Zentrum für Ostbelgische Geschichte soll Interesse der breiten Bevölkerung wecken

Das Archivbild vom 7. Mai 1919 zeigt den Sitzungssaal, wo der Text des Versailler Vertrags ausgearbeitet wurde. | dpa



Die Geschichtsarbeit wurde am Montagnachmittag im Parlamentsausschuss im Rahmen einer Interpellation von Alfons Velz an Ministerpräsident Oliver Paasch (beide ProDG) thematisiert. Das eingangs erwähnte Zentrum war im Jahr 2014 gegründet worden und soll die historische Forschungsarbeit in der DG fördern.

„Hierzu gehören alle Maßnahmen, die die Sicherung von Quellen aller Art unterstützen, die Aufarbeitung, Darstellung und Publikation (schriftlich, audiovisuell, digital oder jede andere Ausdrucksform), die Vermittlung von historischen Forschungsergebnissen, die Koordinierung der Geschichtsarbeit in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zwischen allen direkt und indirekt betroffenen Akteuren sowie die regionale, überregionale und internationale Zusammenarbeit mit anderen historischen und wissenschaftlichen Einrichtungen“, heißt es in den Statuten.

Die Geschichtsforschung in Ostbelgien erlebe seit rund 15 Jahren einen regelrechten Aufschwung, „den wir vor allem den dynamischen Geschichtsvereinen, den engagierten Regionalhistorikern und zahlreichen Ehrenamtlichen verdanken“, so Paasch.

Die Regierung bemühe sich, diese Dynamik zu unterstützen – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bildungswesens. „Es gibt nämlich viele Ereignisse und Entwicklungen, die für das deutsche Sprachgebiet in Belgien noch überhaupt nicht untersucht worden sind“, meinte Paasch.

„Ziel der Grundlagenforschung ist es, die Geschehnisse der Vergangenheit aufzudecken, Wahrheiten von unwahren Erzählungen abzugrenzen und die Geschichte unserer Region und der Menschen, die hier leben, intersubjektiv nachvollziehbar darzulegen.“ Die Geschichtsforschung werde nicht zum Selbstzweck betrieben, sondern gehe immer einher mit der Geschichtsvermittlung.

Oliver Paasch hob in diesem Zusammenhang die Vorzüge der Autonomie hervor, die längst nicht allen Menschen bekannt seien. Vielmehr werde all das für „normal und irgendwie auch selbstverständlich“ gehalten. „An sich ist diese gelebte Alltäglichkeit nicht verwerflich – im Gegenteil! Unser Ziel besteht ja gerade darin, den Rahmen dafür zu schaffen, dass die Menschen in Ostbelgien gut und gerne leben, dass Freiheit und Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden, dass Hindernisse, die den Menschen im Wege stehen, beseitigt werden.“ Dennoch sei es wichtig, die Vergangenheit zu kennen. „Wer nicht weiß, wie das Leben der Ostbelgier vor der Anerkennung der Sprachgemeinschaften und der Autonomieentwicklung der Deutschsprachigen Gemeinschaft aussah, der kann kaum beurteilen, warum der Einsatz für die Weiterentwicklung unserer Region so wichtig war und ist. Und wer nicht weiß, was dafür getan wurde, damit wir heute in weiten Teilen selbst entscheiden können, wie das Leben in Ostbelgien gestaltet wird, der wird kaum verstehen, dass es Tatkraft, Überzeugung und Ausdauer braucht, um die Entwicklungsmöglichkeiten einer Region zu erkennen und sie zu entfalten.“

Durch die Arbeit des neuen Geschichtszentrums soll die Historie auch für ein breites Publikum aufbereitet werden. Für eigene Projekte sowie für die notwendigen Personal- und laufenden Kosten erhält das Zentrum in diesem Jahr eine finanzielle Ausstattung von 138.000 Euro. Hinzu kommen punktuelle Zuschüsse. Das sei ausreichend, findet Paasch. Personell ausgestattet ist das Zentrum mit 2,5 Stellen (Vollzeitäquivalent). Damit sollen unter anderem folgende Projekte umgesetzt werden:

Band 4 „Grenzerfahrungen. Eine Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens“: Dieser Band wird voraussichtlich Ende 2018 erscheinen.

Filmische Zeitzeugensicherung: Die filmisch festgehaltenen Interviews dienen dem Aufbau eines audiovisuellen Gedächtnisses und seien damit ein wichtiges Element zur Geschichtsschreibung und -vermittlung. Die Vereinigung fertigt im Vertragszeitraum filmische Interviews von mindestens zehn Personen an. Zudem werden Einstiegsfilme zur Veröffentlichung geschnitten und aufbereitet.

Erfassung, Sicherung und Digitalisierung von Quellen: In diese Arbeit bezieht das ZOG Interessierte, zum Beispiel Vereinigungen und Museen, ein. Schwerpunktmäßig wird die Vereinigung selbst Bildbestände einpflegen.

Website: Das ZOG entwickelt derzeit eine neue Website, die im Herbst 2018 für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Die Pflege und der Ausbau der Webpräsenz werden fortan zu den Aufgaben des Zentrums gehören.

Ausstellungen: Die Vereinigung organisiert und bewirbt Ausstellungen, die mit Partnern aus Geschichtsforschung und -vermittlung zusammen konzipiert oder von anderen Institutionen ausgeliehen werden.

Das ZOG sei neben dem Parlament, dem Ministerium und dem Staatsarchiv an der Organisation eines Rahmenprogramms anlässlich der 100-jährigen Zugehörigkeit der ehemaligen preußischen Kreise Eupen-Malmedy und Neutral-Moresnet zu Belgien beteiligt. Im Sommer werde ein Programm vorliegen. Die Jubiläumsveranstaltungen und -aktivitäten erstrecken sich über mehrere Jahre.

Zu den Aufgaben des Zentrums werde künftig auch verstärkt die Zusammenarbeit mit dem Zentrum für politische Bildung in Ostbelgien (ZpBO) der Autonomen Hochschule gehören. Auch in pädagogischen Bereichen sei eine Zusammenarbeit beider Einrichtungen vorgesehen, „zumal die Vermittlung der Geschichte unserer Region einen wertvollen Beitrag zur politischen Bildung der Ostbelgier leistet“.

Zurzeit sind eine Reihe von Veranstaltungen vorgesehen, die sich mit der hundertjährigen Zugehörigkeit der heutigen DG zu Belgien auseinandersetzen.

Die Geschichtsvermittlung sei auch in den Rahmenplänen für das Bildungswesen verankert, sagte Paasch. Aber auch das Interesse der breiten Bevölkerung soll geweckt werden. Zurzeit seien eine Reihe von Veranstaltungen vorgesehen, die sich mit der hundertjährigen Zugehörigkeit der heutigen DG zu Belgien auseinandersetzen. Dabei sollen nicht einzig die Geschehnisse der Jahre 1919 und 1920 im Fokus stehen, sondern die gesamte Entwicklung der DG seit der Grenzverschiebung durch den Versailler Vertrag.

Dafür kooperiert das Zentrum auch mit europäischen Recherchezentren. Über den wissenschaftlichen Beirat ist das ZOG mit den Unis von Luxemburg, Lüttich und Brüssel sowie mit den belgischen Staatsarchiven verbunden. Darüber hinaus besteht ein regelmäßiger Austausch mit dem Landschaftsverband Rheinland, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe sowie unterschiedlichen Geschichtsvereinen im In- und Ausland.