Trumps „Feinde“ finden „Freunde“ in Peking

Premier Li Keqiang (r.) mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker | afp


Es ist ein Spiel, das die Europäer eigentlich nicht spielen wollten. Indem Donald Trump die transatlantischen Partner als „Feinde“ oder „Gegner“ im Handel beschreibt, treibt der US-Präsident die Europäer in die offenen Arme der Chinesen. Während die alte Weltordnung in Gefahr gerät, wiegen die neuen Gemeinsamkeiten plötzlich größer als die unverändert bestehenden Differenzen. In den Unsicherheiten wächst auch die Kompromissbereitschaft der Chinesen, denn keiner profitiert mehr von einem offenen globalen Handelssystem.

Die konfrontative, Unruhe stiftende Art Trumps hat die chinesische Führung in den vergangenen Monaten dazu gebracht, ihren Markt weiter zu öffnen, Zölle zu senken und den Anteil ausländischer Beteiligungen bei Investitionen in China zu erhöhen. Den drohenden Handelskrieg hat Peking damit nicht abwenden können, aber in Brüssel neue Freunde gewonnen. Zufrieden spricht Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf dem EU-China-Gipfel am Montag in Peking von „Fortschritten“.

Selbst das totgeglaubte Investitionsschutzabkommen, das in vier Jahren kaum vorangekommen ist, ist plötzlich wieder quicklebendig und soll „zu einem frühen Zeitpunkt“ abgeschlossen werden, wie Premier Li Keqiang bei einer Pressekonferenz vor den kaltweißen Marmorwänden im Taiwan-Saal der Großen Halle des Volkes verkündete. Es ist für die Europäer eine entscheidende Vorbedingung für das von China sehnlich gewünschte Freihandelsabkommen, kam aber nicht voran, weil es mehr Marktzugang in China beinhalten sollte. Plötzlich geht da was.

Auch der bittere Streit über den Status einer Marktwirtschaft, den die Europäer den Chinesen trotz früherer Zusagen für deren Aufnahme 2001 in die Welthandelsorganisation (WTO) verweigert hatte, ist überwunden. Die EU hat ihre Regeln geändert und unterscheidet Länder nicht mehr nach Marktwirtschaften, was Peking schlucken musste. Selbst Überlegungen zur Prüfung chinesischer Investitionen in Hochtechnologie in Europa sind kein Streitpunkt mehr – alles Kleinkram im Vergleich zum drohenden Handelskrieg.

Es geht aus Sicht des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk auch um sehr viel mehr: Die bestehende globale Weltordnung, die den Kalten Krieg beendet, den Frieden in Europa gesichert und auch China ein beispielloses Wirtschaftswachstum beschert habe, sei in Gefahr, zerstört zu werden, warnt er düster. Statt Handelskriege vom Zaun zu brechen, die leicht in echten Kriegen endeten, sollten die Regeln und am besten die ganze WTO reformiert werden. China hat nicht gezögert, als die EU eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Reform vorschlug. Jetzt müssten nur noch Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin diesen Geist der Kooperation aufgreifen: „Heute stehen wir vor einem Dilemma: Spielen wir weiter ein unnachgiebiges Spiel mit Zollkriegen und Konflikten in Orten wie Syrien oder Ukraine oder suchen wir gemeinsame Lösungen auf der Basis fairer Regeln“, mahnt Tusk. So ganz wollen sich Tusk, Juncker & Co auch nicht auf die Seite der Chinesen schlagen. „Es geht nicht darum, hier für den einen oder anderen Position zu ergreifen“, sagt ein Diplomat. So lehnten die Europäer zwar ähnlich wie Peking die einseitigen Methoden Trumps unter Umgehung der WTO ab, aber sie teilen dessen Klagen, dass China seinen Markt nicht ausreichend öffnet, Technologie abschöpft und unfair spielt. Genau hier soll die WTO-Reform ansetzen: Subventionen, Urheberrechtsschutz, zwangsweiser Technologietransfer oder Unterstützung für Exporteure – alles Probleme in China.

Die Hoffnung dahinter: Wenn die WTO für die Zukunft fit gemacht werden kann und die Sorgen aller – auch der Amerikaner – beseitigt werden, gibt es keinen Grund mehr für Handelskriege. Aber ob Trump die Logik versteht, ist völlig offen. Auch ist es ja nicht so, als wenn in China plötzlich die freie Marktwirtschaft herrschen würde. Obwohl seinem Land aus Sicht des Pekinger Wirtschaftsprofessors Hu Xingdou nichts Besseres passieren könnte: „Die Wirtschaft wird neue Möglichkeiten bieten, das Wachstum nicht weiter sinken.“ (dpa)