Tunnel nach Mont-Blanc-Unglück viel sicherer

<p>Ein ausgebranntes Fahrzeug der Feuerwehr wird nach dem Brand im Montblanc-Tunnel abtransportiert. Vor 20 Jahren wurde der Montblanc-Tunnel zwischen Frankreich und Italien zur tödlichen Falle für 39 Menschen. Ein Lastwagen geriet in Brand, der Fahrer flüchtete zu Fuß aus dem Tunnel.</p>
Ein ausgebranntes Fahrzeug der Feuerwehr wird nach dem Brand im Montblanc-Tunnel abtransportiert. Vor 20 Jahren wurde der Montblanc-Tunnel zwischen Frankreich und Italien zur tödlichen Falle für 39 Menschen. Ein Lastwagen geriet in Brand, der Fahrer flüchtete zu Fuß aus dem Tunnel. | Philippe Desmazes/AFP/dpa

Für die Opfer des Infernos gab es in der kilometerlangen, rauchgeschwängerten Röhre kein Entkommen. Manche schafften es noch nicht einmal aus ihren Fahrzeugen, bevor sie an den giftigen Dämpfen erstickten. Andere verglühten in den Schutzräumen, die sich auf mehr als 1.000 Grad erhitzten. Bei dem verheerenden Brand im Mont-Blanc-Tunnel im Jahr 1999 starben 39 Menschen. Am 24. März jährt sich die Katastrophe zum 20. Mal.

Seither ist in puncto Tunnelsicherheit viel passiert. Nach dem Unglück in der knapp zwölf Kilometer langen Röhre, die Frankreich und Italien miteinander verbindet, und weiteren Horror-Bränden um die Jahrtausendwende herum wurde die Politik aktiv. Inzwischen gibt es EU-weit verbindliche Vorgaben. Neue Bauwerke müssen hohe Standards erfüllen, bei älteren wurden Milliarden Euro in Nachrüstungen gesteckt. Mit Erfolg: 2015 stellte der ADAC seine Tunneltests ein – weil alle geprüften Tunnel die Noten sehr gut oder gut erhielten.

„Diese EU-Richtlinie war ein Meilenstein für ein einheitliches Sicherheitslevel von Straßentunneln in Europa. Hier wurden Mindestanforderungen für die organisatorische, bauliche, technische und betriebliche Sicherheit von Tunneln festgelegt“, erläutert ADAC-Sprecher Johannes Boos. Die 2006 in Kraft getretene Richtlinie gilt für alle Tunnel des transeuropäischen Straßennetzes, die länger als 500 Meter sind. Auch das Nicht-EU-Land Schweiz hat die Anforderungen übernommen. Heutzutage kann man sich kaum noch vorstellen, welch düstere Löcher Tunnel früher waren. „Der Nutzer sollte bei seiner Passage im Tunnel nicht irritiert oder abgelenkt werden“, erinnert sich Experte Christof Sistenich. Die Wände waren dunkel, nichts sollte leuchten, blinken oder reflektieren. Eine Folge daraus, die auch beim Unglück im Mont Blanc eine fatale Rolle spielte: Notausgänge waren möglichst unauffällig markiert, Fluchtwege nicht gekennzeichnet.

„Von dieser Einstellung ist man völlig abgerückt. Man kennzeichnet heute die Notausgänge sehr deutlich, sehr auffällig, und gibt zudem noch Informationen, in welchen Entfernungen die nächsten Notausgänge liegen“, erläutert Sistenich. Auch bei der Technik und der baulichen Ausstattung hat sich viel getan. „Früher ist man davon ausgegangen: Wenn ich eine hochwertige Rauchabsaugung habe, brauche ich keine Notausgänge“, schildert der Experte. Heute sind nicht nur leistungsfähige Lüftungsanlagen, sondern auch parallel laufende Notstollen oder Stichstollen ins Freie Standard.

Die Sicherheitsfachleute haben auch in anderer Hinsicht aus dem Inferno im Bauch des Mont Blancs gelernt. Damals waren viele Opfer in den Schutzräumen verglüht, weil die Türen den Hochofen-Temperaturen auf der anderen Seite nicht standhielten. Auch heute noch leisten die dicken Sicherheitstüren den Flammen im Zweifel nur 90 Minuten lang Widerstand. Doch Schutzräume, die auf der Rückseite keinen Ausgang zum Fliehen haben, gibt es beispielsweise in Deutschland gar nicht erst. Passiert in den Röhren ein Unfall oder Brand, werden die Bilder aus den Überwachungskameras heute automatisch auf den Monitoren in den Tunnelleitzentralen eingeblendet. Die Fachleuten können dann nicht nur sofort die Einfahrt weiterer Fahrzeuge in den Tunnel stoppen, sondern sich für Durchsagen auch auf die Radiofrequenz aufschalten, die die Fahrer im Tunnel hören können. In der Schweiz, in der zwölf Prozent der Nationalstraßen unterirdisch verlaufen und wo damals zwei weitere tödliche Tunnelbrände zu betrauern waren, werden bis Ende dieses Jahres alle Röhren mit dem Digitalradioempfang DAB+ ausgestattet. Auch Frankreich überprüft seine Tunnel intensiv. Nicht allzu glänzend steht im internationalen Vergleich hingegen Italien da. Zwar hatte das Land wegen seiner besonders vielen Tunnel nicht nur bis 2014, sondern bis 2019 Zeit für die Nachrüstungen. Doch Experten gehen nicht davon aus, dass die Hausaufgaben bis Ende des Jahres geschafft sein werden. Nach dem Brückeneinsturz in Genua im letzten Sommer ist das Vertrauen in die marode Infrastruktur ohnehin angeschlagen. Die Italiener nehmen die Lage mit Galgenhumor. Ihrem Verkehrsminister Danilo Toninelli haben sie nach einer blamablen Aussage zum neuen Brenner-Tunnel kurzerhand einen Spitznamen verpasst: „Tunninelli“. (dpa)

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