„Ums Überleben geschwommen“: Tote und Chaos bei Unwetter auf Mallorca



Ein verheerendes Unwetter mit sintflutartigem Regen hat auf Mallorca mindestens zehn Menschen getötet. Sturzregen verwandelte mancherorts Straßen innerhalb kürzester Zeit in reißende Flüsse. Unter den Todesopfern seien zwei britische Urlauber, teilte ein Sprecher der Polizeieinheit Guardia Civil auf der spanischen Insel am Mittwoch mit. Drei Menschen wurden am Nachmittag von Rettungskräften lebend gefunden, sie hatten sich in einen alten Bahnhof gerettet. Ein Kind wurde am Abend nach Angaben des Notdienstes der Balearen noch vermisst.

„Was ich hier heute gesehen habe, das ist schlimmer als Krieg. Es ist eine Katastrophe“, zitierte das „Mallorca Magazin“ den Deutschen Thomas Wenzel, der seit mehr als 20 Jahren in dem vom Unwetter besonders betroffenen Sant Llorenç des Cardassar im Osten Mallorcas wohnt – der von dem Unwetter am schlimmsten betroffenen Region.

Innerhalb von nur zwei Stunden stürzten dort am Dienstagabend nach Angaben des Wetterdienstes 233 Liter Wasser vom Himmel.

Dramatische Szenen gab es vor allem in der 8.000-Einwohner-Gemeinde Sant Llorenç rund 60 Kilometer östlich der Hauptstadt Palma, wo es mehrere Todesopfer gab. Dort trat am Dienstag ein Sturzbach über die Ufer. Die Wassermassen verwandelten Straßen innerhalb von Minuten in reißende Flüsse. Zahlreiche Autos wurden mitgerissen und Häuser unter Wasser gesetzt, wie auf Bildern und Videoaufnahmen von Medien und des meteorologischen Dienstes der Balearen zu sehen war. Bewohner versuchten verzweifelt, das Wasser mit Eimern aus ihren Häusern zu schippen.

Betroffene erzählten von dramatischen Augenblicken: „Ich bin ums Überleben geschwommen“, sagte ein junger Mann im spanischen Fernsehen. Ihm stand die Panik noch im Gesicht. Rentner Manuel Torescussa wurde von den Wassermassen in der Nähe von Sant Llorenç in seinem Auto erwischt. „Ich konnte gerade noch aus einem Fenster ins Freie klettern und musste dann 500 Meter schwimmen, fast meine gesamte Kleidung blieb dabei an einem Metallzaun hängen“, erzählte er der Zeitung „Diario de Mallorca“.

Die stellvertretende Bürgermeisterin von Sant Llorenç, Antonia Bauza, sprach von einer „katastrophalen Lage“. „Das Wasser war nicht unter Kontrolle zu bringen, es war dramatisch. Man muss es erlebt haben, um zu wissen, wie schlimm es war.“

Sieben Landstraßen waren am Mittwochnachmittag nach Angaben der Behörden noch unbefahrbar, einige Ortschaften ohne Strom- und Wasserversorgung und von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten. Überall entwurzelte Bäume, heruntergerissene Stromleitungen und Verkehrsschilder, zerstörte Häuser und Felder, umgekippte und aufeinandergetürmte Fahrzeuge. Ein TV-Reporter vor Ort sprach von „gespenstischen Skulpturen“.

Auf Mallorca hatte es schon seit Montag sehr heftig geregnet.

„Es war eine harte Nacht, aber ich denke, dass der Tag noch heftiger wird“, zitierte die Zeitung „El Mundo“ eine Lokalpolitikerin. Ministerpräsident Pedro Sánchez flog am frühen Nachmittag auf die Insel, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Dabei lobte er vor allem die unermüdliche Arbeit der Einsatzkräfte und versprach, dass die Regierung der Region helfen werde, die zerstörten Gebiete wiederaufzubauen. Auch das spanische Königshaus sprach den Betroffenen via Twitter seine Solidarität aus.

Die zwei Briten starben den Angaben zufolge in S’Illot in dem Ort Son Servera, als sie im Taxi von den Fluten überrascht wurden. In Sant Llorenç starb der frühere Artá-Bürgermeister Rafel Gili (71), der als junger Mann zehn Jahre in Deutschland gewohnt hatte und dort Tennislehrer war.

Eine Frau und ein 83-Jähriger wurden in ihren Häusern in Sant Llorenç vom Wasser überrascht. Ihre Leichen wurden in der Nacht geborgen. Weitere Tote seien in S’Illot, Artà und Sant Llorenç entdeckt worden, teilte der Notdienst der Balearen auf Twitter mit. Deutsche waren nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht unter den Opfern.

Ein Feuerwehrmann, der in der Nacht in den betroffenen Gebieten im Einsatz war, sagte, dass die Menschen auf Bäumen und Dächern saßen. „Der Zugang mit dem Feuerwehrwagen war schwierig, so dass wir meist mehrere Versuche unternehmen mussten, um an die Menschen heranzukommen.“ Dutzende Häuser mussten evakuiert werden. Rund 200 Menschen verbrachten die Nacht in Sportanlagen der Stadt Manacor, unter anderem in einer Anlage des aus Mallorca stammenden Tennis-Weltstars Rafael Nadal, „Trauriger Tag“, twitterte Nadal, der seine Hilfe anbot.

Die Rettungsteams waren mit rund 400 Hilfskräften im Einsatz. Oberste Priorität hatte zunächst den ganzen Tag lang die Suche nach Vermissten. Neben Dutzenden Fahrzeugen wurden auch vier Hubschrauber, ein Flugzeug und ein Schiff eingesetzt.

Unwetter mit Überschwemmungen gab es in Spanien auch in Katalonien im Nordosten sowie in der Provinz Málaga im Süden des Landes. Auf Mallorca hatte es schon seit Montag sehr heftig geregnet, ortsweise auch gehagelt. Durch das Unwetter kam es laut Medien zeitweise auf dem Flughafen Palma zu Verzögerungen. In der Hauptstadt und auch am „Ballermann“ östlich von Palma war die Lage aber weitgehend normal. (dpa)