Privates und Politisches - Michelle Obama veröffentlicht Memoiren

Die einstige First Lady hat für ihr neues Buch so getrommelt, dass es schon jetzt auf der Bestsellerliste ganz oben steht. Der Leser bekommt auf über 420 Seiten alles – von der Schlüsselloch-Perspektive bis zur Polit-Nachhilfe. Und Donald Trump bekommt sein Fett weg.

Michelle Obama hat einen Fehler gemacht. „Ich dachte, er gibt nur an, er will nur die Medienaufmerksamkeit aufsaugen, weil er es halt kann“, schreibt die ehemalige First Lady in ihren Memoiren. „Nichts von dem, wie er sich selbst gab, deutete darauf hin, dass er ernsthaft regieren wollte.“

Wie sie sich täuschen sollte. Mit ihrer Beschreibung erinnert sich die einstige First Lady an das Jahr 2015 und die Wahlkampfanfänge von Donald Trump. Ein gutes Jahr später, im Januar 2017, nahm sie Abschied von ihrem Personal im Ostflügel des Weißen Hauses – und ließ sich an der Seite ihres Mannes zum Kapitol fahren, wo Trump für sein Amt als Präsident vereidigt wurde.

Wer das Buch von Michelle Obama liest, dem wird bewusst, welche Zeitenwende stattgefunden hat. Es ging der coole Power-Präsident, nachdenklich und sportlich, witzig und prägnant, mit einer Familie, die modern und verwurzelt für den Fortschritt der amerikanischen Gesellschaft steht. Es kam der grantige Nationalist, die Schuld stets bei anderen suchend, mit einer Kopf-durch-die Wand-Politik – und einer Präsidentenfamilie, die in der Öffentlichkeit kaum vorkommt.

Michelle Obamas Memoiren fallen zeitlich in eine riesige Sehnsucht des US-Bildungsbürgertums, vor allem an den Küsten. Die 54-Jährige wird fast auf Händen getragen, wenn sie Werbung für ihr Buch machen darf – in Talkshows und bei Podiumsdiskussionen, in Interviews und Radiobeiträgen. Von Chicago, ihrer Heimatstadt, in der sie in einfachen Verhältnissen aufwuchs, bis in die glitzernde Hollywood-Metropole Los Angeles.

Dass Michelle Obama vor rund 20 Jahren eine Fehlgeburt hatte, dass ihre beiden geliebten Töchter Sasha und Malia mit Hilfe künstlicher Befruchtung gezeugt wurden, dass sie Donald Trump nie verzeihen wird, weil sie wegen seiner falschen Vorwürfe gegen ihren Ehemann Angst um das Leben ihrer Familie haben musste – all das hatte Obamas Verlag Crown schon in der vergangenen Woche, Tage vor der eigentlichen Veröffentlichung, in die Welt posaunt. Dass das Buch bereits am Tag des eigentlichen Erscheinens die Bestseller-Liste bei Amazon anführte, ist vielleicht auch der gekonnt geschlagenen Werbetrommel geschuldet.

Was Obama vorlegte, ist jenseits allen PR-Rummels auch schlicht ein gutes, lesenswertes, kurzweiliges Buch. Schon seit langer Zeit pflegt Michelle Obama das Image des Underdogs, der es aus dem unterprivilegierten Chicagoer Süden mit Fleiß und Können an die besten Jura-Fakultäten des Landes geschafft hat – und schließlich bis ins Weiße Haus. Auch in ihren Memoiren bleibt sie dieser Linie treu.

Schulfotos zeigen, wie bei der Einschulung Michelle Robinsons noch zahlreiche Weiße in ihre Klasse gehen – fünf Jahre später besteht die Klasse an der gleichen Schule praktisch ausschließlich aus Afro-Amerikanern. „Als ich 1969 in die Schule kam, setzte sich mein Viertel an der South Side von Chicago aus einem diversifizierten Mix von Mittelklasse-Familien zusammen“, schreibt sie. „In der 5. Klasse war die Diversifizierung vorbei“, fügt sie hinzu und spricht von der „Flucht“ der Weißen.

Der Leser erfährt viel über die Sorgen und Nöte junger Schwarzer in den USA und auch über den Kampf junger Frauen um Gleichberechtigung. Vor allem handeln große Teile des Buchs aber über die Familie Obama – über die Kindheit Michelles in ihrer Wohnung, die Töne der Klavierschüler ihrer Tante aus dem Untergeschoss stets im Ohr.

Der Leser wird mitgenommen auf eine Reise vom Kinderzimmer, das sie mit Bruder Craig teilen musste, über die Schule, wo sie strebsam an ihrer Bildung feilte, bis zur Studienzeit in Princeton. „Ich wurde erzogen zu Selbstbewusstsein, keine Grenzen zu sehen, daran zu glauben, dass man alles erstreben und absolut alles bekommen kann, wenn ich es will. Und ich wollte alles.“

Vom Flirt der Anwältin Michelle Robinson mit dem Praktikanten Barack Obama über die Hochzeit bis hin zur Paartherapie. „‚Ich habe einen Querdenker geheiratet‘, musste ich mich immer wieder selbst erinnern“, schreibt Michelle Obama über den 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Dass sie selbst einmal in führender Rolle ins Weiße Haus zurückkehren könnte, hat sie mehrmals ausgeschlossen. Dass sie ein „unpolitischer Mensch“ sei, wie sie in ihrem Buch schreibt, nehmen ihr dennoch die wenigsten ab. Dafür enthält nicht nur der Text zu viele Erinnerungen, zu viele Spitzen, zu viele Wertungen auch zur aktuellen und vergangenen Politik. Bei ihrer Promo-Tour nimmt sie auch zu den aktuellen Kongresswahlen Stellung, die kein großer Erfolg für den ungeliebten Präsidenten Donald Trump wurden.

„Gott sei Dank haben die Leute gemerkt, dass Wählen gehen wichtig ist“, sagte sie am Dienstag in einem Interview. Und was die Präsidentschaft angeht: „Ich denke, an diesem Punkt ist jeder qualifiziert und jeder sollte kandidieren. Vielleicht bringe ich sogar Sasha ins Spiel“, sagte sie augenzwinkernd mit Blick auf ihre 17-jährige Tochter.

Und sollte Donald Trump das nicht verstanden haben, kann er im Buch nachlesen, was sie von ihm hält: „Ich werde mich immer fragen, was viele, vor allem Frauen, dazu getrieben hat, eine außergewöhnlich qualifizierte weibliche Kandidatin abzulehnen und stattdessen einen Frauenfeind zu ihrem Präsidenten zu küren.“ Während der Amtseinführung Trumps habe sie „nicht einmal versucht, zu lächeln.“ (dpa)