Ein Kölner Theaterstück über Heimat, aufgeführt in St.Vith - funktioniert das?


Worum geht es bei "Taksi to Istanbul"?

Wir, das sind Faris, Harun und ich, leben in Köln, hegen aber den Wunsch und die Sehnsucht, nach Istanbul zu reisen. Wir fragen uns im Stück: Was könnte auf der Reise passieren? Daraufhin stellen wir eine Fantasiereise nach. Meine Rolle beispielsweise möchte nach Istanbul reisen, weil ihr Opa dort begraben liegt. Sie will ihrem Opa sagen, dass, wenn sie stirbt, sie gerne in Deutschland begraben werden will. Mein Schauspielpartner spielt dann meinen Opa und so wird mir der Wunsch erfüllt. Zum Schluss kommen wir auch tatsächlich in Istanbul an, aber das merkt das Publikum nicht immer.

Woher stammt die Idee für das Stück?

Wir arbeiten mit dem Comedia Colonia Förderkreis e.V. zusammen und wollten gemeinsam ein Stück schreiben, das Kinder und Jugendliche in Köln anspricht. Was das Thema des Stückes ist, war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Es hätte auch Karneval Thema werden können. Also haben wir recherchiert. Wir – die Schauspieler, Theaterpädagogen, die Dramaturgin und der Regisseur – sind anfangs mit einem Auto, das wir als Taxi umfunktioniert haben, durch Köln getourt und haben verschiedene Menschen interviewt. Dabei hat sich schnell herausgestellt, dass es in Köln hauptsächlich um Heimat und Identifikation geht. Fragen, wie "Wer bin ich eigentlich?" und "Wo ist mein Zuhause?", tauchten häufig auf. Es gibt theoretisch auch keine wirkliche Handlung in dem Stück. Es geht vielmehr um eben dieses Thema.

Funktioniert das Stück dann überhaupt in St.Vith, wenn Köln ein Schwerpunkt ist?

Ja. Wir haben schon in verschiedenen Städten um die 100 Vorstellungen gespielt. Und überall kam es bei dem Publikum an. Nach der Vorstellung haben wir schon oft von jungen Zuschauern gehört: "Ich kenne das total! Morgens wache ich auf und weiß gar nicht, wer ich bin." Es ist spannend, wie die Kinder und Jugendliche darauf reagieren. Das Stück funktioniert an jedem Ort.

Die Premiere des Stückes war 11. Januar 2014. Seitdem ist die Flüchtlingskrise zu einem größeren Thema geworden. Hat sich das auch im Theater bemerkbar gemacht?

Ja, seitdem die Flüchtlingskrise ein akutes Thema in Europa ist, haben sich gerade die Nachgespräche geändert. Zum einen wollen die jungen Zuschauer, dass wir ihnen sagen, wie wir zu dem Stück stehen. Da merke ich: wenn ich meine Rolle spiele, habe ich auch eine Verantwortung. Es kommen mittlerweile auch mehr Erwachsene. Das war nicht immer so. Und ich werde öfter gefragt, ob ich mich als Türkin oder als Deutsche fühle. Zum anderen kommen vermehrt Menschen auf uns zu, die uns dankbar dafür sind, dass wir dieses Thema ansprechen und uns damit auseinander setzen. Lehrer sagen uns, dass sie lange versucht haben, ihren Schülern dieses Thema zu vermitteln, aber erst mit diesem Stück den Zugang zu ihnen schaffen konnten. Denn nach der Vorstellung reden die Schüler darüber.

Sie stammen aus der Türkei und sind mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Hat "Taksi to Istanbul" auch eine Wirkung auf Sie?

Während unserer Recherchearbeiten habe ich gemerkt, dass es auch andere Jugendliche gibt, die wie ich mit diesem Konflikt leben: Sie sehen aus wie Ausländer, fühlen sich aber wie Deutsche. Ich fühle mich auch wie eine Deutsche, Köln ist total meine Heimat. Ich spreche zwar türkisch und war schon ein paar mal in der Türkei, aber ich fühle mich dort nicht wohl.

Zur Person: 

Sibel Polat lebt seit ihrer Jugend in der Domstadt. Sie ging 2006 nach ihrem Abitur an die Schauspielschule in Köln, an der sie 2010 ihren Abschluss machte. Anschließend arbeitete sie zwei Jahre am Stadttheater Heidelberg. Ihr fehlte Köln, also zog sie wieder zurück, spielte zunächst viel in der Freien Szene, bevor sie dann bei Comedia Theater Köln anfing. Seitdem spielt sie Sibel in dem Stück "Taksi to Istanbul" und nebenher in zwei weiteren Produktionen.

arsVitha präsentiert "Taksi to Istanbul" am 17. März um 14 Uhr für Schulklassen (Infos und Tickets hier). Es besteht die Möglichkeit, kostenfrei eine pädagogische Vor- und/oder Nachbereitung des Theaterstückes in der Schule oder im Triangel anzufragen. Bei Interesse melden Sie sich bei Susanne Schrader (E-Mailadresse: susanne@agora-theater.net). Um 20 Uhr gibt es eine weitere, öffentliche Vorstellung.