Plan B für wohlhabende Türken

Ein junges Paar sitzt auf einem Hügel in Athen und blickt über die Stadt. | Sven Hoppe/dpa

Eine kleine, aber wachsende Zahl wohlhabender Türken geht daher auf Nummer sicher – und besorgt sich und der Familie eine Aufenthaltsgenehmigung eines EU-Landes. Möglich machen das die „Golden Visa“-Investitionsprogramme wie das von Griechenland, das wiederum das Geschäftsmodell von Panos Rozakis ist. Rozakis ist Geschäftsführer von „Greek Residency“, einer Firma, die „goldene Visa“ vermittelt.

Das staatliche Programm, das Investoren nach Griechenland locken soll, funktioniert so: Wer mindestens 250.000 Euro etwa durch den Kauf einer Wohnung in Athen investiert, erhält „ab dem ersten Tag“ eine griechische Aufenthaltsgenehmigung – und zwar für sich, den Ehepartner, Kinder bis zum Alter von 21 Jahren, die Eltern und noch dazu die Schwiegereltern.

Ausdrücklich nicht nötig ist es, sich tatsächlich in Griechenland aufzuhalten.

Ausdrücklich nicht nötig ist es, sich tatsächlich in Griechenland aufzuhalten, was aber auch gar nicht unbedingt die Absicht von Rozakis Kunden ist. Viel wichtiger sind die Vorteile in der EU, die die Familie mit der Investition erwirbt: Nämlich das Recht auf visafreies Reisen im Schengen-Raum. Griechenland ist nicht das einzige „Golden Visa“-Land in der EU, wohl aber das günstigste.

Portugal beispielsweise hat ein ähnliches Programm, allerdings mit einer Mindest-Investitionssumme von 500.000 Euro. Das EU-Mitglied Zypern bietet Investoren gleich die Staatsangehörigkeit an, die dafür dann aber zwei Millionen Euro auf den Tisch blättern müssen.

Rozakis Firma erledigt den Papierkram mit den griechischen Behörden, vermittelt eine Immobilie und kümmert sich – wenn gewünscht – um deren Vermietung und Instandhaltung. Er und seine Kollegen sind im Dezember erstmals für eine viertägige Informationsveranstaltung nach Istanbul gekommen. Der Grund: Die starke Nachfrage von Türken, die seit dem Putschversuch vom Juli 2016 und dem Ausnahmezustand stetig zunehme. „Wir haben ein Treffen nach dem nächsten“, sagt der Manager. „Wir haben kaum Zeit, zu essen oder auf die Toilette zu gehen.“

Das „Golden Visa“-Programm Griechenlands gibt es seit 2013. Vor dem Sommer 2016 sei das Interesse aus der Türkei marginal gewesen, sagt Rozakis. Zwar kämen die meisten Investoren weiterhin aus China und Russland. In dem zu Ende gehenden Jahr hätten die Türken aber die Ägypter vom dritten Platz der Investorenliste verdrängt. „Und es sieht so aus, als wären die Türken auf dem Weg zur Spitze.“

Insgesamt – also nicht nur vermittelt durch Rozakis Firma – seien in diesem Jahr bis November bereits 170 türkischen Investoren und dessen Familien Aufenthaltsgenehmigungen in Griechenland erteilt worden, sagt der Manager. 2016 seien es 30 gewesen. Die griechischen Behörden veröffentlichen keine Statistiken zum „Golden Visa“-Programm, die von Rozakis genannten Zahlen kursieren aber auch in griechischen Medien.

Seit dem Putschversuch und den von Erdogan ausgerufenen „Säuberungen“ verlassen immer mehr Türken ihr Heimatland Richtung EU – oder denken zumindest darüber nach. Rozakis Klientel – die nicht nur aus der Türkei stammt – plant die Investition in der Regel als Versicherung für den Fall der Fälle.

Deswegen wandern seine Kunden nach Vertragsabschluss in der Regel auch nicht aus, sondern verharren in der Heimat, während ein Teil der Ersparnisse schon einmal in Europa angelegt ist. Zur Not kann die Familie in den nächsten Flieger steigen, der in Richtung EU abhebt. Aus Sicht von Türken ist Griechenland nicht nur geografisch naheliegend: Auch Klima und Küche im Nachbarland sind ähnlich.

Seine Kunden fielen in zwei Kategorien, sagt Rozakis. „Erstens Menschen, die einen sicheren und schnellen Ausweg wollen, falls in ihrem Land etwas schiefgeht.“ Die zweite Gruppe seien Vielreisende, die darunter litten, dass es schwieriger werde, Schengen-Visa zu erhalten. Die meisten türkischen Kunden gehörten zur ersten Kategorie. Sie seien typischerweise aus der „oberen Mittelklasse, Menschen mit einer guten Ausbildung“ – und keine Anhänger Erdogans.

Während die Regierung in Ankara die Abwanderung von Kritikern kaum bedauern dürfte, so ist ihr der Abfluss von Devisen ein Dorn im Auge. Erst kürzlich rief Erdogan seine Regierung dazu auf, Schritte gegen Geschäftsleute zu unternehmen, die Gewinne ins Ausland schleusten und so „Verrat am Vaterland“ begingen. Danach ruderte der Präsident zwar zurück und bekräftigte, er plane keine Kapitalverkehrskontrollen. Rozakis sagt, bei seinen Kunden hätten die Aussagen dennoch Sorgen ausgelöst. Für das „Golden Visa“-Geschäft ist das vermutlich nicht schlecht: Sorgen gehören schließlich zu dessen Triebfedern. (dpa)