Miese Luft in den Metropolen

<p>Ein Rauchschleier hängt über dem Stadtzentrum von Athen.</p>
Ein Rauchschleier hängt über dem Stadtzentrum von Athen. | Alkis Konstantinidis/ANA-MPA/dpa

In der griechischen Hauptstadt Athenwar dicke Luft in den 80er Jahren ein enormes Problem. Schon damals wurde der Verkehr beschränkt. Im Wechsel durften nur Autos mit geraden oder ungeraden Nummernschildern fahren. Besserung trat mit der Einführung des griechischen TÜV und mit den Olympischen Spielen 2004 ein, als Industriebetriebe aufs Land verbannt wurden. Heute lässt es sich in Athen vergleichsweise gut atmen; ein Problem ist jedoch seit Beginn der Finanzkrise das Heizverhalten der Menschen. Weil viele kein Geld für Heizöl haben, verbrennen sie in ihren Kaminen alles Mögliche, sodass die Grenzwerte im Winter immer wieder überschritten werden.

Für London sind die schlimmsten Zeiten lange vorbei. Im Great Smog von 1952 konnte man teilweise die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Innerhalb von nur fünf Tagen starben damals geschätzt 4.000 Londoner, weil sie keine Luft mehr bekamen. Doch auch heute geht die Stadtverwaltung von mehreren Tausend vorzeitigen Todesfällen pro Jahr wegen Luftverschmutzung aus. Die EU-Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub werden besonders in der City teils deutlich überschritten. Ab April 2019 gilt in London eine neue Umweltzone für mehrere Innenstadtbereiche. Autofahrer, deren Fahrzeuge den Vorgaben nicht entsprechen, müssen 12,50 Pfund (rund 14 Euro) Maut pro Tag bezahlen. Bis Oktober 2021 soll sie auf beinahe das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden. Ältere Diesel- und Benziner müssen bereits seit 2017 eine Zusatzgebühr zur Innenstadtmaut entrichten. Seit 2018 werden keine Taxi-Lizenzen mehr für Dieselfahrzeuge ausgegeben. Neue Taxis müssen mindestens mit Hybridmotor ausgestattet sein.

Wenn es in der russischen Hauptstadt Moskau regnet oder stürmt, können die Einwohner aufatmen: Dann ist die Luft am saubersten. Doch gerade im Winter bei viel Schnee wird es eng auf den Straßen: Kilometerlange Staus quälen sich durch die Zwölf-Millionen-Stadt. Dann schlagen die Messstationen von Greenpeace Alarm: Im Januar wurde mehr als 100 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft gemessen. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Die Stadt und Bürgerinitiativen möchten deshalb möglichst viele Einwohner zum Umstieg aufs Fahrrad und auf die Metro bewegen. Auf manchen Straßen gelten für besonders schmutzige Lastwagen und Bussen Einschränkungen. Für alle Neuwagen sowie für alle aus dem Ausland importierte Gebrauchtfahrzeuge gilt Euro 5 als Pflicht.

Die stark belastete französische Hauptstadt Paris geht seit Langem gegen „dicke Luft“ vor. Regelungen im Kampf gegen Abgase sind streng, Schadstoff-Plaketten für Autos Pflicht. Dieselautos mit Erstzulassung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 dürfen in der Woche tagsüber nicht mehr überall fahren. Ab Mitte des Jahres werden die Regeln strenger: Dann dürfen die alten Autos grundsätzlich gar nicht mehr das vom äußeren Autobahnring umschlossene Gebiet fahren. Paris baut zudem vor der Stadt große Parkplätze, damit Pendler mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fahren. Auf längere Sicht gehen die Pläne von Bürgermeisterin Anne Hidalgo noch weiter. So soll das historische Zentrum in einen Fußgängerbereich umgewandelt werden. Der Plan betrifft die ersten vier Arrondissements – dort liegen berühmte Touristenattraktionen wie die Kathedrale Notre-Dame, das Louvre-Museum, das Centre Pompidou oder die malerischen Seine-Inseln Île de la Cité und Île Saint Louis.

In Rombrummt der Verkehr – doch dort ist die Luft oft gar nicht so schlecht wie in anderen Städten. Turin oder Mailand, aber auch Padua und Brescia stehen stets weit oben auf den Listen, wenn es um Überschreitungen von Schadstoff-Grenzwerten geht. Aus Sicht des Umweltverbands Legambiente ist die Umweltverschmutzung „außer Kontrolle“ geraten: In 55 Provinzhauptstädten Italiens sind demnach 2018 Grenzwerte für Feinstaub und Ozon an vielen Tagen überschritten worden. Grund dafür sieht der Verband etwa in fehlenden Plänen für den Ausbau des Nahverkehrs. Für Fahrten in Stadtzentren gibt es in Italien vielfach klare Regeln. In Rom müssen Anwohner etwa eine Genehmigung dafür kaufen. Einmal im Monat gönnt die Stadtverwaltung den Bewohnern einen „grünen Sonntag“. Dann müssen in zwei Zeitfenstern Dieselwagen und Benziner stehen bleiben.

Die US-Millionenmetropole Los Angeles in Südkalifornien ist für ihre dicke Luft bekannt. Zwar hat sich seit den fast täglichen Smog-Warnungen in den 1960er Jahren viel verbessert, doch die Stadt der Highways belegt nach dem jüngsten Bericht des US-Lungenverbandes in den USA immer noch Platz 1 für die höchste Ozon-Belastung. Im vorigen Sommer wurden im Raum Los Angeles an 87 aufeinanderfolgenden Tagen die zulässigen Schadstoffgrenzen überschritten. Trotz Dunstglocke und Verkehrstaus – Fahrverbote gibt es nicht. Kalifornien setzt vor allem auf den steigenden Verkauf von Elektroautos. Das steuerlich geförderte Ziel sind 1,5 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge im Jahr 2025.

In Peking liegt die Luftbelastung mit Feinstaub (PM 2,5 – also Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von 2,5 Mikrometern oder kleiner) fast immer über dem Grenzwert, den die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Für die mehr als 20 Millionen Pekinger ist es relativ positiv, wenn der Grenzwert nur um das Zwei- bis Vierfache überschritten wird. Manchmal ist die Lage viel schlechter: In diesem Winter wurde der Grenzwert einmal auch wieder um das Zwanzigfache überschritten. Die Behörden haben in den vergangenen Jahren einiges getan, unter anderem Fabriken ausgelagert und Abgasvorschriften verschärft. Auch gilt an einem Tag der Woche ein Fahrverbot für jedes Auto – je nach Nummernschild. Droht schlimmer Smog, müssen Fabriken die Produktion drosseln. Die Menschen schützen sich meist mit Atemschutzmasken und lassen daheim Luftfilter laufen.

Nirgendwo ist die Luft ungesünder als in der indischen Hauptstadt Neu Dehli – mit mehr als 28 Millionen Einwohnern eine der größten Städte der Welt – und in der umliegenden Region: Die 13 Städte mit der höchsten Feinstaubbelastung der Welt liegen laut WHO alle in Nordindien. Bisweilen erreicht der Luftgehalt des gefährlichen Feinstaubs PM 2,5 die höchste messbare Zahl von 999 Mikrogramm pro Kubikmeter – das 40-fache des Grenzwerts der WHO. An solchen Tagen treten Notfallmaßnahmen in Kraft – Bauarbeiten werden gestoppt, Schulen geschlossen und der Verkehr wird eingeschränkt. Es fehlt aber an einer Strategie sowie an Problembewusstsein in der Bevölkerung.

Die afghanische Hauptstadt Kabulund mit ihren geschätzt vier Millionen Einwohnern erstickt im Winter geradezu im Smog. Der Luftanteil des besonders gefährlichen Feinstaubs der Kategorie PM 2,5 liegt immer wieder über 200, teils sogar über 500 Mikrogramm pro Kubikmeter. Laut WHO sind Werte von höchstens 25 im Tagesdurchschnitt und von 10 als Jahresmittel unbedenklich. Zu den größten Luftverschmutzern gehört der Verkehr – uralte Lkw und Autos knattern durch die Stadt. Aber auch Wohnhäuser, Ziegelöfen und öffentliche Bäder tragen zur Luftverschmutzung bei, da sie hauptsächlich mit Kohle geheizt werden. Gesetzliche Grenzwerte gibt es nicht, Aufrufe zu mehr Umweltschutz verhallen in dem kriegsgeplagten Land mit so viel anderen Problemen praktisch ungehört.

Ägyptens Hauptstadt Kairo zählt weltweit zu den Städten mit der höchsten Feinstaubbelastung. Die große Hitze und der Staub der umliegenden Wüste verschärfen die Situation für die Mega-Metropole mit ihren mehr als 20 Millionen Einwohnern. Der stockende Straßenverkehr mit jahrzehntealten Autos, illegale Müllverbrennungen und die Industrie tun ihr übriges: Im Jahresmittel liegt die Feinstaubbelastung laut WHO bei 284 Mikrogramm/Kubikmeter Luft. Die Smogwolken sind sogar vom All aus auf Satellitenaufnahmen zu sehen. Im vergangenen Jahr kündigte das Umweltministerium an, die Luftverschmutzung bis zum Jahr 2023 um die Hälfte zu reduzieren. Dazu sollen etwa schärfere Kontrollen der Autoabgase und eine Umstellung auf Elektromobilität beitragen. Ähnliche Ideen wurden aber bereits 2004 formuliert – ohne Erfolg. (dpa)

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