Zahlen müssen die Verlierer – Syrien-Konflikt ins neunte Jahr

<p>Soldaten der syrischen demokratischen Kräfte (SDF), die von den USA unterstützt werden, bereiten sich darauf vor, Mörser auf Positionen des islamischen Staates in Baghouz ab zu feuern.</p>
Soldaten der syrischen demokratischen Kräfte (SDF), die von den USA unterstützt werden, bereiten sich darauf vor, Mörser auf Positionen des islamischen Staates in Baghouz ab zu feuern. | Maya Alleruzzo/AP/dpa

Dennoch wollen die EU-Staaten bei der Syrien-Geberkonferenz wieder Milliardensummen für Nothilfe in der Region zur Verfügung stellen. Ein Widerspruch? Fragen und Antworten zur Konferenz.

Wie stellt sich die Situation im Land dar?

Nach acht Jahren Bürgerkrieg hat sich die Lage eindeutig zugunsten der Regierungskräfte gedreht, die nun wieder rund zwei Drittel des Landes kontrollieren. Assads Gegner müssen einsehen, dass die von ihnen lange unterstützten Rebellen diesen Konflikt verloren haben. Der Präsident hat das vor allem der militärischen Hilfe seiner engen Verbündeten Russland und Iran zu verdanken. In der Realpolitik zogen mehrere Länder daraus den Schluss, wieder Kontakte mit Damaskus zu knüpfen. So erklärten die Golfstaaten Bahrain und Vereinigte Arabische Emirate (VAE) Ende Dezember, sie würden ihre Botschaften in der syrischen Hauptstadt wieder eröffnen.

Warum gibt es jetzt erneut eine Geberkonferenz, obwohl Assad den Krieg offenbar gewonnen hat?

Zum einen geht es darum, die Leidtragenden des Konflikts nicht im Stich zu lassen, zum anderen aber darum, einen neuen Flüchtlingszustrom Richtung Europa zu verhindern. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR waren zuletzt noch immer rund 11,7 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Seit Beginn des Bürgerkriegs sind zudem rund 5,6 Millionen Syrer ins Ausland geflohen. Die meisten von ihnen leben in Ländern wie der Türkei und im Libanon. Dort wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man Menschen nicht am Weiterziehen in Richtung Europa hindern könne, wenn es nicht ausreichend internationale Unterstützung gebe.

Warum kehren die Menschen nicht einfach in ihre Heimat zurück, wenn es kaum noch Kämpfe gibt?

Die Gewalt ist zwar in den meisten Gebieten Syriens deutlich zurückgegangen, doch große Teile des Landes sind nach acht Jahren Krieg stark zerstört, manche Orte oder Stadtteile sogar dem Erdboden gleichgemacht. Viele Flüchtlinge haben zudem nach wie vor Angst vor der Regierung, in deren Gefängnissen Zehntausende verschwunden sind. In Brüssel wird berichtet, dass Männer, die zurückkehren, teilweise bereits an der Grenze aus Bussen geholt werden und dann spurlos verschwinden. Junge Männer können davon ausgehen, dass sie sofort zum Militärdienst eingezogen werden, da die Armee stark geschwächt ist.

Warum zahlen nicht vor allem Russland und der Iran für Syrien?

Beiden fehlen die Mittel, um Syrien in ausreichendem Maß zu unterstützen. Für Russland ist bereits der Militäreinsatz sehr teuer. Der Iran wiederum leidet selbst unter großen wirtschaftlichen Problemen, nicht zuletzt durch die US-Sanktionen.

Wie geht es politisch weiter?

Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen und zahlreicher Friedensgespräche in Genf unter dem Dach der UN ist ein politischer Prozess bislang nicht in Gang gekommen. Damit ist auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Vor allem die Regierung hat kein Interesse an weiteren Verhandlungen mit der Opposition, da sie sich als Sieger sieht. Die UN arbeiten noch immer daran, einen Verfassungsausschuss zu bilden, der vor mehr als einem Jahr beschlossen worden war. Ob und wann das Gremium aber seine Arbeit aufnimmt, ist völlig unklar.

Wie positioniert sich die EU?

Die Staaten der EU stehen vor einem riesigen Problem. Sie hatten jahrelang fest damit gerechnet, dass Baschar al-Assad früher oder später stürzen würde. In dieser Zeit wurde beispielsweise festgelegt, dass die EU erst dann beim Wiederaufbau des Landes helfen wird, wenn ein „umfassender, echter und alle Seiten einbeziehender politischer Übergang stabil“ im Gange ist. Undenkbar schien es, sich jemals wieder mit Assad oder seinen Vertretern an einen Tisch zu setzen. „Einen dauerhaften Frieden in Syrien kann es unter der derzeitigen Führung nicht geben“, lautet eine EU-Schlussfolgerung. (dpa)

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