz-Echo gehört zur Rossel-Familie; es ist eine Zeitung, an der wir sehr hängen. Alfred Küchenberg wollte sich ganz zurückziehen, und da die Familie Thommessen nicht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte, war es logisch, dass wir die 25 Prozent der Familie Küchenberg übernommen haben“, erklärt er im GE-Interview.

Der Hauptgrund sei aber ein anderer: „Wir sind ein Presseverlag und glauben an unseren Beruf, den wir in Belgien und in Frankreich sehr zielbewusst ausüben. Hinzu kommt, dass Ihre Region eine starke Identität und die lokale Presse vor allem in einem Gebiet wie dem deutschsprachigen Landesteil eine Zukunft hat. Wir haben nicht den Bruchteil einer Sekunde gezögert, die Anteile zu übernehmen.“ Ein spezifisches Interesse am deutschsprachigen Gebiet Belgiens habe die Rossel-Gruppe, die fast nur frankofone Zeitungen führt, nicht, so Bernard Marchant.

Bernard Marchant: „Das Grenz-Echo richtet sich an eine Leserschaft, die ihre Eigenheiten hat und nicht einmal homogen ist. Das kann man nicht aus der Distanz managen.“

„In anderssprachigen Gebieten arbeiten wir mit einem lokalen Partner, der die Region kennt. Als Alfred Küchenberg seinen Weggang ankündigte, war uns daran gelegen, mit der Familie Thommessen weiter zu machen. Unsere Aufgabe als Gruppe ist es, klassische Medien der geschriebenen Presse in moderne, digitale Multimedia umzuwandeln. Das ist die DNA von Rossel. Diese Arbeit ist im deutschsprachigen Landesteil nicht anders als im frankofonen.“ Die örtliche Nähe sei überall wichtig, fügt er hinzu: „Man redet heutzutage viel über soziale Netzwerke; auch wir sind ein soziales Medium. Und das Grenz-Echo erst recht: Es richtet sich an eine Leserschaft, die ihre Eigenheiten hat und nicht einmal homogen ist. Das kann man nicht aus der Distanz managen.“ Ziel sei es in den anstehenden Jahren, das Durchschnittsalter zu senken. Umstrukturierungen, die oftmals mit Betriebsübernahmen einhergehen, seien nun nicht zu erwarten. „In großen Unternehmen sind manchmal Umstrukturierungen nötig. Aber das Grenz-Echo ist keine große Struktur. Es sind einzig ein paar Anpassungen erforderlich, und die sind eher qualitativer denn quantitativer Art“, so Bernard Marchant.

Die Zusammenarbeit mit Rossel bezeichnet Olivier Verdin, der Geschäftsführende Direktor des Grenz-Echo, als „Teamwork“, „das uns seither zahlreiche Türen geöffnet hat und mit Sicherheit weiterhin öffnen wird“. Ungeachtet der räumlichen Distanz hätten die Partner aus Brüssel in den letzten 20 Jahren „eine hohe Sensibilität für die regionalen Interessen und den Stellenwert einer Tageszeitung am Standort Ostbelgien“ gezeigt. Grundsätzlich würden bereits seit geraumer Zeit Anstrengungen unternommen, um die Marktposition des GrenzEcho als regionales Medium in Ostbelgien weiter zu stärken und neu auszurichten.