Von Lichtblicken und harten Nüssen

Die Staats- und Regierungschefs von 25 EU-Ländern feierten den Start der neuen europäischen Militärkooperation mit einem ersten Pesco-Familienfoto. Die sogenannte Pesco steht für den Willen, eine gemeinsame europäische Verteidigungarchitektur zu schaffen. | afp

Aber dann störten Misstöne die traute Adventsstimmung und erinnerten daran, dass die 28 EU-Mitgliedsländer oft eben keineswegs auf einer Linie sind. Ein Überblick über die wichtigsten Gipfel-Themen:

Bürger im Sinn? Eine sozialere EU:Zum Einstieg gönnen sich die Staats- und Regierungschefs ein wohliges Thema: Vor einem Monat beschlossen die EU-Länder in Göteborg eine sozialere Ausrichtung der EU mit fairen Löhnen, besseren Renten, mehr Schutz für Arbeitnehmer. Jetzt sollen diese Ziele bekräftigt werden. Auch Bildung und Kultur will man symbolisch zu Topthemen erklären und zum Beispiel mehr Jugendaustausch, mehr Fremdsprachenunterricht und einen europäischen Studentenausweis propagieren.

Anlass zum Feiern: der „Pesco-Moment“:Kein politisches Großprojekt ist in den vergangenen Monaten so schnell vorangekommen wie die europäische Verteidigungsunion. Die Staats- und Regierungschefs der 25 beteiligten Staaten wollen das am Rande des Gipfels mit einem ersten „Pesco-Familienfoto“ feiern. Die Abkürzung „Pesco“ steht für „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (Englisch: „Permanent Structured Cooperation“) und damit für das System, das die Grundlage der Verteidigungsunion bilden soll. Langfristig will sich die EU in Sicherheitsfragen unabhängiger von den USA machen.

Die heiße Kartoffel – der Asylstreit:Kaum ein Thema entzweit die EU so wie der Streit über das Asylsystem. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 beschloss eine Mehrheit der EU-Staaten gegen den Widerstand mehrerer östlicher Länder ein verpflichtendes Umverteilungssystem für Asylbewerber. Ziel war, die Ankunftsländer Italien und Griechenland zu entlasten.

Doch bis heute verweigern sich Länder wie Polen, Ungarn und Tschechien dem Mehrheitsbeschluss. Der Grundsatzstreit blockiert seit Monaten jeden Ansatz, die EU-Asylregeln – das sogenannte Dublin-System – zu reformieren. Beim Abendessen wollte EU-Ratspräsident Donald Tusk in einer offenen Diskussion der Staats- und Regierungschefs ausloten, was man bis Mitte 2018 doch noch gemeinsam zuwege bringen kann. Allerdings hat sich Tusk vor dem Gipfel in die Nesseln gesetzt. Im Entwurf eines Papiers zur Vorbereitung legte er das System der Umverteilung quasi zu den Akten, weil sich ohnehin kein Konsens darüber finde. Das weckte heftigen Widerspruch. Tusk schwächte sein Papier ab, aber der Streit bleibt.

Einheit und Stärke? Die Russland-Sanktionen: Ebenfalls beim Abendessen nahmen sich die Staats- und Regierungschefs zwei weitere schwere Brocken vor: Gibt es Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für den Ukraine-Konflikt? Zu dieser Frage wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Einschätzung abgeben. Am Ende wird aller Voraussicht nach die Entscheidung der EU-Staaten stehen, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate zu verlängern. Dies soll den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, seinen Einfluss auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine zur Beilegung des Konfliktes zu nutzen. Außerdem haben einige EU-Staaten die Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Donald Trump auf die Agenda gesetzt.

Reform der Eurozone: In einem ähnlichen Format wie die Asylfrage will Tusk am Freitagmorgen beim Frühstück dann die geplanten Reformen der Eurozone debattieren lassen: ergebnisoffen und ohne sofortige Schlussfolgerungen. Auf dem Tisch liegen etliche Vorschläge, um die Gemeinschaftswährung zu stärken – vom europäischen Finanzminister, über zusätzliche Geldtöpfe für Krisenfälle und den Ausbau des Eurorettungsschirms ESM zum Europäischen Währungsfonds. Tusk will kleinere, konkrete Ziele setzen, darunter die Vollendung der sogenannten Bankenunion. Zur Debatte steht dabei auch ein gemeinsames Sicherungssystem für Sparguthaben, das aber auf Widerstand trifft. Allerdings: Bevor in Deutschland nicht eine neue Regierung steht, dürfte ohnehin nichts entschieden werden.

Brexit – auf zur nächsten Etappe: Der letzte Programmpunkt des Gipfels am Freitag dürfte zugleich die konkretesten Ergebnisse bringen: Die 27 bleibenden EU-Staaten bewerten, ob es in den bisherigen Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens ausreichenden Fortschritt gegeben hat. Nach dem ersten Durchbruch mit konkreten Ergebnissen vorige Woche zweifelt daran in Brüssel niemand mehr. Also dürften die Staaten das Startsignal für die zweite Verhandlungsphase geben. Dann soll es um eine Übergangszeit und die künftige Partnerschaft der EU mit Großbritannien nach dem Brexit 2019 gehen. (dpa)