„Ne kölsche Jung“ mit Eifeler Hätz



Kalenberg, um die Mittagszeit. Man kommt nicht zufällig in die ehemalige Bergarbeiter-Siedlung, sondern muss bewusst von der Bundesstraße in den 400-Seelen-Ort abbiegen, dementsprechend ruhig ist es im Dorf. Keine Kneipe, kein Bäcker, kein Dorfplatz. Auf der Straße kein Mensch, nur Stephan Brings, der uns freundlich begrüßt und in seine gemütliche Küche führt. Noch schnell eine SMS wegen der „Arsch huh“-Aktion, die in Köln am 22. April ein deutliches Zeichen setzen möchte, dass der AFD-Parteitag in der Stadt nicht erwünscht ist, dann ist er ganz da. Ist er auch wirklich – wer hier lebt und kein Autofahrer ist, muss sich selbst genug sein – oder sehr fit wie Stephan Brings.

„Gestern, mit dem Wind, war es super. Ich habe gar nichts gemacht und bin trotzdem 28km/h gefahren“, erzählt er von seiner Fahrradfahrt zur Probe nach Köln. Seit er und seine Frau Birgit regelmäßig die Altbauwohnung in Köln-Nippes gegen das Fachwerkhaus in Mechernich-Kalenberg tauschen – sieben Jahre jetzt – setzt er sich oft aufs Rad, um die 58 km in seine Heimatstadt zurückzulegen. „Wenn ich ankomme, ist oft ein Lied fertig“, lacht er. Aber dazu später mehr.

Das Bergische Land auf der anderen Seite von Köln ist für ihn nicht dasselbe.

Zwei Dinge haben für Kalenberg gesprochen, als Stephan und Birgit Brings sich vor Jahren dafür entschieden haben, einen Teil ihres Lebens außerhalb der Stadt zu verbringen: Zum einen war es die Zugverbindung nach Köln, zum anderen das kleine Fachwerkhaus mit großem Garten, von dem „meine Frau sofort wusste, dass es das ist“.

Eigentlich war es Stephan Brings, der seine Frau „so‘n bisschen mitgezogen hat“ bei dem Plan, zeitweise in der Eifel zu leben. „Ich war als Kind viel hier, mit dem Schulchor“, erzählt er. Auch mit dem Vater machten die Brings-Kinder oft Urlaub in der Region, später Stephan Brings mit seinen eigenen Kindern, die heute 23 und 20 Jahre alt sind. Nun hätte es den Musiker auf der Suche nach einer grünen Umgebung auch auf die andere Seite Kölns, in Bergische Land verschlagen können. „Das ist nicht dasselbe“, sagt er. Die Eifeler kann man gar nicht vergleichen mit den Leuten im Bergischen Land. Das ist was ganz anderes. Die Eifeler sind so wie die Kölner. Wenn du irgendwohin kommst, kommen die aus allen Löchern“, lacht er.

So war es auch in Kalenberg: Natürlich wusste schnell jeder im Ort, wie der neue Bewohner mit den braunen Locken einzuordnen ist, und dass er zu einer der bekanntesten Kölner Bands gehört. „Ja, es kommt schon mal jemand und fragt ein Autogramm oder so. Oder für Benefizveranstaltungen. Ich habe auch oben im Saal einen Abend zum Mitsingen gemacht, da sind viele ältere Leute gekommen“, erzählt Stephan Brings. „Man muss sich schon beteiligen“, sagt er – das ist ihm wichtig. Und einige Nachbarn sind mittlerweile zu guten Freunden geworden.

In der Eifel hatte Brings stets viele treue Fans, das weiß die Band zu schätzen. Selbst in den Jahren, als es etwas ruhiger um Brings wurde – bei 25 Jahren Bandgeschichte ein normaler Prozess – waren die Säle in Mechernich, Gemünd, Kall und natürlich auch in Ostbelgien fast immer voll, wenn die fünf Musiker im Schottenrock sich ankündigten.

Gemein mit den Eifelern hat Brings natürlich den Dialekt, auch wenn zwischen dem Kölsch, das Stephan Brings als Kind in Ehrenfeld und Nippes auf der Straße gelernt hat, und dem Mechernicher Platt Welten liegen. Besonders die älteren Kalenberger, zu denen Stephan Brings sich mit „über fuffzig“ inzwischen auch schon fast zählt, sprechen alle Platt. Bei den Jüngeren sei es so eine Sache, wie auch in Köln. Vor allem die Musik, so sagt er, halte das Kölsch heute lebendig. „Ohne die ganzen kölschen Bands gäbe es die Sprache, glaube ich, gar nicht mehr.“

Apropos Musik: Ein Großteil der Musik von Brings entsteht auf dem Weg von Kalenberg nach Köln auf dem Fahrrad. Stephan Brings, sein Bruder Peter und Gitarrist Harry Alfter sind für neue Titel zuständig. Peter und Stephan Brings entwickeln den Song, Harry Alfter setzt mit seiner Erfahrung als Produzent den Akzent. Wo die Lieder herkommen? „Keine Ahnung, die sind einfach in mir drin“, sagt Stephan Brings – und wenn er so zwei, drei Stunden alleine auf dem Fahrrad sitzt, dann kommen sie raus. Die moderne Technik hat ihm dabei das Leben viel leichter gemacht, denn heute hält er kurz an, holt sein Handy raus und singt die Melodie ins Mikro. Früher hatte er immer ein paar Groschen in der Tasche und suchte sich eine Telefonzelle, um zu Hause anrufen: „Meistens ging dann einer dran. Ich hab dann gesagt, ‚Pass auf, leg mal auf’ und gewartet, bis der Anrufbeantworter anspringt. Die haben sich wahrscheinlich kaputt gelacht, wenn ich darauf gesungen habe“, ist ihm heute klar.

Heute gehen die Melodien direkt zu Peter Brings. „Ich schicke das direkt meinem Bruder und frage ‚Wie findest du das? Dann sagt der natürlich: ‚Driss‘“, lacht er. Dass es schon mal „ganz schön scheppert“ zwischen den Musikern, die teilweise seit 32 Jahren zusammen spielen, daraus macht er keinen Hehl. Und wenn man dann in einer langen Karnevalssession wie dieser Woche um Woche acht Stunden am Tag auf engstem Raum aufeinandergehangen hat, macht das die Sache nicht einfacher.

Privat läuft bei Stephan Brings übrigens fast nie Musik, höchstens mal WDR 4. Mit der oft sehr metaphorischen Sprache in der aktuellen Popmusik kann er nicht so viel anfangen. Lieber ist es ihm, wenn die Dinge direkt beim Namen genannt werden. So hat er es selbst auch bei seiner Liebeserklärung an die Eifel gehalten, 2010 zum 20-jährigen Bandjubiläum veröffentlicht: „Die Luff es sauber un d’r Himmel blau, die Köh sin jlöcklich un die Boore schlau. Die Bäum sin huh un et Jras es jrön, die Döchter vun dä Boore sin wunderschön. Winnich Wöder, ävver vill Jeföhl, bei jedem Feß üvver Bänk un Stöhl“ heißt die erste Strophe. „Das kann auch nur von dir kommen“, hat das Kölner Urgestein Karl-Heinz Pütz, der 2013 verstorbene Musikverleger und „Arsch huh“-Gründer, ihm am Telefon gesagt. Alle anderen Brings-Mitglieder leben in Köln bzw. Christian Blüm in Bonn.

Sogar im französischsprachigen Raum wird mitgesungen.

Eine Runde über die Terrasse, die für Stephan und Birgit Brings ihr zweites Wohnzimmer ist, am frühen Abend wird er – heute ausnahmsweise mit dem Zug, denn es ist nicht klar, wie das Wetter wird – in Richtung Köln fahren, um für die Tour zu proben, die am 31. März in Leverkusen beginnt und dann über St.Vith und zwei Heimspiele beim „Brauhausrock“ am Dom u.a. nach Oberhausen, Dortmund, Düsseldorf bis München, Stuttgart, Nürnberg usw. führen wird.

Fast 50 Termine stehen jetzt schon bis Ende des Jahres fest, dann kommt noch die neue Session hinzu. Wie es sein kann, dass in Belgien und neulich in Luxemburg auch französischsprachige Besucher die Texte mitsingen können, ist Stephan Brings ein Rätsel – nicht nur ihm. Auf St.Vith freuen die Musiker sich wieder einmal, und wissen zu schätzen, dass es – wie so oft in der Eifel – „kleine“Vereine sind, die als Veranstalter auftreten: Junggesellen-, Schützen, Karnevalsvereine oder wie am 1. April in St.Vith die Diddeldöppcher. „Es wird auf jeden Fall eine gute Party“, sagt Stephan Brings – und dazwischen gibt es ein paar ruhigere Klänge.