Orban und die EVP: So halb darf der Provokateur bleiben

<p>Ein Rücktritt und ein Austritt standen im Raum, am Ende legte die EVP die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei von Viktor Orban (Bild) auf Eis. Ein harter Schnitt? Eher ein Kompromiss.</p>
Ein Rücktritt und ein Austritt standen im Raum, am Ende legte die EVP die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei von Viktor Orban (Bild) auf Eis. Ein harter Schnitt? Eher ein Kompromiss. | afp

Warum stehen der Fidesz und die Orban-Regierung in der Kritik?

Kritiker werfen Orban vor, Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen. Die Organisation Freedom House stuft das Land nur noch als „teilweise frei“ ein. Die EU-Kommission leitete mehrere Verfahren wegen mutmaßlicher Verletzung von EU-Recht ein. Und das Europaparlament startete ein Strafverfahren wegen der mutmaßlichen Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. Diese Entwicklung bewerten Teile der EVP schon länger als bedenklich.

Und warum steht die EVP-Mitgliedschaft des Fidesz jetzt erst infrage?

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat eine Plakat-Kampagne der ungarischen Regierung, mit der Orban das Land überzogen hatte. Auf den Plakaten wurden EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der US-Milliardär George Soros als Förderer illegaler Migration diffamiert. Daraufhin forderten rund ein Dutzend EVP-Parteien den Rauswurf oder die zeitweise Suspendierung des Fidesz. Orban setzte noch eins drauf und beschimpfte die Kritiker als „nützliche Idioten“, die das Geschäft der Linken und Liberalen betrieben.

Wie hätte Orban der Partei entgegenkommen sollen?

EVP-Fraktionschef Weber hatte zuletzt drei Bedingungen aufgestellt, um zumindest weiter im Gespräch zu bleiben: ein Ende der Plakat-Kampagne, eine Entschuldigung an die anderen EVP-Parteien und Sicherheit für die Universität CEU in Budapest. Zudem müsse die CEU wieder amerikanische Diplome in Budapest ausstellen können. Die CEU war im Dezember unter Druck der ungarischen Regierung nach 26 Jahren Tätigkeit in Budapest nach Wien umgezogen.

Und wie hat Orban reagiert?

Im Zickzackkurs. Wegen der „nützlichen Idioten“ hat er um Entschuldigung gebeten, die Anti-Juncker-Kampagne hat er vorerst eingestellt. In Sachen CEU hat er öffentlich noch kein Entgegenkommen gezeigt. Die von ihm kontrollierten Medien ließ Orban zuletzt das Ausscheiden des Fidesz als wünschenswert darstellen. Für den Fall einer Suspendierung drohte die Partei mit Austritt aus der EVP.

Was wurde am Mittwoch beschlossen?

Mit sehr breiter Mehrheit entschieden sich die EVP-Delegierten in Brüssel für eine Suspendierung des Fidesz: Die Mitgliedschaft in dem Parteienverbund wird auf Eis gelegt. Fidesz darf nicht mehr mitbestimmen und auch keine Kandidaten mehr für Parteiämter entsenden oder aufstellen. Eine Experten-Kommission unter der Führung des ehemaligen EU-Ratschefs Herman Van Rompuy soll entscheiden, wann und ob die Mitgliedsrechte der Partei wieder in Kraft gesetzt werden. Ein Austritt von Orbans Partei scheint zunächst abgewendet. Denn Orban hatte erwirkt, dass der Vorschlag der EVP-Spitze nochmal in seinem Sinne gesichtswahrend geändert wurde. In der neuen Variante hieß es, das EVP-Präsidium und Fidesz hätten sich gemeinsam darauf verständigt, dass Fidesz seine Mitgliedschaft bis zum Ende des Berichts suspendiere. Zuvor hatte es in dem Vorschlag noch geheißen, Fidesz werde ohne eigene Mitsprache suspendiert.

Welche Folgen hat diese Entscheidung?

Mit der Suspendierung ist ein Rauswurf des Fidesz zwei Monate vor der Europawahl erst einmal abgewendet. Ein Bruch hätte bedeutet, dass die EVP-Gruppe im Parlament nach der Europawahl ohne den Fidesz rund ein Dutzend Mitglieder weniger gehabt hätte. Auch andere Parteien hätten die EVP wegen eines Orban-Ausschlusses verlassen können. Zusammen mit dem Fidesz könnten sie sich der EU-skeptischen EKR-Parteienfamilie anschließen, in der schon jetzt die rechtsnationale polnische Regierungspartei Pis ist. Einige warnten, ein Orban-Rauswurf könne langfristig die Ost-West-Spaltung Europas vorantreiben. (dpa)

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