100 Schüler schnuppern in den Redaktionsalltag hinein

Chris Maus und seine Mitschüler haben heute einen straffen Zeitplan. Texte müssen redigiert, letzte Interviews geführt und noch fehlendes Bildmaterial beschafft werden. Als Chefredakteur trägt der 17-jährige Schüler der Bischöflichen Schule St.Vith die Verantwortung für vier Zeitungsseiten, die morgen im GrenzEcho erscheinen.

Was im Laufe des Tages auf ihn zukommen wird, kann der Maldinger nur erahnen. Am Ende wird es jedenfalls auf sein Organisationsgeschick ankommen. Als Chefredakteur für einen Tag koordiniert Chris Maus unter anderem die Arbeit seiner Mitschüler, die heute in die Rolle von Zeitungsjournalisten schlüpfen.

In wochenlanger Vorbereitung hat das 22-köpfige Redaktionsteam recherchiert, Interviews geführt und alle Informationen zu Artikeln verarbeitet. Die Themen haben die Schüler selber gesetzt. Relevant ist vor allem, was eine große Leserschaft interessieren könnte: der Windpark zwischen Honsfeld und Hepscheid, der Videobeweis im Fußball, Umweltschutz, Senioren und Technik.

„In die Zeitung schaffen es am Ende nur die besten Artikel“, erklärt Chris Maus schon ganz wie ein Profi. Welche das sind, liegt im Ermessen des Chefredakteurs und könnte Chris Maus einige unpopuläre Entscheidungen abverlangen. Das mag unangenehm sein, gehört zum Job aber dazu. Seine Mitschüler werden es ihm wahrscheinlich nicht verübeln, schließlich haben sie ihn einstimmig zum Chefredakteur gewählt. Daher geht der 17-Jährige zwar entspannt, aber mit der nötigen Professionalität an die Sache heran. Seine Sorge ist, in Zeitnot zu geraten. Was bei Redaktionsschluss nicht wasserdicht ist, kann am nächsten Tag nicht in der Zeitung erscheinen. „Alle Texte sind zwar soweit fertig“, erklärt Chris Maus. „Aber der Feinschliff ist nicht zu unterschätzen.“ Schließlich haben die meisten bislang noch nie einen Zeitungsbericht geschrieben, geschweige denn einen Kommentar oder eine Reportage. Aber wie heißt es so schön: Probieren geht über Studieren.

Im Rahmen des Projekts „Journalist für einen Tag“, kurz J1T, produzieren Schüler der 5. und 6. Sekundarschulklassen eine Woche lang im täglichen Wechsel der Schulen journalistische Beiträge für Hörfunk, Fernsehen, Tageszeitung und für die projekteigene Homepage. Unterstützt werden sie dabei von GrenzEcho- und BRF-Journalisten.

Im GrenzEcho erscheinen in dieser Woche von Dienstag bis Samstag täglich vier Seiten, die von der jeweiligen Schule am Vortag thematisch geplant, geschrieben und gestaltet worden sind. Den Anfang macht heute die Bischöfliche Schule St.Vith. Es folgen das Robert-Schuman-Institut Eupen, die Pater-Damian-Sekundarschule Eupen, das Bischöfliche Institut Büllingen und das Königliche Athenäum Eupen.

Das Projekt besteht in seiner jetzigen Form seit 2010. Bis heute haben rund 950 Schüler im Rahmen von „Journalist für einen Tag“ Zeitung, Fernsehen und Radio gemacht. Einer von ihnen ist der Eupener Mike Notermans. Der 25-Jährige hat vor fünf Jahren an „Journalist für einen Tag“ teilgenommen und anschließend in seiner Freizeit Artikel als freier Mitarbeiter geschrieben. „Es war zeitaufwendig und reich bin ich damit auch nicht geworden“, lacht er, „aber es war der erste Schritt in die richtige Richtung. Man kann noch so viele Bücher über Journalismus lesen, am Ende lernt man nur in der Praxis, worauf es wirklich ankommt“. Dass er drangeblieben ist, hat sich schließlich ausgezahlt. Heute ist der 25-Jährige fester Bestandteil der GrenzEcho-Sportredaktion. „Wäre das Projekt nicht gewesen, würde ich heute wahrscheinlich etwas ganz anderes machen“, vermutet er. „Das war für mich der Auslöser, diese Richtung einzuschlagen.“ Er habe zwar „immer schon gerne geschrieben“, doch der Spaß am Schreiben alleine reiche nicht aus, um in dem Job zu bestehen. „Man muss auch ein Gefühl für Sprache haben, neugierig und stressresistent sein.“ Und vor allem müsse man mit Kritik umgehen können – oder es zumindest mit der Zeit lernen. Wichtig sei auch, Themen möglichst neutral von allen Seiten zu beleuchten und komplizierte Sachverhalte verständlich zu formulieren. Informationen müssen fundiert sein, Quellen genannt werden. „Außerdem müssen Zeitungsredakteure heutzutage auch offen für andere Medien sein, zum Beispiel Filme und Live-Videos drehen.“

Ob Chris und seine Mitschüler diese Eigenschaften mitbringen, und ob sie für den Job gemacht sind, wird sich am Ende des Tages zeigen. Oder in ein paar Jahren.