„Klatsch und Tratsch“ im Café Haeserhof

Immer wieder mittwochs: Wenn in der Unterstadt Wochenmarkt ist, trifft sich die „Grosch-Clique“, wie die Damen sich selber nennen, im Café Häserhof in der Haasstraße. | Cynthia Lemaire



Der Mittwoch ist nicht zufällig gewählt, denn mittwochs ist in der Unterstadt Markttag. Dass neben der Oberstadt auch der untere Teil der Stadt seinen Markt hat, ist für viele Anwohner eine der besten Initiativen der letzten Jahrzehnte. Zumal es seit einiger Zeit keine Metzgerei mehr in der Unterstadt gibt, sind die Bürger für die Einkaufsmöglichkeit am Mittwochmorgen dankbar.

Über den „Umzug“ des Marktes vom Parkplatz an der Frankendelle zum Platz vor der ehemaligen Grundschule lässt sich allerdings streiten. „Dadurch sind bestimmt viele Laufkunden, die an der Frankendelle vorbeifuhren und schnell anhielten, wenn Markt war, verloren gegangen“, glaubt Liane Hennes. Das Schild, das auf den neuen Standort des Marktes hinweist, ist in den Augen der Unterstädterin nicht sichtbar genug. Liane Hennes ist Teil der „Grosch-Clique“, die sich jeden Mittwoch im Café Haeserhof trifft.

Der Temsepark ist für viele Unterstädter ein Highlight.

Die meisten der neun Damen kommen dann direkt vom Markt. Bei Café und Saft wird „geklatscht und getratscht“. Die Unterstadt sei wie eine große Familie, wo jeder jeden kenne – da ist sich die Runde einig. „Bei uns am Selterschlag haben wir eine tolle Nachbarschaft, es ist wie ein kleines Dörfchen“, erzählt Christel Dedericks.

Liane Hennes wohnt seit zwei Jahren in der Oberstadt, weil dies praktischer sei. Aber die Vorzüge der Unterstadt weiß sie noch immer zu schätzen. Die Nähe zum Wald, der schön gestaltete Temsepark und das malerische Ufer der Weser am Selterschlag hinter dem Restaurant Visé sind die Highlights. Doch bei dem Thema Einkaufsmöglichkeiten, sind die „Damen beim Grosch“ nicht so enthusiastisch. Da fehle es eindeutig an Geschäften. Als das Neubauprojekt „die Hertogenwaldgärten“ am Selterschlag 2012 konkret wurde, hatten viele die Hoffnung, im Erdgeschoss würde ein Supermarkt eröffnen. Dem war nicht so. „In der Unterstadt fehlt eindeutig ein Supermarkt“, sagt Irene Kalf. „Ein Delhaize oder noch besser, ein Aldi“, schlägt sie vor. Denn immer zur Oberstadt fahren für die Einkäufe sei für ältere Bewohner der Unterstadt mühselig. „Vor allem dann, wenn man voll bepackt an der Bergstraße steht und der Bus nicht kommt“, bemerkt eine Dame aus der Runde. Ein großes Fragezeichen, was die Zukunft der Unterstadt angeht, hängt über dem ehemaligen Scheiblerplatz, wo seit letzter Woche die Abrissarbeiten der alten Schule laufen. „Hoffentlich wird hier ein flexibel nutzbarer Platz gestaltet und nicht ein Platz, wo alle paar Meter ein Poller steht“, gibt Christel Dedericks zu bedenken.

Auch bei den Männern wird getratscht, was das Zeug hält.

Während die Frauen in ihrer Ecke zusammensitzen, füllt sich in der anderen Ecke der Männerstammtisch. Die Urgesteine Leo Brüll, Hans Wertz, Manfred Kuckart und Co. tauschen über Todesfälle, Fußball und das Leben in der Unterstadt aus. Hier geht es etwas ruppiger zu, und es fällt auch mal der „LMAA“-Satz. Doch der Charme des „Opener Platt“ überwiegt. „Die Unterstadt ist meine Heimat, hier ist es familiärer als in der Oberstadt“, sagt Hans Wertz. Während man heute nicht mehr sieht, wer Ober- oder Unterstädter ist, gab es früher – neben der etwas schickeren Kleidung der Oberstädter – ein eindeutiges Indiz: Wer schwimmen konnte, kam aus der Unterstadt. „Wir hatten hier die Soer, die Hill und das Wetzlarbad, das gab es oben nicht“, so Hans Wertz. Ein wenig stiefkindlich behandelt werde die Unterstadt schon. „Wann lassen sich die Stadtverantwortlichen denn mal hier blicken?“, fragen die Männer. „Höchstens mal zur Kirmeseröffnung, aber da sind sie auch nicht in den letzten drei Kneipen hier unterwegs.“ Moniert wird auch, dass viele Aktivitäten (Trödelmarkt, Kirmes, Haaste Töne) von der Haasstraße weg Richtung Scheiblerplatz verlegt werden. „Die Cafés hier profitieren in keiner Weise davon, wenn in der Unterstadt etwas los ist“, bedauern sie.

Auch die Frage nach der Entwicklung des Hotel Bosten unter neuer Führung beschäftigt die Mitglieder des Stammtisches. Vielleicht haben sie am Sonntag die Gelegenheit, Wing He die Frage selber zu stellen. Dann nämlich macht die GrenzEcho-Lokalrunde im Hotel Bosten Station.

Die Gesprächspartner der GrenzEcho-Redakteure Cynthia Lemaire und Jürgen Heck sind Susanne Visé von der VoG „Die Unterstadt, ein starkes Viertel“, Sportbund-Präsident Walter Schneider, der aus Tschetschenien stammende „neue Unterstädter“ Issa Gamboulatov und Jugendarbeiter Fabrice Baumgarten. Um 11 Uhr geht es los. Nach einer zwanglosen Diskussionsrunde, zu der alle Interessierten eingeladen sind, klingt der Morgen bei einer Lokalrunde aus.