Puerto Rico zwischen den Stühlen

Die puerto-ricanische Gemeinde in New York möchte von der US-Regierung schnelle Hilfe für das durch Hurrikan „Maria“ zerstörte Puerto Rico. | Erik Mcgregor/Pacific Press via ZUMA Wire/dpa

Gestellt hatte sie ein Journalist im Oktober. Der Gouverneur des US-Außengebiets war einen Monat nach dem verheerenden Wirbelsturm zu Trump nach Washington gereist, um mehr Hilfe für die Karibikinsel zu erbitten.

Die Zerstörungen durch „Maria“ und die heftige Kritik für Trumps späte und im Vergleich zu den Sturmschäden in Florida und Texas verhaltene Reaktion rückten die jahrelange Debatte über Puerto Ricos rechtlichen Status – Außengebiet aber kein Bundesstaat – wieder in den Mittelpunkt. Es dauerte fünf Tage, bis Trump Puerto Rico in seinen Tweets erwähnte. Anstatt sein Mitgefühl mit der Bevölkerung auszudrücken, sprach er über schlechte Infrastruktur und die Schulden des praktisch bankrotten Gebiets.

Bis 1898 war Puerto Rico eine spanische Kolonie, seit 1917 sind die Bewohner US-Staatsbürger. 1952 wurde die Insel zum Freistaat. Sie ist ein nicht inkorporiertes US-Gebiet und weder ein eigener Bundesstaat noch Teil eines Bundesstaats. Die etwa 3,4 Millionen Einwohner haben verfassungsmäßigen Grundrechte, aber etwa kein Wahlrecht bei Präsidentenwahlen und keine stimmberechtigten Vertreter im Kongress.

Für den Anthropologen David Vine macht dies Puerto Rico bis heute zu einer Kolonie. Viele Puerto Ricaner würden dies auch so empfinden, meint auch Ricardo Barrios, Puerto Rico-Experte des Washingtoner Think-Tanks Inter-American Dialogue.

Sie fühlten sich von der Regierung behandelt, als seien sie Bürger zweiter Klasse – oder schlimmer noch – nicht einmal Staatsbürger. „Unter der Trump-Regierung ist diese unterschiedliche Behandlung noch deutlicher geworden, aber es ist mehr ein anderer Ton als eine Veränderung im Inhalt.“ Einer Umfrage der „New York Times“ zufolge war vor „Maria“ 54-Prozent der Amerikaner nicht bewusst, dass Puerto Ricaner ihre Mitbürger sind.

Puerto Ricos rechtlicher Zwitterstatus wird von einigen Politikern und Analysten auch für die Wirtschaftskrise der Insel mitverantwortlich gemacht: Schulden von mehr als 70 Milliarden Dollar, 45 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, die Arbeitslosenrate ist mit zehn Prozent mehr als doppelt so hoch wie im US-Durchschnitt. Im Mai erklärte die Insel den Staatsbankrott.

Wegen des besonderen Status hätte Puerto Rico offiziell gar nicht Insolvenz anmelden dürfen, doch der US-Kongress hatte zuvor ein eigenes Gesetz (Promesa) zu diesem Zweck verabschiedet. Puerto Rico zahlt keine Steuern in die Bundeskasse.

Die Insel bestimmt zwar ihre Innenpolitik, die Außenpolitik wird in Washington gemacht. Als Bundesstaat hätte Puerto Rico besseren Zugang zu Bundesgeldern, auch weil es im Kongress vertreten wäre. „Wären wir ein Staat, hätten wir all die Hilfe, die Florida bekommen hat“, sagte Puerto Ricos Delegierte im US-Kongress, Jenniffer González-Colón. Seit 1967 gab es auf der Insel fünf nicht-bindende Volksabstimmungen zum Status. 2012 gab es erstmal eine Mehrheit dafür, zum 51. US-Bundesstaat zu werden, bei der letzten Abstimmung im Juni waren es 97 Prozent. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 23 Prozent.

Das Weiße Haus betonte, nur der Kongress könne den Status ändern. Puerto Rico sei ein machtloses Land ohne eigene Regierung, dass seinen Willen nur in nutzlosen Volksabstimmungen ausdrücke, schrieb der puerto-ricanische Schriftstelle José Rivera in der „LA Times“: „Puerto Rico ist in Wirklichkeit ein Zombie-Staat.“ In Washington selbst gibt es wenig Willen, den Status Quo zu verändern. Der republikanische Senator Marco Rubio aus Florida ist einer der wenigen Konservativen mit einer klaren Position: Er sei für ein von der Bundesregierung unterstütztes Plebiszit pro oder kontra Bundesstaat, schrieb er 2015.

Auch die Demokraten haben sich dafür ausgesprochen, dass die Insel US-Bundesstaat wird.

Washington und der Präsident sollten dann das Ergebnis respektieren. Auch die Demokraten haben sich dafür ausgesprochen, dass die Insel der 51. Bundesstaat wird. In Florida leben etwa eine Million Puerto Ricaner.

Diese Zahl könnte noch steigen, da viele die Insel wegen der Wirtschaftskrise und den Hurrikan-Zerstörungen verlassen wollen. Auf dem US-Festland dürfen Puerto Ricaner übrigens dann ihre Stimme in Kongress- und Präsidentenwahlen abgeben.

Da viele die Demokraten wählen, und Puerto Rico als Bundesstaat zwei Senatoren und fünf Abgeordnete im Repräsentantenhaus stellen würde, haben die meisten Republikaner eher geringes Interesse daran, dass das Außengebiet zum Bundesstaat wird. Barros glaubt sogar, dass „Maria“ trotz des medialen und politischen Echos den Weg in Richtung Bundesstaat noch schwieriger gemacht hat. „Die Vereinigten Staaten werden keinen Staat mit einer stagnierenden Wirtschaft in die Union integrieren.“ (dpa)