Myanmar bleibt Antwort auf UN-Kritik schuldig

Nach dem jüngsten UN-Bericht zu Myanmars brutalem Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya steht Regierungschefin Aung San Suu Kyi wieder verstärkt in der Kritik. | afp

Seit sie Regierungschefin ist, hat Myanmars Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi das Schweigen gelernt. An der Universität der alten Hauptstadt Rangun kam sie nun jedoch ins Plaudern: über den Hollywood-Klassiker „Vom Winde verweht“, über ihre Lieblingsbücher, über Poesie und Literatur im Allgemeinen. Nur: Über die jüngsten Vorwürfe der Vereinten Nationen gegen ihre Regierung, gegen die Generäle an ihrer Seite und auch gegen sie selbst sagte die 73-Jährige kein einziges Wort.

Völkermord? Kriegsverbrechen? Verbrechen gegen die Menschlichkeit?Alles kein Thema.

Die Staatszeitung „Global New Light of Myanmar“ hob ihren Auftritt am Mittwoch trotzdem auf den Titel. Das Foto dazu zeigte sie freundlich lächelnd in einem Meer von Blumen. Völkermord? Kriegsverbrechen? Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Alles kein Thema. Es ist die Taktik, die Aung San Suu Kyi seit mehr als einem Jahr verfolgt: seit die mitregierenden Militärs im August 2017 mit brutaler Gewalt auf Angriffe von Rebellen der muslimischen Minderheit der Rohingya reagierte. Seither sind 700.000 Menschen aus dem buddhistischen Myanmar (ehemals: Birma) ins muslimische Nachbarland Bangladesch geflohen. Es gab Tausende Tote. Die internationale Empörung ist groß. Doch die Regierungschefin, die durch ihren Widerstand gegen die jahrzehntelange Militärdiktatur zur weltweiten Demokratie-Ikone wurde, sagt dazu kaum etwas. Auch auf den UN-Bericht bleibt sie die Antwort schuldig.

Dabei werden darin nicht nur die Generäle kritisiert, die jetzt neben ihr im Kabinett sitzen. Die UN-Ermittler fordern, Armeechef Min Aung Hlain – neben der „Lady“ der starke Mann des Landes – vor ein internationales Strafgericht zu stellen. Zudem werfen sie Aung San Suu Kyi persönlich vor, „weder ihre Rolle als Regierungschefin noch ihre moralische Autorität genutzt zu haben, um sich den Ereignissen entgegenzustellen“.

Offiziell gab es dazu bislang nur eine Antwort eines Regierungssprechers. Der Mann sprach von „falschen Anschuldigungen“ und behauptete, Myanmar habe bei Menschenrechtsverletzungen „null Toleranz“. Zudem habe man selbst schon eine unabhängige Kommission eingesetzt, die den Vorwürfen nachgehe.

Herausgekommen ist dabei noch nichts. Offen ist im Moment, ob Suu Kyi nach all den Vorwürfen nächsten Monat zur UN-Vollversammlung nach New York reisen wird – eigentlich ein Pflichttermin. Letztes Jahr hatte sie verzichtet, sich der Kritik zu stellen. Noch mehr als die UN-Vorwürfe bewegt die Regierenden in Myanmar aber die Tatsache, dass Facebook infolge des Berichts weltweit zum ersten Mal die Konten staatlicher Instanzen sperren ließ.

In dem 50-Millionen-Einwohner-Land, wo Facebook 18 Millionen Nutzer hat, ist das von großer Bedeutung. Betroffen ist auch der oberste General. Min Aung Hlaing (62) ließ seine Facebook-Seiten mehrmals täglich auffrischen.

Dafür gab es millionenfach Likes. Zwischen Erinnerungsfotos wurde dabei auch Propaganda gegen Rohingya gemacht („Diese Ausländer versuchen, das Land der Einheimischen zu übernehmen“). Jetzt sind die Seiten nicht mehr zu erreichen. Insgesamt klemmte der Konzern aus Kalifornien 20 Personen und Organisationen ab, die alle Verbindungen zur Armee haben und zusammen fast zwölf Millionen Follower – so etwas gab es noch nie.

Zur Begründung erklärte Facebook: „Wir wollen verhindern, dass sie unseren Dienst nutzen, um ethnische und religiöse Spannungen weiter anzuheizen.“ Der US-Konzern gab aber auch zu: „Wir haben zu spät reagiert.“ Tatsächlich steht der Konzern schon länger in der Kritik, die Hass-Propaganda praktisch ohne Kontrolle weiterzuverbreiten. Bis vor Kurzem waren über die Rohingya noch Sätze zu lesen wie „Zündet sie an, damit sie schneller zu Allah kommen“ oder „Wir müssen sie bekämpfen, wie Hitler das mit den Juden gemacht hat“. Kontrolliert wurden die Einträge bei Facebook lange Zeit von genau zwei Mitarbeitern, die die Landesspreche beherrschen. Inzwischen sollen es 60 sein. Regierung und Militärs versuchen jetzt, die Blockade der Seiten möglichst schnell wieder aufheben zu lassen.

Auf die Blockade reagierte übrigens auch Aung San Suu Kyi. Auf ihrem persönlichen Konto, das sie seit April 2016 nicht mehr genutzt hatte, erschien erstmals wieder ein neuer Eintrag. Der Text: „Wir, die wir den Übergang hier in Myanmar selbst erleben, haben eine andere Sicht der Dinge als die Leute außerhalb, die auch gar nicht davon betroffen sein werden, wie das ausgeht.“ (dpa)