Tschechien: Was will der Populist Andrej Babis?

Andrej Babis, Gründer der Protestbewegung ANO | Filip Singer/EPA/dpa

Andrej Babis drückt den Menschen sein Buch in die Hand. „Nehmen Sie das, ich habe zwei Jahre daran gearbeitet“, sagt der 63 Jahre alte Politiker in der Fußgängerzone im tschechischen Pilsen (Plzen). Der Titel: „Wovon ich träume, wenn ich ausnahmsweise schlafe.“ Versprochen wird darin viel: kostenloses Internet für alle, Hochgeschwindigkeitszüge zwischen allen großen Städten, saubere Luft und ein schlanker Staat.

Immer wieder bleiben Leute stehen, um sich mit Babis fotografieren zu lassen. Er lächelt bereitwillig in die Kameras. Vor fünf Jahren hatte der Multimillardär die nach eigener Darstellung liberale Protestpartei ANO als „Aktion unzufriedener Bürger“ gegründet. Nun ist er Umfragefavorit für die Parlamentswahl in Tschechien am 20. und 21. Oktober. „Ich kritisiere alle“, sagt Babis. Viele hatten gehofft, ein Unternehmer wie Babis mit Firmen in Deutschland und einem Ferienhaus in Frankreich werde automatisch proeuropäisch gesinnt sein. Doch die Euro-Einführung lehnt der Ex-Finanzminister ab: „Natürlich wäre es für die Unternehmen gut, denn sie müssten nichts absichern und hätten einen sicheren Kurs, aber für den Staat wäre es nicht gut.“ Für einen EU-Austritt, auch „Czexit“ genannt, sei er aber „mit Sicherheit nicht“.

Von Solidarität in der Flüchtlingskrise will Babis nichts wissen. Er sei für einen Stopp der illegalen Migration, sagt er. Europa sei unfähig, das Problem zu lösen. „Unsere Firmen wollen Ukrainer und Slowaken, aber nicht die Migranten, die uns Europa aufnötigt“, sagt Babis. Die ohnehin geringen Sozialleistungen würde er am liebsten noch weiter kürzen. „Die Parasiten trennen von denjenigen, die arbeiten“, nennt er das.

Anhaltende Affären haben ihm erstaunlich wenig geschadet: Anfang September hatte das Parlament die Abgeordneten-Immunität des ANO-Gründers aufgehoben. Die Polizei beschuldigt Babis offiziell, bei EU-Subventionen für sein Wellness-Resort „Storchennest“ betrogen zu haben. Es geht um zwei Millionen Euro. In früheren Affären waren ihm moralisch fragwürdige Steueroptimierung und Medienbeeinflussung vorgehalten worden. Euro-Einführung und die Angst vor Migranten – das waren die großen Themen im Wahlkampf. In einer aktuellen Umfrage des öffentlichen-rechtlichen Fernsehens liegt die ANO weiter vorn bei 32,5 Prozent. Die Sozialdemokraten (CSSD) – der Wahlsieger von 2013 – kämen nur noch auf 16,5 Prozent. Sie treten nicht mehr mit Regierungschef Bohuslav Sobotka an, sondern mit Außenminister Lubomir Zaoralek.

Babis könnte wieder mit den Sozialdemokraten in eine Regierung gehen – diesmal als Chef. Manche Kritiker malen indes ein Horrorszenario an die Wand: ein Bündnis mit den unreformierten Kommunisten und der fremdenfeindlichen SPD. Dabei nennt Babis den SPD-Gründer Tomio Okamura im Interview selbst einen „Fanatiker“. Babis sei ein Unternehmer-Populist vom Schlag eines Silvio Berlusconi oder Donald Trump, sagt der Politologe Jiri Pehe, einst Berater bei Präsident Vaclav Havel (1936-2011). „Wenn es um seine Beziehung zur Demokratie geht, dann ist er im Grunde kein Demokrat“, urteilt er. Babis habe das Parlament als Schwatzbude bezeichnet, den Senat als zweite Kammer wolle er auflösen. „Er glaubt, berufen zu sein, das ganze Land in eine Firma seines Typs umzubauen.“ Einige seiner Visionen seien gefährlich, Babis werde aber nur schwer Verbündete dafür finden, sagt der Politologe Lukas Jelinek. „Ich sehe seine Dämonisierung als Gefahr für die Demokratie nicht gern – er hat nur bis heute die Prinzipien der liberalen Demokratie und des Parlamentarismus nicht verstanden.“ Babis hätten die korrupten Seilschaften in Politik und Gesellschaft gestört, letztlich sei er aber auch nicht anders als die anderen.

Fragen wirft zudem auf, wie Babis zu seinem Vermögen gekommen ist. Seine Agrofert-Holding, die er zur Verwahrung in einen Trust gegeben hat, zählt zu den größten Lebensmittel- und Agrarunternehmen in Tschechien. Die Filmemacher Vit Janecek und Zuzana Piussi haben sich in dem Dokumentarfilm „Selsky rozum“ („Bauernverstand“) kritisch mit den Geschäftspraktiken des Firmenimperiums auseinandergesetzt. Sie werfen Babis einen Interessenkonflikt vor, denn seine Geschäfte seien zum überwiegenden Teil von Agrarsubventionen und staatlichen Aufträgen abhängig. (dpa)