Geschichten aus dem Wohnzimmer: "Zwischen Tür und Angel" startet in die nächste Runde



Sie besuchen so viele unterschiedliche Menschen: nicht nur Ostbelgier, sondern auch Menschen, die schon sehr lange hier leben. Allesamt haben sie viel zu erzählen. Sie scheinen ein Händchen dafür zu haben, das Spannende herauszukitzeln.

Grundsätzlich sind die Meisten erst mal skeptisch, weil sie denken, sie hätten nichts zu erzählen. Das stimmt nicht. Jeder Mensch ist doch super interessant. Man muss sich nur etwas Zeit nehmen und die richtigen Themen anschneiden.

Welche Themen sind das? Und vor allem: Wie bricht man das Eis?

Ich versuche immer, eine Verbindung zu finden. Das können Leidenschaften oder auch gemeinsame Bekannte sein. Es gibt immer einen Anknüpfungspunkt. Oft ist es auch die Frage, wie ich auf die Leute aufmerksam geworden bin. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, einmal kein Gesprächsthema gefunden zu haben. Das ist ja auch das Wesentliche dieser Serie: dass man Menschen kennenlernt, indem man miteinander ins Gespräch kommt.

…ohne dabei zu wissen, in welche Richtung sich ein Gespräch entwickelt.

Richtig. Alles beginnt am Küchen- oder Wohnzimmertisch. Wir trinken gemeinsam eine Tasse Kaffee und quatschen. Ich erzähle von mir, der andere von sich. Ich habe keinen Fragenkatalog vorbereitet. Es ist ein Gespräch, wie man es mit jemanden führt, den man in einer Kneipe oder beim Wandern kennenlernt. Das macht auch den Charme der Serie aus: Ich weiß vorher nie, wohin die Reise geht. Erst im Laufe der Gespräche ergeben sich dann die Themen, auf die ich später einen Akzent legen werde.

„Das macht den Charme der Serie aus: Ich weiß vorher nie, wohin die Reise geht.“

Sie filmen nicht nur, Sie schneiden das Material anschließend auch. Wie gehen Sie dabei vor?

Mein Ziel ist es, in dem Film das Gefühl rüberzubringen, das ich bei meinem Besuch empfunden habe. Dazu muss ich das mehrstündige Interviewmaterial zunächst sichten und dann das Relevanteste herausfiltern. Das ist eine schwierige Aufgabe, dafür brauche ich unheimlich viel Zeit. Wenn ich dann einmal eine Auswahl getroffen habe, ordne ich die Szenen so an, dass sie eine Gesamtdramaturgie ergeben. Ich erzähle ja eine kondensierte Geschichte. Eine, die in dieser chronologischen Abfolge gewiss nicht stattgefunden hat. Ich muss die Übergänge so gestalten, dass am Ende ein Film dabei herauskommt, der für den Zuschauer nachvollziehbar ist, ohne zu verfälschen.

Mehrere Stunden Interviewmaterial – das hört sich nicht nach einem Treffen „zwischen Tür und Angel“ an.

Nein, ganz im Gegenteil. Der fertige Film ist nur etwa fünf bis sechs Minuten lang, aber der Zuschauer merkt direkt, dass da jemand sehr viel Zeit investiert hat. So ist es auch – ich nehme mir richtig viel Zeit. Ich verbringe mindestens einen ganzen Tag mit den Protagonisten. Oft fahre ich sogar noch ein zweites Mal hin. Es ist in der Tat mehr als ein Treffen „zwischen Tür und Angel“.

Nicht nur die Menschen spielen bei „Zwischen Tür und Angel“ eine Rolle, sondern auch die Häuser, in denen sie leben. So war es zumindest bisher. Ändert sich das mit dieser Staffel?

Es sind immer die Menschen, die im Fokus stehen. Ihr Leben, ihre Hobbys. Aber auch, wie sie wohnen. Deswegen spielt eben auch das Haus eine Rolle. Ich möchte sehen, inwiefern das Haus die Menschen beeinflusst hat, und umgekehrt. Ich habe zum Beispiel den Eupener Organisten Serge Schoonbroodt besucht. Er wohnt mit seinem Ehemann in einem alten Herrenhaus in Lüttich. Als die beiden das Haus gekauft haben, war es heruntergekommen. Sie haben es aufwendig restauriert und betreiben heute dort ein angesagtes B&B. Die Zimmer sind geschmackvoll und individuell eingerichtet. Verschiedene Stile werden miteinander vermischt, zum Beispiel moderner Purismus und klassische Eleganz. Es ist ein Ort zum Wohlfühlen. Die Gäste kommen von weither. Die beiden empfangen sozusagen die Welt im eigenen Haus.

Ganz anders als zum Beispiel in der Folge mit Dany Hilgers, der in Kettenis in einem Biosolarhaus wohnt.

Ja, das ist auch der Beitrag der Serie, der am meisten gesehen wurde und auch periodisch immer wieder mal angeklickt wird. Er wurde mittlerweile über 13.500 Mal angesehen.

Wie sind Sie überhaupt auf Dany Hilgers gekommen?

Das Haus in Kettenis ist mir im Vorbeifahren aufgefallen. Es hat mich neugierig gemacht. Ich habe dann einfach an der Türe geklingelt. Es machte aber niemand auf. Ich bin später noch mal hingefahren. Diesmal machte mir jemand auf – es war Dany Hilgers, den ich schon seit Jahren kenne. Er hat mich direkt hereingebeten. Wir haben uns bestimmt eine halbe Stunde unterhalten, dann fragte er mich erst, warum ich eigentlich hier sei. Dann habe ich ihm erst erklärt, dass ich die Idee habe, eine kleine Folge mit ihm zu drehen. Das war sehr lustig.

„Manches gehört einfach nicht in die Öffentlichkeit.“

Wie werden Sie auf Ihre Protagonisten aufmerksam?

Meistens ist es so, dass ich ein Haus sehe, das mich interessiert. Ich möchte wissen, wer darin wohnt, wie es sich in diesem Haus lebt. Manchmal ist es auch die Person, die mich neugierig macht. Von der ich weiß, dass sie eine schöne Geschichte zu erzählen hat. Auf Tanja Mosblech, die in der neuen Staffel zu sehen ist, bin ich zum Beispiel gekommen, weil sie immer die Beiträge von „Zwischen Tür und Angel“ bei Facebook geliked hat. Ich hatte mich vorher zwar noch nie mit ihr unterhalten, aber ich wusste, dass sie Künstlerin ist. Ich habe sie angeschrieben und sie war direkt begeistert. Es sei ihr eine große Ehre, hat sie gesagt. Oder die Direktorin vom St.Vither Krankenhaus, Ingrid Mertes, die auch in der neuen Staffel zu sehen ist. Ich kannte sie vorher nicht, ich wusste nur, dass sie ihrem Mann im Stall hilft. Das ist ja schon ein tolles Bild: eine Krankenhaus-Direktorin, die morgens noch die Kühe versorgt. Sie ist ein großer Bewunderer der Serie und war auch direkt einverstanden. Mittlerweile ist es so, dass ich damit offene Türen einrenne.

Also ist es einfacher geworden, die Menschen zum Mitmachen zu bewegen?

Ja, natürlich. Wenn jemand die Serie nicht kennt, was selten vorkommt, kann er sich einfach ein paar Folgen ansehen und sich selber davon überzeugen. Gerade für die erste Staffel war es nicht so evident, Leute zu überzeugen. Und es haben auch einige wenige abgesagt. Menschen, die ich gerne mal besucht hätte.

Es gehört ja auch eine ganze Portion Mut dazu.

Ja, und ich bewundere das auch, wenn sich jemand traut, sich vor der Kamera so zu öffnen. Aber die Leute merken, dass sie mir vertrauen können. Ein hohes Maß an Respekt ist mir sehr wichtig. Wir sprechen über sehr private Dinge, manches gehört einfach nicht in die Öffentlichkeit. Ich würde es nicht zulassen, dass Szenen, in denen eine Person zu Unrecht unvorteilhaft rüberkommt, gezeigt werden. Oder wenn ich den Eindruck habe, dass sich eine Person mit ihrer Ehrlichkeit schaden könnte.

Was ist der Unterschied zwischen einer Webdoku und Ihren sonstigen Filmen bei Paperplane Productions?

Wir produzieren vor allem Filme für Unternehmen: Werbespots, Imagefilme und auch Erklärfilme. Hier gilt es, komplexe Inhalte in kurzer Zeit auf den Punkt zu bringen. Das ist immer ziel- und lösungsorientiert. Eine Doku ist absichtsloser, sie lässt viel Raum für Zeit und Unvorhergesehenes.

Auf wen dürfen wir uns in der neuen Staffel „Zwischen Tür und Angel“ freuen?

Ganz groß war für mich das Treffen mit Alwine Deege – eine Frau, die viele Jahre in der Sterbebegleitung gearbeitet hat. Sie hat auch einen Chor gegründet, den „Fährfrauen“-Chor, der bei Begräbnissen singt. Diese Frau befasst sich mit den ganz schweren Dingen des Lebens. Trotzdem versprüht sie eine unglaubliche Lebensfreude. Dann habe ich noch Georg Feltes aus Oudler besucht. Er ist Anzeigenverkäufer, aber auch professioneller Tonmischer. Er hat sogar schon mit den Scorpions zusammengearbeitet und kann tolle Geschichten aus dieser Zeit erzählen. Man hängt an seinen Lippen. Er wird in der ersten Folge der neuen Staffel zu sehen sein.

Zu guter Letzt: Mit wem würden Sie sich gerne mal auf eine Tasse Kaffee treffen?

Mit einer Nonne. Vielleicht ist eine dabei, die das hier liest, dann habe ich es einfacher.

Die neue Staffel „Zwischen Tür und Angel“ startet an diesem Mittwoch mit Georg Feltes aus Ouren, der als professioneller Tonmischer mit Größen der Musikgeschichte zusammengearbeitet hat. In den darauffolgenden Folgen sehen Sie:

– 19. Oktober: Alwine Deege aus Kelmis, die sich viele Jahre in der Sterbebegleitung engagierte.

– 2. November: Ingrid Mertes, geschäftsführende Direktorin der St.Josef-Klinik in St.Vith.

– 16. November: Organist Serge Schoonbrodt aus Eupen, der mit seinem Ehemann in Lüttich lebt.

– 30. November: Künstlerin Tanja Mosblech, die sich in Kettenis den Traum von einem alten Bauernhaus erfüllt hat.