Mobilität ist in Eupen Streitthema Nummer eins



„Als ich das erste Mal mit dem Auto vor einem dieser Pflanzenkübel stand, war ich doch sehr erstaunt“, gestand Benjamin Fleig. Der Galerist aus Nispert war einer der vier Gesprächspartner, die das Moderatorenteam Jürgen Heck und André Frédéric auf die Bühne des neuen Eupener Kulturzentrums gebeten hatte. Aber Fleig schob gleich hinterher: „Mittlerweile bin ich ein Fan von ihnen geworden. Denn sie zwingen alle Autofahrer in die Defensive. Und damit erfüllen sie ihren Zweck.“ Geschäftsfrau Pia Fock sah das ähnlich: „Ich bin zufrieden mit der derzeitigen Situation. Zu verbessern gibt es aber natürlich immer etwas.“ Und zu den Dingen, die als verbesserungswürdig eingestuft wurden, zählt sie nicht zuletzt die Fahrradwege in der Stadt. „Es gibt immer mehr Fahrradfahrer in Eupen, aber die Wege sind größtenteils nicht sicher“, urteilte auch Gesprächspartner Yanaël Pommée. Heinz Koch, ehemaliger Schulleiter und Mitgründer des FC Eupen, diagnostizierte beim Thema Mobilität eine lang bekannte Eupener Volkskrankheit. „Wenn etwas gemacht wird, dann wird es in Eupen schnell zerredet. Um eine Sache nach vorne zu bringen, sind aber alle Bürger gefordert, nicht nur die Politiker“, ist der 73-Jährige überzeugt.

Oberstädter Verkehrsnetz präsentiert sich nicht radfahrerfreundlich.

Gespalten zeigte sich indes das Publikum. In Eupen sei man gehfaul, wolle am liebsten bis an die Geschäfte ranfahren. „Keiner will auch nur fünf Minuten zu Fuß gehen“, hieß es unter anderem. Andere wollen die Eupener zu ihrem Glück zwingen, indem eine Fußgängerzone zeitlich begrenzt funktionieren sollte.

Dabei wurde am Sonntag einmal mehr deutlich: Die Mobilität ist eng verzahnt mit dem Zustand der Geschäftswelt und dem Einkaufsverhalten. Heinz Koch outete sich dabei selber als gehfaul. Was ihn stört, sind die ständigen Vergleiche mit Städten wie Aachen, Lüttich oder Maastricht. „Wir sind anders, das sollte man akzeptieren. Wir sind keine Stadt, sondern ein großes Dorf“, findet er.

Dass das Ansehen der Eupener Geschäftsleute gelitten hat, verdeutlicht nicht zuletzt die Telefonumfrage, die das GrenzEcho im Vorfeld der LokalRunde durchführen ließ. Dort hieß es, die hiesigen Geschäftsleute würden sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, seien mitunter unfreundlich und unflexibel. Eine Einschätzung, die Pia Fock nicht unkommentiert im Raum stehen lassen wollte: „Das sind Aussagen, die es immer schon gegeben hat. Das ist nicht neu“, antwortete sie. Dem hielt sie das Lob entgegen, das viele auswärtige Kunden bekunden würden. Ihr Standpunkt: Eupen ist schön, man muss nur mal mit offenen Augen durch die Stadt laufen.

Manch einer im Publikum sah das deutlich anders. „Wir reden hier über shoppen, dabei kann man in Eupen noch nicht mal mehr richtig frühschoppen“, kritisierte beispielsweise Willy Bosch. Auf einem guten Weg sah derweil Schöffe Arthur Genten (Ecolo) die Belebung der Innenstadt. „Wir versuchen, Vermieter und Mieter zusammenzubringen. Das machen wir still und heimlich, ganz ohne große Presse“, erklärte er in Bezug auf den innerstädtischen Leerstand.

Gegen eine Schwarz-Weiß-Malerei wehrte sich indes auch Geschäftsinhaberin Pia Fock: „Man kann durch die Stadt gehen und sagen: ‚Hier ist ein Geschäft leer, dort ist ein Geschäft leer‘. Man kann aber auch feststellen, wie schon die Paveestraße geworden ist. Dort steht kein Geschäft leer.“ Wenn im Stadtzentrum etwas fehle, dann sei dies Farbe, Licht und mehr Spielmöglichkeiten für Kinder.

Gehfaule Eupener: „Keiner will auch nur fünf Minuten zu Fuß gehen.“

Letzteres ist sicherlich auch eine Frage der Lebensqualität, die alle Podiumsteilnehmer durchweg als hoch einstuften. „Ich fühle mich in Eupen wohl und sicher“, betonte Benjamin Fleig, der 2001 der Arbeit und vor allem der Liebe wegen nach Ostbelgien gezogen ist. Von der derzeitigen Diskussion um Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen hält er nichts. Daran änderte auch der Einwurf von Bürgermeister Karl-Heinz Klinkenberg (PFF) nichts, Videoüberwachung sei als eine präventive Maßnahme angedacht und solle der Abschreckung dienen – vor allem in Sachen Vandalismus. Dafür erhielt das Stadtoberhaupt aus den Reihen des Publikums, am Sonntag etwa 200 Personen an der Zahl, Zustimmung. Benjamin Fleig aber überzeugte er damit keineswegs: „Videoüberwachung ist sicherlich die einfachste und bequemste Lösung. Vor allem aber fördert sie das Denunziantentum.“

Auf einen gemeinsamen Nenner kamen Politiker, Gesprächspartner und Zuhörer am Sonntag damit unter dem Strich nicht. Weder in der ersten Fragerunde, noch im zweiten Block, als aus dem Publikum heraus „Klassiker“ wie Herbesthaler Straße, Verkehrssicherheit auf dem Werthplatz und Begegnungszone angesprochen wurden. Gleichwohl erhielt jeder Besucher der LokalRunde ein Gespür dafür, was in der Oberstadt bereits auf den Weg gebracht wurde und welche Baustellen sich auftun – mögen sie mitunter auch noch so klein sein.

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