Wie Trump die Weltordnung durcheinanderwirbelt

In der internationalen Politik haben Traditionen und Konventionen große Bedeutung. Die Außenpolitik eines Landes folgt einem langfristigen Kurs und wird nicht mit jeder Wahl umgeworfen. Partnerschaften und Bündnisse wachsen über Jahrzehnte. Und Auseinandersetzungen zwischen zwei Ländern werden gern in diplomatischen Floskeln verpackt. Eigentlich. Seit zwei Jahren hat es die Welt mit einem US-Präsidenten zu tun, der wie keiner vor ihm mit diplomatischen Konventionen bricht, der jahrzehntealte Allianzen infrage stellt, Partner brüskiert und einstige Gegner hofiert. Donald Trump attackiert auf Twitter und in der realen Welt nicht nur seine Kontrahenten in der Heimat, sondern wiederkehrend auch internationale Verbündete.

Was sonst auf dezenten diplomatischen Kanälen abläuft, trägt Trump gern live vor aller Welt aus, bricht ein Tabu nach dem anderen und bringt so die Weltordnung nachhaltig durcheinander. Aus Sicht seiner Anhänger hat er einige Versprechen eingelöst - ohne Rücksicht auf das internationale Ansehen der USA und das sensible internationale Gefüge.

Eine Nation statt Vereinte Nationen:Bei seiner Amtseinführung an jenem kalten Januar-Tag vor zwei Jahren machte Trump unmissverständlich klar, wohin die Reise geht: Von nun an gelte der neue Kurs „Amerika zuerst“ („America first“), rief er damals vor dem Kapitol - und wiederholt dies seitdem bei jeder Gelegenheit. Für Trump haben nationale Interessen Vorrang vor einer globalen Weltordnung. Patriotismus geht vor Multilateralismus. Das war auch die Kernbotschaft seiner jüngsten Rede vor den Vereinten Nationen im September. Trump macht sein Ding, fühlt sich an lange gewachsene Allianzen und Übereinkünfte nicht gebunden. Er verkündete etwa den Ausstieg der USA aus dem UN-Menschenrechtsrat oder aus dem Pariser Klimaabkommen. Er scherte auch aus einem bis dahin unverrückbaren internationalen Konsens in der Nahost-Politik aus, erkannte einseitig Jerusalem als Israels Hauptstadt an und ließ die US-Botschaft dorthin verlegen.

Handelskrieg statt Handelsfreiheit:Einen aggressiven „America-first“-Kurs fährt Trump auch und gerade in der Handelspolitik. Er beklagt, die USA hätten große Handelsdefizite und würden von anderen Staaten schamlos ausgenutzt. Im Frühjahr 2018 verkündete das Weiße Haus, Sonderzölle auf Stahlimporte und Aluminium zu erheben. Mit China liefert sich Trump seit Monaten einen nie da gewesenen Handelskrieg. Derzeit gibt es einen Burgfrieden: Gespräche laufen, aber eine weitere Eskalation ist nicht ausgeschlossen. Mit Europa hat sich Trump ebenfalls angelegt: Im Raum steht seine Drohung, Sonderzölle auf Autoausfuhren in die USA zu verhängen. Auch ein Handelsabkommen mit den Nachbarn Mexiko und Kanada kündigte er auf und ließ es neu verhandeln - mit kleinen Erfolgen für die US-Seite. Trumps martialischer Ansatz in der Handelspolitik ist ein großer Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft und zeigt bereits negative Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum.

Das Gespenst des Atomkriegs ist zurück: Die atomare Bedrohung galt eigentlich als längst abgehaktes Thema. Die in Europa lagernden Nuklearwaffen wurden als museumsreife Relikte des Kalten Krieges angesehen. Jetzt ist das Gespenst des Atomkriegs zurück. Experten halten die Gefahr eines Militärschlags mit Nuklearwaffen inzwischen für so groß wie noch nie. Dafür gibt es zwei Gründe: Der Ausstieg Trumps aus dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe und die von ihm angedrohte Aufkündigung des mehr als 30 Jahre alten INF-Abrüstungsvertrags mit Russland, der landgestützte atomare Mittelstreckenraketen verbietet. Das Iran-Abkommen versuchen die Europäer zwar noch zu retten. Sollte es platzen, besteht aber die Gefahr, dass im Nahen Osten eine atomare Rüstungsspirale in Gang kommt, an der sich dann auch Irans Erzfeind Saudi-Arabien beteiligt. In einer Region, die immer wieder von Kriegen erschüttert wird, wäre das eine verheerende Entwicklung. Ein Scheitern des INF-Abkommens würde das schon zu Zeiten des Kalten Krieges zwischen der damaligen Sowjetunion und den USA entwickelte System der Rüstungskontrolle in Europa insgesamt in Frage stellen.

Der Westen zerbröselt:Gibt es die westliche Wertegemeinschaft überhaupt noch? Trump hat sie zumindest heftig ins Wanken gebracht. Beispiel G7: Die in den 70er Jahren gegründete Gruppe gilt als wichtiges Abstimmungsformat westlicher Staaten. Schon der erste G7-Gipfel mit Trump auf Sizilien verlief holprig, beim Klimaschutz blieb nichts Anderes übrig, als einen Dissens festzuschreiben. Beim zweiten Gipfel in Kanada kam es dann zum Eklat. Auf dem Rückflug zertrümmerte Trump aus Verärgerung über den Gastgeber, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, per Twitter die gesamte Gipfelerklärung und ließ das zweitägige Treffen damit als Farce erscheinen. Zum westlichen Verteidigungsbündnis NATO steht Trump zwar noch. Beim letzten Gipfel in Brüssel verlieh er seiner Verärgerung über die bescheidenen Verteidigungsausgaben seiner Bündnispartner aber mit der Drohung Ausdruck, notfalls „sein eigenes Ding“ machen zu wollen. Der Effekt: Die Europäer versuchen in der Außen- und Sicherheitspolitik nun, ebenfalls immer mehr ihr eigenes Ding zu machen. Gerade beim Thema Verteidigung ist die Abhängigkeit von den USA aber überwältigend: Zwei Drittel der NATO-Verteidigungsausgaben kommen von den Amerikanern.

Kein Weltpolizist mehr:Unter Trump erheben die USA nicht mehr den Anspruch, bei allen Konflikten auf der Welt mitzumischen. „Die Vereinigten Staaten können nicht weiter der Weltpolizist sein“, sagte Trump kürzlich bei seinem weihnachtlichen Überraschungsbesuch bei US-Truppen im Irak. Es sei nicht fair, wenn allein die USA diese Last trügen. Seine jüngste Entscheidung, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen und den Kampf gegen die Terrormiliz IS dort anderen zu überlassen, sorgte für einen internationalen Aufschrei und große Verunsicherung im Nahen Osten. Auch in Afghanistan erwägt Trump eine deutliche Reduzierung der US-Truppen, was ebenfalls auf Unverständnis stößt. Manche halten Trump zu Gute, dass er die USA - zumindest bisher - in seiner Amtszeit nicht in einen neuen Krieg geführt hat. Dass er aber US-Soldaten vorzeitig aus ungelösten Konflikten heimholt, halten viele Experten für unverantwortlich und höchst gefährlich. (dpa)