Weltgemeinschaft will Krisen im Kongo lindern

Der für Entwicklungszusammenarbeit zuständige belgische Föderalminister Alexander De Croo (rechts) am Freitag bei der der ersten internationalen Geberkonferenz für den Kongo in Genf. | belga

Es ist eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Im Kongo brauchen mehr als 13 Millionen Menschen humanitäre Hilfe – so viel wie im kriegszerstörten Syrien. Nicht nur ein Konflikt, sondern gleich mehrere sind dafür verantwortlich. Doch die Notlage wird von der Weltgemeinschaft vergessen, sagen die UN. Sie wird von anderen Krisenherden überschattet. Bei der ersten internationalen Geberkonferenz für den Kongo in Genf wurde nun deutlich weniger Geld eingetrieben, als gebraucht. Und das Land, um das es ging – der Kongo selbst – glänzte bei dem Treffen durch seine Abwesenheit.

Die Regierung des Landes sieht das Treffen in Genf als Image-schädigend und boykottierte es.

Die Regierung Kongos will das Ausmaß der Krise in dem zentralafrikanischen Land nicht wahrhaben. Die UN würden die Probleme übertreiben. „Die Zahlen sind willkürlich“, sagt Außenminister Léonard She Okitundu. Wie die UN die Zahl der notleidenden Menschen schätze sei „Quatsch“. Die Regierung des Landes sieht das Treffen in Genf als Image-schädigend und boykottierte es.

Dabei ist die humanitäre Notlage im Kongo nicht zu verleugnen. Die UN bezeichnen sie als eine der „komplexesten“ und am wenigsten beachteten Krisen der Welt. Das Land gilt neben Syrien und dem Jemen aus humanitärer Sicht als eins der schwerwiegendsten Probleme. Fünf Millionen Menschen sind derzeit vor der Gewalt auf der Flucht, knapp 800.000 davon haben sich in Nachbarländer gerettet. Und mehr als zwei Millionen Kinder sind lebensbedrohlich unterernährt.

Zur Bewältigung der Krise benötigen die Vereinten Nationen in diesem Jahr etwa 1,7 Milliarden Dollar (etwa 1,4 Milliarden Euro). Doch bei der Konferenz in Genf wurden von der internationalen Gemeinschaft 530 Millionen Dollar versprochen. Die Summe sei erfreulich, aber angesichts des Bedarfs wenig, sagte der Chef des UN-Nothilfebüros (Ocha), Mark Lowcock.

Das Riesenreich in Zentralafrika ist seit Jahrzehnten von Konflikten gebeutelt. Besonders der Osten des Landes ist chronisch instabil. Etliche Milizen treiben dort ihr Unwesen, den meisten geht es um die Kontrolle der reichen Bodenschätze. Doch jüngst sind weitere Konflikte hinzugekommen, in Landesteilen, die lange stabil waren. Vor knapp zwei Jahren brachen in der zentralen Region Kasai Kämpfe zwischen der Miliz Kamuina Nsapu und der Regierung aus, nachdem der Anführer der Gruppe von der Polizei getötet wurde. 1,4 Millionen Menschen wurden insgesamt in die Flucht getrieben. Und vor wenigen Monaten sind in der östlichen Provinz Ituri alte Spannungen zwischen zwei Volksgruppen neu entflammt. Fast 400.000 Menschen flohen innerhalb weniger Wochen.

Die politische Krise hat die Lage noch verschlimmert. Der als hoch korrupt geltende Präsident Joseph Kabila sollte eigentlich Ende 2016 nach seiner letzten Amtszeit abtreten. Doch seitdem klammert er sich an die Macht. Die Unzufriedenheit im Land steigt, immer wieder kommt es zu Protesten. Experten zufolge hat die politische Lage einige der Konflikte im Land geschürt.

„Wir sind vor Kamuina Nsapu geflohen und haben uns im Wald versteckt“, erinnert sich Tshiabu Kabuyo Anto. Die Mutter von elf Kindern ist eine der Millionen Betroffenen des Konflikts in Kasai. Nach ihrer Flucht habe sie sechs Monate im Wald ausgeharrt, zwei ihrer Kinder seien dort gestorben. Wie rund 630.000 andere Geflüchtete in der Kasai-Region konnte sie in ihre Heimat zurückkehren. Doch ein Ende des Elends bedeutet das nicht. „Wir haben wieder angefangen, unsere Felder zu beackern, aber es ist nichts übrig. Unser Zuhause wurde niedergebrannt.“ Mit ihrer Tochter im Arm steht die 44-Jährige in der Nähe des Ortes Kananga in der Kasai-Region und wartet auf ihre Nahrungsmittelration vom UN-Welternährungsprogramm (WFP). Um sie herum stehen Tausende weitere Kongolesen. Einige schubsen oder schimpfen. Die Verzweiflung ist zu spüren. „Heute erhalten alle jeweils nur eine halbe Ration“, sagt WFP-Mitarbeiter Benjamin Scholz. „Das liegt am Geldmangel.“ Die Nahrungsmittel müssten aber trotzdem für den ganzen Monat ausreichen.

„Die internationale Gemeinschaft muss aufwachen“, forderte der Chef der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC), Jan Egeland, im Vorfeld der Genfer Konferenz. Weitere Untätigkeit würde den Verlust etlicher Menschenleben bedeuten. „Es steht unglaublich viel auf dem Spiel für den Kongo.“ Der für Entwicklungszusammenarbeit zuständige belgische Föderalminister Alexander De Croo (Open VLD) erhöht derweil die humanitäre Hilfe Belgiens für die Demokratische Republik Kongo von 17 auf 25 Millionen Euro.Das kündigte der flämische Politiker im Zuge der Geberkonferenz an. „Aber wir können das menschliche Leid in dem Land erst dann beenden, wenn die Führer des Kongo diese Krise ernst nehmen“, sagte De Croo.Der Föderalminister bezeichnete die Abwesenheit der kongolesischen Regierung bei der Konferenz in der Schweiz als „unbegreiflich“. Mit der Erhöhung der Mittel für die Entwicklungshilfe wolle Belgien international ein Signal geben. Auch andere Länder sollten mehr Anstrengungen leisten. Darüber hinaus seien diese Gelder auch ein Dienst an die kongolesische Bevölkerung. Die heutige Demokratische Republik Kongo war lange Zeit belgische Kolonie, und erhielt im Jahr 1960 ihre Unabhängigkeit. (sc/belga/dpa)